«Stricker TV»Roger Köppel verteidigt Auftritt bei Corona-Skeptiker
Der SVP-Nationalrat sprach über drei Stunden im Youtube-Format Stricker TV. Politologen sind sich einig, dass dahinter Kalkül steckt – und eine «höchst zynische» Haltung.
Darum gehts
SVP-Nationalrat Roger Köppel war zu Gast in der Youtube-Sendung von Corona-Skeptiker Daniel Stricker.
Köppel sagt, Stricker imponiere ihm.
Laut Polit-Experten stecke Kalkül dahinter und passe zur Corona-Strategie der SVP.
Aber: SVP-Wähler seien nicht durchgehend corona-skeptisch.
Der Thurgauer Corona-Skeptiker Daniel Stricker hatte jüngst einen prominenten Gast in seiner Youtube-Sendung: SVP-Nationalrat Roger Köppel. In der dreieinhalbstündigen Sendung diskutieren die beiden über Corona, die Bibel und auch über Strickers zuweilen fragwürdige Thesen.
Daniel Stricker ist bekannt für seine sehr kritische Haltung gegenüber den Corona-Massnahmen, er hält diese für «Irrsinn» oder «den grössten stillen Krieg, den die Menschheit je gesehen hat» und ruft zum friedlichen Widerstand auf. Das BAG bezeichnete er auch schon als «Bundesamt der Grausamkeit», für das entsprechende Video wurde sein Youtube-Channel eine Woche gesperrt. Seine Kritiker werfen ihm zudem vor, Verschwörungstheorien zu verbreiten.
Köppel sagt auf Anfrage: «Mir imponiert Herr Stricker als Prototyp des weltoffenen Ostschweizer Freiheitskämpfers». Demokratie in der Schweiz sei das Gespräch «mit allen über alles». Strickers Sendungen seien ungeschminkt und authentisch.
«Passt in die Strategie der SVP»
Für den Politologen Daniel Kübler von der Uni Zürich ist klar: «Roger Köppel wusste als erfahrener Politiker und Provokateur genau, welche Reaktionen er auslösen wird, wenn er in einem stundenlangen Gespräch zeigt, dass er das Heu auf derselben Bühne hat wie Daniel Stricker. Das passt in die derzeitige Strategie der SVP, sich gegen eine vermeintliche ‹Corona-Diktatur› zu wehren.»
Die Frage sei, welches Ziel die SVP mit dieser Strategie verfolge: «Die Partei weiss auch, dass sich die Situation dank der Impfungen aller Wahrscheinlichkeit nach bald stark verbessern wird. Mittelfristig wird es um die Aufarbeitung dieser Krise gehen. Und in dieser Diskussion will sich die SVP schon jetzt die Deutungshoheit sichern», sagt Kübler. «Dabei verfolgt sie die bekannte Strategie, einen Gegensatz zwischen Volk und Elite zu konstruieren. Sobald die Krise vorbei ist, kann die SVP sich hinstellen und sagen: Wir haben dafür gesorgt, dass der Bundesrat es mit seiner Corona-Diktatur nicht übertrieben hat.»
«SVP alleine auf weiter Flur»
Die «höchst zynische Haltung» hinter dieser Strategie könnte sich für die SVP laut Kübler aber als problematisch erweisen. «Als einziges Land der Welt stimmen wir im Juni über das Covid-Gesetz ab, welches die SVP ins Visier genommen hat», sagt Kübler. «Wenn sich dann eine grosse Mehrheit – und davon ist auszugehen – für das Gesetz ausspricht, steht die SVP mit ihrem Kampf dagegen alleine auf weiter Flur.»
Das zeige sich auch anhand der SVP-Forderung, Öffnungstermine ins Covid-Gesetz zu schreiben: «Die Gegner der Covid-Massnahmen konnten mit der Nationalratserklärung etwas Dampf ablassen, der Ständerat trat aber nicht einmal auf den Antrag ein, ändern wird sich nichts.»
«Die Politik polarisiert weiter»
Die SVP offenbare damit auch einen interessanten Blick darauf, wie sie ihre Wählerschaft beurteilt: «Offenbar ist die Partei überzeugt, dass der Grossteil ihrer Wähler den Massnahmen gegenüber ebenfalls kritisch eingestellt sind. Umfragen zufolge ist das aber nicht so. Ob sie ihre Wähleranteile mit dieser Haltung halten können, wird sich zeigen», sagt Kübler.
«Vergleichbare Figuren wurden schon abgewählt»
Auch Politologe Mark Balsiger ist überzeugt, dass hinter Köppels Auftritten stets Kalkül steht. Er erinnert aber zugleich daran, dass die entscheidende Instanz die Wählerschaft sei: «Der Wahltermin ist aber noch weit weg und dass etwa die Zürcher SVP Köppel aufgrund solcher Auftritte für nicht mehr tragbar halten würde, ist unwahrscheinlich.»
Balsiger ruft in Erinnerung, dass es Politiker gegegeben habe, die sich ähnlich wie Köppel verhalten hätten und schliesslich abgewählt worden seien. Christoph Mörgeli oder Oskar Freysinger etwa. «Ihre Provokationen haben in der Summe zur Abwahl geführt.» Auch bei Roger Köppel würden die Wähler bis zum Wahltermin eine Gesamtbeurteilung vornehmen.
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Dargebotene Hand, Tel. 143