Umstrittenes AngebotRaucher sollen zum Lungenkrebs-Test
Eine Stiftung wirbt derzeit für das Screening der Lunge per CT, um Lungenkrebs früh zu erkennen. Das Vorgehen kommt bei Fachleuten nicht gut an.
Mit diesem und anderen Werbespots wirbt die Stiftung für ihr Programm.
Mit berührenden Spots wirbt derzeit die neu gegründete Stiftung für Lungendiagnostik am Schweizer Fernsehen. Ihr Ziel: Möglichst viele Personen aus der Risikogruppe dazu zu bewegen, sich einem Lungen-CT zu unterziehen. Zur Risikogruppe gehören vor allem über 50-jährige Raucher und Ex-Raucher, die 20 Jahre lang jeden Tag ein Päckchen Zigaretten geraucht haben.
«Lungenkrebs kann heilbar sein, wenn er rechtzeitig erkannt wird», sagt Jürg Hurter, Präsident des Stiftungsrats, dem auch alt Ständerat und Präventionsmediziner Felix Gutzwiller angehört. Ein Lungenkrebspatient habe nur eine Heilungschance von 15 Prozent. Mit der Früherkennung könne die Sterblichkeitsrate in der Schweiz deutlich gesenkt werden, ist Hurter überzeugt.
«Stark emotionalisiert»
Doch am Vorpreschen der Stiftung haben nicht alle Freude. Professor Milo Puhan ist Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention an der Uni Zürich. Er sagt: «Jährlich sterben rund 3500 Menschen in der Schweiz an Lungenkrebs, aber dass man diese durchs Screening zum Beispiel auf 1000 oder 2000 senken kann, ist total unrealistisch und nicht durch die derzeitige Evidenzlage begründbar.»
Die Aktion dieser Stiftung sei vielleicht gut gemeint, «aber es ist eine sehr delikate Angelegenheit: Die ganze Kampagne mit den Werbespots läuft stark emotionalisiert ab», sagt Puhan. Seine Kritik: Die Stiftung warne nicht vor den Risiken und schüre überhöhte Erwartungen. Eine grosse Studie in den USA habe gezeigt, dass bei 1000 Screenings mit einer CT-Untersuchung bei rund 350 Patienten ein auffälliger Befund festgestellt wurde – etwa durch Verkalkungen oder gutartigen Veränderungen der Lunge. «Doch nur 14 Fälle waren wirklich Lungenkrebs.» Und nur zwei bis drei Todesfälle konnten durch die Früherkennung verhindert werden.
Puhan warnt: «Wer sich screenen lässt, gerät möglicherweise in eine Abklärungs-Maschinerie.» Nach dem ersten Lungen-CT könne das Aufgebot zu einem zweiten CT folgen und man müsse vielleicht höher dosiert bestrahlt werden. «Oder es kann einen invasiven Eingriff geben, bei dem Komplikationen auftreten könnten – obwohl gar kein Lungenkrebs vorhanden ist.» Zudem komme der Stress und die Angst über Monate, vielleicht Krebs zu haben. Puhan: «All das müssen Patienten wissen, bevor sie ein CT machen lassen.»
Screening bald in Grundversicherung?
Das Argument, dass mit der Untersuchung den Leuten unnötig Angst eingejagt werde, lässt Jürg Hurter nicht gelten. «Als ab 1999 in der Schweiz ein Pilotprojekt zur Früherkennung von Lungenkrebs durchgeführt wurde, haben sich die Teilnehmer erfreut und positiv über die Möglichkeit geäussert.» Die Teilnehmer hätten besonders geschätzt, dass man sich um sie kümmere und ihnen die Gelegenheit gebe, etwas Sinnvolles für ihre Gesundheit zu tun.
Die Früherkennung von Lungenkrebs per Screening soll in der Schweiz sowieso vorangetrieben werden – aber kontrolliert, wie Puhan sagt. Eine Expertenkommission aus Pneumologen, Radiologen, Thoraxchirurgen und Epidemiologen aus den fünf Schweizer Universitäten setzt sich dafür ein. Milo Puhan erklärt: «Wir haben beim BAG eine Eingabe gemacht, damit die CT-Untersuchung mit neutraler und nicht emotionalisierter Beratung vorher und nachher in der Grundversicherung in Evaluation aufgenommen wird.»
Start nicht vor 2017
So soll jeder Patient aus einer Risikogruppe vor dem Screening ein Beratungsgespräch mit einem Lungenfacharzt führen, damit er über die Risiken und Folgen des Screenings aufgeklärt ist und eine CT-Untersuchung dann auch ablehnen kann. Puhan: «Eine solche Beratung fehlt uns zum Beispiel beim Angebot der Stiftung für Lungendiagnostik.»
Falls das BAG grünes Licht gibt, müssen die Zentren aber noch zertifiziert werden und das Vorgehen standardisiert werden. Mit einem Start des Screenings könne vor 2017 nicht gerechnet werden. Dann aber werde es unter strengem Qualitätsmonitoring durchgeführt. «Damit man nach fünf Jahren beurteilen kann, ob man das Screening weiterführen oder abbrechen soll.»