RechtsextremismusSRF dreht Doku zu «Junger Tat» – die feiert «beste Werbung»
Das SRF-Reportageformat «rec.» begleitete die rechtsextreme Gruppe «Junge Tat» – und wird für angebliche Verharmlosung kritisiert. Die «Junge Tat» freut sich über die Reichweite.
Darum gehts
SRF hat eine Doku über die rechtsextreme Gruppe «Junge Tat» gedreht.
Neben Zuspruch gibt es auch Kritik: Der Doku wird vorgeworfen, der Gruppe zu viel Raum zur Selbstdarstellung zu geben.
Die «Junge Tat» freut sich über die erhöhte Aufmerksamkeit und Reichweite.
Das SRF sagt, man wolle auch kontroverse Themen aufgreifen.
Experten betonen, dass die Doku differenziert und sachlich sei.
Sie marschieren durch Wälder, sprechen über Heimat und geben sich harmlos – das SRF-Reportageformat «rec.» hat die rechtsextreme Gruppierung «Junge Tat» für eine Doku begleitet. Der Reporter Samuel Konrad will mit dem Film zeigen, wie extrem die Gruppierung ist und welche Ziele sie verfolgt. 90'000 Menschen haben alleine auf Youtube den Dokfilm seit der Veröffentlichung am Montag gesehen.
Doch neben Zuspruch gibts auch Kritik: In den Kommentaren auf Youtube beklagen einige, die Doku lasse den Aktivisten zu viel Raum für ihre Selbstdarstellung – bei zu wenig kritischer Einordnung. «Unvoreingenommener Journalismus ist ja gut und recht, hat aber seine Grenzen», schreibt ein User. Ein anderer kommentiert: «Gratuliere SRF, ihr habt ihre Meinung gerade salonfähig gemacht!»
«Junge Tat» zeigt sich auf X begeistert
«Schaut mal, wir gehen zusammen mit Neonazis wandern und geben ihnen einen Plattform», schreibt der Autor Manuel Weingartner auf Instagram. Tatsächlich zeigt sich die «Junge Tat» begeistert. Auf X schreibt der Co-Leiter Manuel Corchia, die Doku sei für die Gruppierung «klar vorteilhaft» – SRF habe ihnen eine «unglaubliche Reichweite» verschafft. Auch Massvoll-Chef Nicolas Rimoldi bezeichnet die Doku als «1A-Werbung»: «Endlich wird mit meinen Zwangsgebühren Sinnvolles produziert.»
SRF: «Wir möchten auch kontroverse Themen besprechen»
Auf Anfrage von 20 Minuten sagt Anita Richner, Angebotsverantwortliche bei SRF, das Format «rec.» wolle unterschiedliche Lebenswelten und Werthaltungen aufzeigen – auch kontroverse. Die Reporterinnen und Reporter seien dazu in direktem Kontakt mit den Protagonisten. «Jeder Stoff, den wir behandeln, bekommt automatisch eine Plattform», so Richner. Es sei aber der Auftrag von SRF als öffentliches Medienhaus, unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen, sie zu hinterfragen und zur Diskussion zu stellen.
Findest du, dass Medien über extremistische Gruppen berichten sollten?
Kritische Einordnung gebe es in der Reportage mehrfach – sowohl durch den Reporter selbst als auch durch Experten. Dass sich die «Junge Tat» über die Reichweite freut, kommentiert Richner mit dem Hinweis, man berichte stets «aus kritischer Distanz, sachgerecht, vielfältig und unabhängig» – die Rezeption der Inhalte könne SRF jedoch nicht beeinflussen.
«Auch Extremisten können sympathisch sein»
Der Extremismusforscher Jérôme Endrass glaubt nicht, dass der Dokfilm die «Junge Tat» verharmlose: «Die Doku ist differenziert und sachlich, problematische Aussagen werden eingeordnet.» Ihm zufolge müsse man auch nicht befürchten, dass der Film der Bewegung gross Zulauf bringe: «Leute mit extremistischen Neigungen werden eher durch szenische Inszenierungen, Machtdemonstration und martialisches Auftreten angesprochen.» Genau auf solche Bilder verzichte die Doku aber.
Er findet es auch richtig, dass die Mitglieder so gezeigt würden, wie sie seien. «Auch Extremisten können sympathisch sein. Es ist nicht die Aufgabe der Medien, sie künstlich schlechter darzustellen oder zu dämonisieren.» Es stelle sich einzig die Frage, ob man über eine derart kleine Gruppierung so ausführlich berichten müsse: «Die ‹Junge Tat› ist ein Mini-Verein mit wenig Reichweite. Da aber bereits viel über sie berichtet wurde, ist die Relevanz durchaus gegeben.»
«Das Publikum ist mündig genug»
Der Beitrag ermögliche dem Publikum, sich selbst ein Bild zu machen, findet der Medienwissenschaftler Vinzenz Wyss: «Dem Reporter gelingt es, gleichzeitig selbstreflektierend und kritisch-distanziert wie auch authentisch das Milieu der ‹Jungen Tat› wiederzugeben.» Kritik, die Doku zeige zu viel Verständnis für die Gruppierung, lässt Wyss nicht gelten: «Es geht nicht um Verständnis, sondern ums Verstehen. Wer meint, solche Gruppierungen dürften nicht gezeigt werden, unterschätzt die Mündigkeit des Publikums.»
Totschweigen aus Prinzip sei keine gute journalistische Praxis. Dass die «Junge Tat» die Doku nun für ihre Zwecke ausschlachtet, sei Teil ihrer PR-Strategie. Wyss: «Klar verkauft die ‹Junge Tat› das nun so. Doch auch das muss man durchschauen.»
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