SVP-Grenzschutzinitiative: Experten sehen Verstoss gegen Völkerrecht

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Rechtsstreit«Das ist heikel»: Ist die Asyl-Initiative der SVP ungültig?

Am Dienstag lancierte die SVP die Unterschriftensammlung für ihre Grenzschutzinitiative. Jetzt zeigen Aussagen von mehreren Rechtsprofessorinnen und -professoren: Die Initiative könnte ungültig sein. Wir sagen dir, was das heisst.

Die SVP startete am Dienstag die Unterschriftensammlung für ihre Grenzschutzinitiative. Doch es droht Ungemach.
Denn die Initiative könnte ungültig sein – zumindest teilweise.
Sie könnte gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstossen, sagen Professor Andreas Glaser, ...
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Die SVP startete am Dienstag die Unterschriftensammlung für ihre Grenzschutzinitiative. Doch es droht Ungemach.

20min/Stefan Lanz

Darum gehts

  • Die SVP sammelt Unterschriften für ihre Grenzschutzinitiative.

  • Doch ein Teil des Initiativtextes könnte gegen zwingendes Völkerrecht verstossen.

  • Drei Rechtsprofessorinnen und -professoren sagen zu 20 Minuten, diese Teile seien «heikel».

  • Sollte sich der Verstoss bestätigen, muss das Parlament die Initiative für ungültig erklären.

Am Dienstagvormittag sammelte die SVP die ersten Unterschriften für ihre Grenzschutzinitiative vor der «Festung Bundeshaus», wie die Partei schrieb. Deren Ziel: Die Schweiz ebenfalls zur «Festung» zu machen – zumindest für Geflüchtete und illegal Einreisende. Dass die Rechtspartei die notwendigen 100’000 Unterschriften zusammenbekommt, ist so gut wie sicher. Die SVP hat ihre Initiativ-Macht schon oft unter Beweis gestellt. Doch spätestens danach hat die Partei vielleicht ein Problem.

Andreas Glaser, Professor an der Universität Zürich sagt, es brauche zumindest ein Rechtsgutachten, ob das Völkerrecht verletzt werde.

Andreas Glaser, Professor an der Universität Zürich sagt, es brauche zumindest ein Rechtsgutachten, ob das Völkerrecht verletzt werde.

Urs Jaudas

Denn Teile des Initiativtextes lassen bei Rechtsgelehrten die Alarmglocken schrillen. Grund: ein möglicher Verstoss gegen zwingendes Völkerrecht. Konkret geht es um die Abschnitte drei, vier und fünf im Initiativtext, die gegen das sogenannte Non-Refoulement-Prinzip verstossen könnten. Dieses besagt, dass niemand in ein Land zurückgeschoben werden darf, in dem ihm Verfolgung, Folter oder Lebensgefahr drohen. Die Regelung ist Teil der Genfer Flüchtlingskonvention, sowie anderer wichtiger Abkommen und somit eben des «zwingenden Völkerrechtes».

Das ist der Initiativtext

20 Minuten hat die Rechtsprofessorin Judith Wyttenbach (Uni Bern) und die Professoren Andreas Glaser (Uni Zürich) sowie Markus Schefer (Uni Basel) um eine Einschätzung zum Initiativtext gebeten. Mehrere kommen in ihren Kurzeinschätzungen zum Schluss, dass die angesprochenen Passagen «heikel» sind. Glaser ist sicher: «Man müsste hier ein ausführliches Rechtsgutachten erstellen, um die verschiedenen Auslegungsmöglichkeiten und die Vorgaben des zwingenden Völkerrechts zu analysieren.»

Ungültig-Erklärungen gab es schon

Das Problem: Sollten die Abklärungen ergeben, dass der Text gegen zwingendes Völkerrecht verstösst, darf die Initiative so nicht zur Abstimmung gebracht werden, das Parlament müsste sie für ungültig erklären.

«Die Bundesversammlung muss entscheiden, ob die Initiative gegen zwingendes Völkerrecht verstösst», sagt Rechtsprofessorin Judith Wyttenbach.

«Die Bundesversammlung muss entscheiden, ob die Initiative gegen zwingendes Völkerrecht verstösst», sagt Rechtsprofessorin Judith Wyttenbach.

Tamedia AG

Judith Wyttenbach sagt: «Die Bundesversammlung muss entscheiden, ob die Initiative in Einklang mit dieser Vorgabe umgesetzt werden könnte oder ob sie zwingendes Völkerrecht verletzt. Wäre letzteres der Fall, müsste die Initiative für ungültig erklärt werden» – zumindest jene Teile wären ungültig, die eben gegen das zwingende Völkerrecht verstossen.

Hast du auch schon mal eine Volksinitiative unterschrieben?

Zuletzt wurde 1996 eine Asylinitiative der Schweizer Demokraten für ungültig erklärt – auch sie verstiess gegen das Non-Refoulement-Prinzip. Zudem wurde 2012 die «Durchsetzungsinitiative» der SVP für teilungültig erklärt – mit der gleichen Begründung.

Doch historisch liessen sich diese Ungültigerklärungen nicht eins zu eins auf die Grenzschutzinitiative übertragen, sagt Andreas Glaser. Im Umgang mit Geflüchteten sei derzeit einfach zu vieles «im Fluss». Glaser verweist auf neue Ideen wie Verfahren in Ruanda oder Albanien oder die Aussetzung des Dublin-Mechanismus durch Italien.

«Konfliktpotenzial» mit Schengen-Dublin ist sicher

Unabhängig von der Frage nach dem zwingenden Völkerrecht hat die Initiative «einiges Konfliktpotenzial mit den Abkommen von Schengen und Dublin», wie Andreas Glaser weiter sagt. Die SVP verlangt nämlich im Initiativtext Nachverhandlungen oder, falls diese scheitern, die Kündigung der Abkommen.

SVP-Chef Marcel Dettling sagte schon gestern zu 20 Minuten, dass er sich nicht vor einer Ungültigerklärung fürchte. Der Text sei «sorgfältig geprüft» worden. «Es wurden bisher erst ganz wenige Initiativen für ungültig erklärt. Wir sind gut beraten, wenn das so bleibt», so Dettling.

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