Richter spricht in «Mohrenkopf»-Prozess von seiner Katze «N****lein»

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Rorschach SGRichter spricht in «Mohrenkopf»-Prozess von seiner Katze «N****lein»

Markus Heim verkaufte vergangenen Sommer verkleidet Schokoküsse. Vor Gericht wurde er am Mittwoch freigesprochen. Das Urteil sowie die Begründung des Richters sorgen auf Social Media für Diskussionen.

Markus Heim hat sich durch seine Aktion im letzten Sommer einen Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung eingehandelt. Schwarz bemalt hat er in Rorschach «Mohrenköpfe» der Firma Dubler bei einem Stand verkauft. Weil er den Strafbefehl nicht akzeptiert, kam es am Mittwoch zum Prozess.

(Video: Leo Butie, Thomas Sennhauser)

Darum gehts

  • Im Juni 2020 verkaufte Imbiss-Betreiber Markus Heim in Rorschach SG verkleidet Schokoküsse.

  • Dafür erhielt er einen Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung.

  • Er akzeptierte ihn nicht und zog vor Gericht.

  • Am Mittwoch wurde er am Kreisgericht Rorschach freigesprochen.

  • Das Urteil und die Begründung geben auf Social Media zu reden.

«Ich erwarte heute einen Freispruch, da ich nichts gemacht habe, das man nicht darf», äusserte sich Imbissstand-Betreiber Markus Heim am Mittwoch vor dem Prozess am Kreisgericht Rorschach gegenüber 20 Minuten. Der 58-Jährige verkaufte mit goldenem Umgang, Perücke und schwarzer Farbe im Gesicht vergangenen Juni in Rorschach SG «Mohrenköpfe» der Firma Dubler. Den Strafbefehl wegen Rassendiskriminierung und die damit verbundene Geldstrafe akzeptierte Heim nicht, weshalb es zum Prozess kam.

Das Gericht sprach ihn frei. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, über schlechten Geschmack zu befinden. Strafrechtlich relevant sei die Sache nicht. In seiner Begründung führte der Richter aus, dass Begriffe stark dem Zeitgeist unterliegen und deshalb sei es schwierig auf dieser Basis jemanden zu verurteilen. Die Praxis des Bundesgerichts sei sehr streng, wenn es um die Rassismusstrafnorm gehe. Auch er habe früher etwa das N-Wort benutzt und seine Katze als Kind «N****lein» genannt.

Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, Heim habe mit seiner Aktion wissentlich die Würde von Menschen mit dunkler Hautfarbe herabgesetzt oder dies zumindest in Kauf genommen. Heim bestreitet, sein Auftritt habe einen rassistischen Hintergrund gehabt.

Was verbietet die Rassismus-Strafnorm?

  • Nicht jede rassistische Äusserung oder Handlung ist strafbar.

  • Aufgabe des Strafrechts ist nicht, Menschen zu sagen, was moralisch richtig oder falsch ist. Es geht darum, Verhalten zu sanktionieren, welches das friedliche Zusammenleben in einer Gemeinschaft auf Dauer gefährdet.

  • Sanktioniert werden nur rassendiskriminierende, entwürdigende und den sozialen Frieden auf Dauer gefährdende Äusserungen in der Öffentlichkeit. (Quelle: ekr.admin.ch)

Debatte ausgelöst

Auf Social Media lösen das Urteil und auch die Begründung des Richters eine Debatte aus. So heisst es etwa: «Absurde Argumentation des Richters» und «Von wegen die Schweiz hat kein Problem mit Alltagsrassimus. Das Urteil kann man so akzeptieren, aber nicht die Begründung des Richters». Andere feiern das Urteil. Nebst zahlreichen «Bravos» heisst es auch: «Dass sich ein Kreisgericht überhaupt mit einer solchen Bagatelle befassen muss, sagt viel über den Zeitgeist aus. Wenigstens hat es vernünftig entschieden».

Der Rorschacher Gerichtspräsident Olav Humbel, der das Urteil aussprach, steht zu seinen Aussagen. «Begriffe wandeln sich mit der Zeit», so Humbel. Während man in der Vergangenheit das N-Wort ohne rassistische Hintergedanken verwendete, sei dies heute anders. Genau so verhalte es sich auch mit dem «Mohrenkopf». Diese Aussagen über Begrifflichkeiten seien aber für das Urteil nicht juristisch relevant gewesen. Vielmehr habe er sich an den Urteilen des Bundesgerichts orientiert, das sehr zurückhaltend die Rassismusstrafnorm anwendet. «Die Diskussion um den Begriff ‹Mohrenkopf› muss in der Gesellschaft diskutiert werden und ist nicht Sache der Justiz», so Humbel.

Dem stimmt auch Dina Wyler, Geschäftsleiterin der GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus zu. «Wir verurteilen diese geschmacklose Aktion», so Wyler. Man begrüsse aber, dass der Richter auf die zugenommene Sensibilität von Begriffen hingewiesen habe. Denn in dieser ganzen Debatte würde man sich vielmehr wünschen, dass bei solchen Fällen mehr über die Begrifflichkeit diskutiert werde und aufzeigt werde, wieso ein Wort verletzend sei, damit es auch Leute wie Herr Heim endlich verstehen. «Der Begründung des Richters kann man entnehmen, dass Aussagen durchaus rassistisch sein können, auch wenn sie nicht unter die Rassismusstrafnorm fallen. Dies zeigt, dass dieses Gesetz eben kein Maulkorb ist, wie von Gegnern immer behauptet wird und die Meinungsäusserungsfreiheit in der Schweiz nach wie vor hochgehalten wird», so Wyler.

Wie es auf Anfrage von 20 Minuten bei der St. Galler Staatsanwaltschaft heisst, werde man das Urteil aller Voraussicht nach nicht weiterziehen. Man warte aber noch das schriftliche Urteil ab, ehe man definitiv entscheidet.

Bist du oder ist jemand, den du kennst, von Rassismus betroffen?

Hier findest du Hilfe:

Beratungsnetz für Rassismusopfer

GRA, Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

Pro Juventute, Tel. 147

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