Corona-ImpfpflichtMarco Rima spannt mit Impfgegnern und SVPlern zusammen
Eine Initiative will verhindern, dass Impfverweigerer «sozial oder beruflich benachteiligt werden». Neben Comedian Marco Rima sammelt ein bekannter Impfgegner Unterschriften.
Darum gehts
Am Dienstag wurde eine Initiative lanciert, die einen Impfzwang verbieten will.
Dahinter stecken unter anderem SVP-Politiker, ein Impfgegner und Comedian Marco Rima.
Für Epidemiologe Marcel Tanner ist diese Forderung nicht zielführend.
Denn für den Schutz der Bevölkerung sei wohl gar kein Impfobligatorium notwendig.
Zudem zeigt eine Umfrage von 20 Minuten: Mehr als die Hälfte würde sich derzeit freiwillig impfen.
Am Dienstag haben die Initianten die Unterschriftensammlung für die eidgenössische Volksinitiative gegen die Impfpflicht gestartet. Ziel der Initiative ist es, dass jeder Schweizer selber entscheiden kann, ob er sich impfen lassen will oder nicht. Wer sich nicht impfen lassen will, dem dürften daraus keine sozialen oder beruflichen Nachteile entstehen.
Hinter der Initiative steckt ein bunter Mix aus Politikern, Ärzten und Bürgern. Neben Daniel Trappitsch, als Vorstand des Netzwerks Impfentscheid als Impfkritiker bekannt, und dem ehemaligen SVP-Politiker Richard Koller mit seinem Verein «Freiheitliche Bewegung Schweiz» (FBS) sitzt SVP-Nationalrätin Yvette Estermann im Initiativkomitee. Auch Komiker Marco Rima engagiert sich für das Anliegen.
«Schädliche Nebenwirkungen möglich»
«Rima ist viel in den Medien, doch er ist kein Impfgegner. Wir haben einfach gemeinsames Gedankengut: der Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung. Bei uns ist jeder willkommen, von links bis rechts», sagt Trappitsch. Rima war für 20 Minuten am Dienstag nicht erreichbar. Auch Jeanette Daghari, die eine Aurapraxis führt, oder Albert Gort, Spezialist für Elektrosmog, sind im Initiativkomitee aufgeführt.
Trappitsch geht davon aus, dass die Initiative das Pflegepersonal, aber auch viele weitere Angestellte betreffen wird. «Berset sprach ja bereits davon, dass Pfleger sich wohl impfen lassen müssen. Das wäre ein Eingriff in die Würde und Selbstbestimmung der Menschen», sagt er. Trappitsch kämpfte 2012 bereits gegen das Epidemiegesetz.
Gut die Hälfte will sich impfen lassen
Im Rahmen der Nachwahlbefragung zu den Abstimmungen am 29. November haben Tamedia und 20 Minuten 14’470 Personen nach verschiedenen Aspekten der Corona-Krise befragt. 53 Prozent antworteten auf die Frage, ob sie sich freiwillig impfen lassen würden, sobald ein Impfstoff bewilligt ist, mit eher Ja oder Ja. 42 Prozent sagten Nein oder eher Nein, 5 Prozent machten keine Angaben. Anders sieht es bei der Impfpflicht aus: Nur 22 Prozent befürworten die Einführung einer Impfpflicht. Dagegen sagten 75 Prozent eher Nein oder Nein. Eine Impfpflicht für bestimmte Gruppen wie das Gesundheitspersonal befürworten 45 Prozent der Befragten, 52 lehnen sie ab.
«Kesb könnte Impfstoff-Verweigerern das Kind wegnehmen»
Impfungen funktionieren laut Trappitsch wie Medikamente, und jedes Medikament habe Nebenwirkungen. Auch dem Verfahren steht er kritisch gegenüber: «Die Corona-Impfungen werden ganz anders funktionieren als die heutigen Impfungen. Man kann das nicht vergleichen, das neue Verfahren ist sehr heikel. Wir wollen mit der Initiative allen Menschen die Entscheidung überlassen, ob sie das machen wollen oder nicht.»Noch weiter geht Initiant Richard Koller. Er warnt vor einer Ausgrenzung von Leuten, die keine Corona-Impfung nachweisen können: «Eltern, die ihr Kind trotz Impfpflicht nicht impfen lassen wollen, müssten damit rechnen, dass ihnen die Kesb das Kind wegnimmt», sagte er schon im Oktober gegenüber 20 Minuten. Denkbar sei auch, dass der Impfausweis zum neuen Ausweis werde. «Wer nicht geimpft ist, kommt dann nicht mehr in den Club.» Oder könne kein ÖV-Ticket mehr lösen.
«Genug Leute werden sich impfen lassen»
Marcel Tanner, Präsident der Akademien der Wissenschaften und Leiter der Expertengruppe Public Health der Covid-Taskforce des Bundes, sagt, dass Impfobligatorien aufgrund des Epidemiengesetzes grundsätzlich möglich seien. «Die Diskussion schiesst derzeit aber völlig am Ziel vorbei, und die Initiative ist unter den gegebenen Umständen nicht zielführend», sagt er. Denn: «Werden die Impfstoffe ethisch wie wissenschaftlich korrekt entwickelt und ihre Eigenschaften offen kommuniziert, werden sich ausreichend Menschen freiwillig impfen lassen. Davon bin ich überzeugt.»
Dass es eine kleine Gruppe gebe, die sich nicht impfen lassen wolle, sei bei allen früheren Impfungen so gewesen. «Da spielen persönliche Einstellungen und Glaubensfragen mit, und diese gilt es zu respektieren», sagt Tanner. Es sei ihm schon immer wichtig gewesen, dass niemand gegen seinen Willen geimpft werde. Der Initiative sieht er deshalb gelassen entgegen: «Wenn wir bei der Entwicklung und in der Kommunikation wissenschaftlich und ethisch alles richtig machen, wird es für den Schutz der Bevölkerung keine Impfobligatorien brauchen.»
Eine aktuelle Umfrage von 20 Minuten und Tamedia zeigt: Etwas mehr als die Hälfte der Befragten antwortete auf die Frage, ob sie sich freiwillig impfen lassen würden, mit «eher Ja» oder «Ja» (siehe Box). «Ich bin mir sicher, dass dieser Wert noch steigen wird, sobald die nun laufenden wichtigen klinischen Versuche abschliessend Sicherheit und Wirksamkeit zeigen», sagt Marcel Tanner.
So können Bund oder Kantone ein Impfobligatorium erlassen
Gemäss dem Epidemiengesetz, das 2012 vom Volk angenommen wurde, ist eine begrenzte Impfpflicht möglich. Die Kantone können diese aber nur umsetzen, sofern die öffentliche Gesundheit erheblich gefährdet wäre und die Bevölkerung nicht mit anderen Massnahmen geschützt werden kann. Eine solche Pflicht darf nur für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe gelten und gilt aufgehoben, sobald diese nicht mehr erheblich gefährdet ist. Laut Bundesrat und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) soll es keine Corona-Impfpflicht geben. Das BAG hält auf seiner Website zum Epidemiengesetz aber fest: «Die Spitäler selber können zum Schutz ihrer Patientinnen und Patienten Massnahmen ergreifen. Dies basiert dann auf dem Arbeitsrecht und nicht auf dem Epidemiengesetz.» Es sei klar, dass auf einer Abteilung mit immungeschwächten, krebskranken Kindern das Personal zum Beispiel gegen Masern geimpft sein müsse oder die Masern nachweislich gehabt haben müsse.
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