ZürichIn diesen Branchen kommt es am häufigsten zu sexueller Belästigung
Über ein Zürcher Beratungsportal wurden dieses Jahr dreimal mehr Fälle gemeldet als in den Vorjahren. Betroffen ist vor allem Personal im Pflege-, Gastronomie- und Bildungsbereich.
Darum gehts
Auf der Website Belästigt.ch sind in diesem Jahr 197 Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz verzeichnet worden.
Das sind über 25 Prozent mehr Fälle, als noch 2019.
Betroffen sind vor allem Frauen, welche in der Pflege, Gastronomie oder Bildung arbeiten oder als Coiffeuse oder Kosmetikerin tätig sind.
Seit Corona werden auch vermehrt Fälle über sexistische Bemerkungen in Video-Konferenzen gemeldet.
Mit der Rückkehr ins Büro haben die Fälle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sprunghaft zugenommen: Wie die Fachstelle für Gleichstellung Stadt Zürich in einer Mitteilung schreibt, hat sich die Anzahl an Beratungsanfragen 2022 im Vergleich zu den vergangenen zwei Jahren verdreifacht. Gegenüber 2019, also vor der Corona-Pandemie, wurde eine Zunahme von über 25 Prozent verzeichnet – von 156 auf 197 Anfragen.
Laut Aner Voloder, Jurist und Projektleiter der Fachstelle, ist einer der Gründe, welche zur gestiegenen Nachfrage geführt hat, auch die «anhaltende Enttabuisierung des Themas». «Es wird mehr darüber gesprochen – am Arbeitsplatz, im Freundeskreis, in der Familie oder in den Medien.»
Sexistische Bemerkungen während Video-Konferenzen
Wie Voloder gegenüber 20 Minuten weiter erklärt, habe sich in den Pandemie-Jahren ungefähr ein Drittel der gemeldeten Fälle im Online-Bereich abgespielt: «Meistens handelte es sich in einem ersten Stadium um anzügliche, zweideutige, sexuell gefärbte oder sexistische Bemerkungen während Video-Konferenzen. Diese schienen zunächst harmlos, im weiteren Verlauf oder in der weiteren Zusammenarbeit wurden sie dann aber heftiger.»
Die meisten Anfragen auf Belästigt.ch würden von Arbeitnehmenden stammen, welche in den Bereichen Pflege, Bildung und Gastronomie arbeiten oder bei Dienstleistungsunternehmen wie Coiffeur- oder Kosmetikgeschäften angestellt sind. In diesen Berufen, in denen besonders viele Frauen tätig sind, seien Abhängigkeits- und Machtverhältnisse deutlich ausgeprägt. Rund 80 Prozent der Ratsuchenden seien weiblich, 17 Prozent männlich.
Klar formulierte Richtlinien
Das Thema sei ernst zu nehmen, heisst es vom Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV). «Die Arbeitgeber müssen angemessene Massnahmen zur Verhinderung von sexueller Belästigung ergreifen.» Dabei kämen der Prävention und vertrauenswürdigen Meldeprozessen eine grosse Rolle zu. «In der Prävention braucht es Richtlinien, die eine Nulltoleranz-Politik gegenüber sexueller Belästigung am Arbeitsplatz festschreiben.» Diese müssten klar formuliert und allen Mitarbeitenden bekannt sein.
Schweigen aus Angst vor Job-Verlust
Wer sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erfahre, würde als Konsequenz zumeist ein Gefühl von Ohnmacht verspüren, sagt Jessica Wolf, stellvertretende Leiterin der Opferberatung Zürich. Die Angst sei gross, nicht ernst genommen zu werden und so den Job zu riskieren – insbesondere, wenn sich die belästigte Person in einer Position befindet, in der das Machtgefälle gross sei. Und: «Sexuelle Belästigung ist in vielen Fällen ein Vieraugendelikt und deshalb schwierig zu beweisen.»
Wenn es darum geht, wie sich Betroffene wehren können, gäbe es keine eindeutige Vorgehensweise, so Wolf.« Jeder Fall ist individuell und verfolgt individuelle Ziele.» So würde es den einen helfen, Gespräche mit der vorgesetzten Person oder mit dem HR zu führen und so auch ein Zeichen nach aussen zu setzen. Andere würden arbeitsrechtliche Schritte ergreifen oder ein Strafverfahren anstreben.
Wirst du oder wird jemand, den du kennst, sexuell belästigt?
Hier findest du Hilfe:
Belästigt.ch, Onlineberatung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz
Verzeichnis von Anlaufstellen
Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz
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