Notfallplan: Rettet uns dieses Aargauer Kraftwerk mit Öl vor der Stromlücke?

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NotfallplanRettet uns dieses Aargauer Kraftwerk mit Öl vor der Stromlücke?

Weil der Strom im Winter knapp werden könnte, bringt Energieministerin Simonetta Sommaruga Ölkraftwerke ins Spiel. Diese gelten aber als besonders schmutzig.

Die Hoffnungen der Schweizer Energiepolitik liegen auf diesem Versuchskraftwerk in Birr (AG).
Energieministerin Simonetta Sommaruga schlägt vor, Kraftwerke wie dieses zur Stromproduktion zu nutzen.
So soll es nicht zur Strom-Notlage im Winter kommen.
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Die Hoffnungen der Schweizer Energiepolitik liegen auf diesem Versuchskraftwerk in Birr (AG).

Ansaldo Energia Switzerland

Darum gehts

Der Schweiz droht im Winter eine Energiekrise. Etwas mehr als ein Zehntel des Stromverbrauchs im Winter könnte fehlen. Deshalb schlägt Energieministerin Simonetta Sommaruga für den Notfall den Einsatz von Kraftwerken zur Stromproduktion vor, die mit Öl betrieben werden, wie die «SonntagsZeitung» schreibt.

Es wäre eine Trendwende für Sommaruga, die mehr auf erneuerbare Energien setzen wollte. Zumal Strom aus Erdöl als besonders schmutzig gilt. Wie realistisch sind die Pläne? 20 Minuten beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Stromplänen aus Öl.

Welche Kraftwerke will Sommaruga nutzen?

Das ist nicht bekannt. Der Bau eines neuen Kraftwerks wäre für diesen Winter aber zu spät. Deshalb liegen die Hoffnungen auf einem bestehenden Versuchskraftwerk in Birr (AG). Es dient für Tests von neuen Gasturbinen, speiste versuchsweise aber auch schon grosse Mengen Strom ins Netz ein.

Wem gehört es?

Der italienischen Firma Ansaldo Energia, mit der die Behörden in Kontakt sind. Die Firma signalisierte bereits im Frühling Interesse, das Kraftwerk als Notreserve zur Verfügung zu stellen.

Lässt sich das Kraftwerk umnutzen?

Ja, die Turbinen lassen sich mit Gas und Öl betreiben. Normalerweise wäre die Zeit bis im Winter aber wohl zu knapp zur Inbetriebnahme. Laut Gerd Albiez, Verwaltungsratspräsident von Ansaldo Energia Switzerland, liesse es sich aber prüfen, wenn der Bund sehr kurzfristig mit Notrecht die nötigen Bewilligungen ermöglichen würde und Kosten keine Rolle spielen würden.

Wie teuer würde das?

Das ist schwer vorherzusagen. Laut FDP-Nationalrat Beat Walti spielen die Kosten aber eine untergeordnete Rolle, wenn es darum geht, einen Blackout zu verhindern. «Die Kosten für die Wirtschaft und die Bevölkerung wären deutlich höher», so Walti.

Könnte es uns retten?

Ja. Eine der drei Turbinen im Kraftwerk allein kann so viel Strom produzieren wie das Atomkraftwerk Beznau 1. «Wenn wir ganz kurzfristig Energie brauchen, kann das Kraftwerk im Winter eine Leistung im Bereich von drei bis vier Prozent der Spitzenlasten liefern. Das ist recht anständig», sagt GLP-Energiepolitikerin Barbara Schaffner. Öl zur Stromproduktion wird es im Winter laut Experten genug geben. Dieses lässt sich mit dem Zug auf Bahngleisen direkt zum Werkareal in Birr transportieren, wo es Tanks für einen Tag Betriebszeit gibt.

So funktionierts:

Wie schmutzig ist es?

Ölkraftwerke gelten als besonders schmutzig. Im Vergleich zu Gasturbinen stossen sie für die gleiche Menge Strom wesentlich mehr CO2 aus. Kurt Egger, Energiepolitiker der Grünen, hält deshalb nichts von den Plänen. «Das gäbe eine massive zusätzliche Belastung der CO2-Emissionen, dagegen würden wir uns wehren», sagt er zu 20 Minuten. FDP-Nationalrat Beat Walti hält dagegen, dass es um eine kurzfristige Schadensbegrenzung gehe. «Niemand will längerfristig Strom aus Öl produzieren, aber im Notfall sind wir froh darum», so Walti.

Ueli Bamert vom Verband der Schweizer Mineralölkonzerne Avenergy sieht die Entwicklung als Beleg für das «kolossale Scheitern der Energiestrategie 2050», wie er auf Anfrage sagt. Seit Jahren versuche die Politik, den Hausbesitzern ihre Ölheizungen zu verbieten und den Verbrennermotor verschwinden zu lassen. Dieses Öl solle nun in einem Kraftwerk Strom erzeugen, mit dem dann die Wärmepumpen und Elektroautos betrieben werden sollen.

Strom aus dem Ölkraftwerk – findest du das gut?

Was wäre die Alternative?

GLP-Nationalrätin Barbara Schaffner setzt sich fürs Stromsparen ein: «Ich bin zuversichtlich, dass wir die zehn Prozent, die fehlen, mit effizienten Massnahmen einsparen werden – ohne Komfort- oder Produktionseinbussen.» Grüne-Nationalrat Kurt Egger schlägt vor, dass bezahlte Berater des Bundes den Firmen und der Bevölkerung  Stromspartricks geben. Er fordert zudem einen weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien.

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