Nachkommen von Auslandschweizern wollen den Schweizer Pass

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«Recht des Blutes»Nachkommen von Auslandschweizern wollen den Schweizer Pass

In einer Petition fordern Argentinier mit Schweizer Wurzeln das Bürgerrecht – ohne Erfolg. Nun setzt sich SP-Ständerat Carlo Sommaruga für einen erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt ein.

In Argentinien lebt die grösste Gruppe von Auslandschweizern in Lateinamerika. Doch es gibt auch viele, die das Bürgerrecht über Generationen verloren haben.
Nun fordert eine Gruppe von Nachkommen von Auslandschweizern den Schweizer Pass. Allerdings war die Petition mit dem entsprechenden Anliegen in der zuständigen Kommission des Ständerats chancenlos. Im Bild: Eine Gruppe von Nachkommen von Auslandschweizern in Montevideo unterstützt die Petition.
Dylan Kunz ist einer der Hauptvertreter der Bewegung. Gegenüber 20 Minuten erklärt er: «Wir haben Unterstützer aus grossen Teilen Südamerikas, beispielsweise aus Brasilien, Chile und Uruguay.»
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In Argentinien lebt die grösste Gruppe von Auslandschweizern in Lateinamerika. Doch es gibt auch viele, die das Bürgerrecht über Generationen verloren haben.

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Darum gehts

  • Argentinier mit Schweizer Wurzeln fordern in einer Petition das Bürgerrecht.  In der zuständigen Kommission des Ständerates war das Anliegen chancenlos.

  • In einer Motion nimmt SP-Ständerat Carlo Sommaruga einen Teil des Anliegens auf. Er fordert ein Sonderkontingent für Arbeitsbewilligungen.

  • Der 23-jährige Argentinier Dylan Kunz hat Schweizer Grosseltern und ist der Initiant der Petition: «Ich dachte mein ganzes Leben lang, ich könnte die Schweizer Staatsbürgerschaft einfordern.»

  • Der Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf und lehnt die Motion ab.

In der Schweiz gilt das Recht des Blutes, die Staatsbürgerschaft wird also vererbt. Trotzdem verloren Tausende Nachkommen von Ausgewanderten das Bürgerrecht. Der Grund: Das Bürgerrecht kann verwirken – wer die Fristen im Ausland verpasst, ist nicht mehr Eidgenosse.

Die argentinische Bewegung «Descendientes Suizos por la nacionalidad» will das rückgängig machen. Letztes Jahr lancierte sie eine Petition, welche das Bürgerrecht für Nachkommen von Auslandschweizern bis zur fünften Generation fordert. Wer also einen Schweizer Ur-Ur-Ur-Grosselternteil nachweisen kann, soll Anspruch auf den Schweizer Pass haben. Das Anliegen wurde von mehr als 10'000 Auslandschweizern ohne Bürgerrecht unterstützt.

Erleichterte Einreise statt Bürgerrecht

In der Kommission war das Anliegen chancenlos. «Die Annahme der Petition hätte die Einbürgerung von Millionen von Personen zur Folge gehabt», sagt SP-Ständerat Carlo Sommaruga. Der Genfer ist Co-Präsident der parlamentarischen Gruppe für Auslandschweizer.

Nun setzt er sich dafür ein, dass die Nachkommen von Auslandschweizern immerhin einen erleichterten Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt erhalten. «Nachdem ich viele Nachkommen von Auslandschweizern ohne Schweizer Pass getroffen habe, weiss ich, wie stark ihre Verbundenheit mit der Schweiz ist», sagt Sommaruga.

In einer Motion fordert er für die Betroffenen ein Sonderkontingent an Aufenthaltsbewilligungen. Das habe den Vorteil, dass zum einen der Fachkräftemangel in der Schweiz bekämpft und zum anderen dem Anliegen der Nachkommen Rechnung getragen werde.

«Es geht mir um meine Identität» – Dylan Kunz erzählt seine Geschichte

In Südamerika leben viele Nachkommen von ausgewanderten Schweizern ohne Schweizer Pass. Einer von ihnen ist der 23-jährige Dylan Kunz, der die Petition initiiert und sich bereits gegenüber Swissinfo dazu geäussert hat. Seine Grosseltern sind Schweizer, er jedoch nicht.

Der Grund: Sein Vater verlor unwissentlich das Bürgerrecht, weil er die Frist verpasst habe. Für Dylan war das ein Schock: «Ich dachte mein ganzes Leben lang, ich könnte die Schweizer Staatsbürgerschaft einfordern.» Jetzt bleibt nur noch ein Weg für Kunz – die Einbürgerung, wie für gewöhnliche Bürger aus Drittstaaten.

Im Interview mit 20 Minuten erklärt Kunz, es ginge vielen Familien so: «Im 20. Jahrhundert war Argentinien ein unterentwickeltes Land.» Wer in den ländlichen Gebieten lebte, sei abgeschottet gewesen und hätte Schweizer Gesetzänderungen nicht mitbekommen. So verpassten viele die Meldefristen.

Dylan Kunz mit Schweizer Flagge: Dem 23-Jährigen ist das Schweizer Bürgerrecht ein grosses Anliegen.

Dylan Kunz mit Schweizer Flagge: Dem 23-Jährigen ist das Schweizer Bürgerrecht ein grosses Anliegen.

Dylan Kunz

Seine Petition bewegt viele Auslandschweizer

Kunz möchte in der Zukunft in der Schweiz leben, vielen Nachkommen von Auslandschweizern ginge es aber nicht darum. Der Argentinier betont, dass er sich auch als Schweizer fühlt. Mit seiner Petition erreichte er Tausende von südamerikanischen Nachkommen von Auslandschweizern ohne Bürgerrecht: «Die meisten von uns wollen Schweizer sein, nicht wegen des Passes, sondern weil die Schweiz Teil unserer Identität ist.» Er feiert – wie viele Argentinier mit Schweizer Wurzeln – den 1. August. Zudem höre er mit seinem Vater auch ab und zu Jodelmusik.

Kunz bedauert zwar, dass die Petition keine Chance hatte. Immerhin setze sich Carlo Sommaruga mit seiner Motion für einen Teil der Anliegen der Auslandschweizer ein: «Es ist ein Schritt in die richtige Richtung.»

Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf für Nachkommen

Der Bundesrat empfiehlt Sommarugas Sonderkontingent zur Ablehnung: Die bestehenden Bestimmungen für Auslandschweizer seien ausreichend. Hinzu komme, dass für Menschen aus Drittstaaten klare Bestimmungen existieren, welche dafür sorgen, dass der Schweizer Arbeitsmarkt auf die benötigten Fachkräfte zugreifen könne.

Der Bundesrat lehnt Sommarugas Motion aus verschiedenen Gründen ab. Im Bild: Der zuständige Justizminister Beat Jans (SP).

Der Bundesrat lehnt Sommarugas Motion aus verschiedenen Gründen ab. Im Bild: Der zuständige Justizminister Beat Jans (SP).

20min/Matthias Spicher

Ein Sonderkontingent erschwere die Steuerung der Migrationspolitik. Zudem befürchtet die Landesregierung zusätzliche Kosten: Einzeln zu prüfen, ob ein familiärer Bezug zur Schweiz besteht, sei für die Behörden sehr ressourcenintensiv.

Wie stehst du zur Forderung, dass Nachkommen von Auslandschweizern leichter den Schweizer Pass erhalten sollen?

FDP-Ständerat Matthias Michel teilt die Argumente des Bundesrates: «Massgebend soll die Ausbildung in der Schweiz sein und nicht, dass die Grosseltern einmal Schweizer waren.» Dennoch erkennt er die Anliegen der Auslandschweizer an: «Wenn diese wieder in der Schweiz leben wollen, können sie den Weg der Einbürgerung gehen; vorstellbar wäre eine erleichterte Einbürgerung.»

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