Häufigste Thesen: Russland, USA oder ein anderer Staat – wer steckt hinter den Nord-Stream-Lecks? 

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Häufigste ThesenRussland, USA oder ein anderer Staat – wer steckt hinter den Nord-Stream-Lecks?

Die mutmasslichen Angriffe auf die Nord-Stream-Pipelines sorgen für Verunsicherung, verschiedene Theorien sind im Umlauf. Experten sagen, wer vom Schaden profitieren könnte.

Wilde Spekulationen: Bis jetzt ist nicht klar, wer hinter dem möglichen Sabotageakt steckt. 
Die Pipelines Nord Stream 1 und 2 weisen seit Dienstag vier Lecks auf. 
Aus diesen strömt Gas aus. 
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Wilde Spekulationen: Bis jetzt ist nicht klar, wer hinter dem möglichen Sabotageakt steckt. 

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Darum gehts

Die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 weisen seit Dienstag vier Lecks auf. Die EU spricht von Sabotageakten und droht Konsequenzen an. Unklar ist bisher, wer die mutmasslichen Sabotageakte verübt haben könnte.

In den sozialen Medien kursieren zwei Hauptverdächtige: Russland und die USA. Vereinzelt gibt es auch Theorien darüber, dass die Ukraine einen Sabotageakt verübt haben könnte oder dass China der Verursacher ist.

Marc Finaud, Rüstungsexperte und Associate Fellow am Center for Security Policies (GCSP), und sein Kollege Jean-Marc Rickli, Leiter des Bereichs Globale und aufkommende Risiken, schätzen ein. «Zum jetzigen Zeitpunkt kann nichts ausgeschlossen werden. Was wir aber sagen können: Für eine solche Operation werden Mittel benötigt, über die nur Staaten verfügen», sagen die Experten.

Ausgangslage

Die Ostsee gehört laut der Nachrichtenagentur dpa zu den am besten überwachten Seegebieten überhaupt. Finaud sagt, die Überwachung der Energieversorungsleitungen sei Teil der Aufgaben der Nato-U-Boote. Auch russische U-Boote kreuzten aber seit Jahrzehnten in diesem Gebiet.

These 1: Russland hat den Angriff ausgeführt

«Die meisten Analysten zeigen mit dem Finger auf Russland, das bereits einmal die Energieversorgung als Waffe eingesetzt hat», sagt Finaud. Für diese These spricht laut dem Experten, dass Russland ein starkes Motiv habe: «Mit dem Angriff auf Nord Stream will Russland die Verwundbarkeit der europäischen Energieinfrastruktur aufzeigen. Der Angriff könnte eine Art Warnung oder ein Erpressungsversuch gewesen sein, um Europa davon abzuhalten, die Ukraine weiter zu unterstützen und zu zeigen, dass die Sanktionen nach hinten losgehen.»

Auch Jean-Marc Rickli sagt: «Die Explosionen dienten dazu, ein Signal auszusenden: ‹Wir sind in der Lage, eure Energieversorgungsinfrastruktur zu kappen.› Das bedeutet, dass mehr Ressourcen für den Schutz und die Überwachung dieser Infrastruktur bereitgestellt werden müssen. Das erfordert militärische Kräfte, die nicht anderweitig eingesetzt werden können.»

These 2: Die USA haben den Angriff durchgeführt

Auch die USA werden verdächtigt. So twitterte beispielsweise der frühere polnische Verteidigungsminister Radek Sikorski umgehend nach Bekanntwerden des Lecks: «Danke, USA.» Die einzige Logik von Nord Stream bestehe darin, dass Putin Osteuropa ungestraft erpressen oder bekriegen könne. Andere verurteilen die USA für diesen «terroristischen Angriff auf zivile Infrastruktur».

Laut anderen Kommentatoren spricht für die USA, dass sie seit Jahren «eine Abhängigkeit Deutschlands von Russland verhindern wollten». Der Krieg diene nun als Vorwand, um das Ziel durchzusetzen, dass Nord Stream 2 nie in Betrieb geht. Tatsächlich hatten die USA unter Trump Sanktionen gegen Nord Stream durchgesetzt und keinen Hehl aus ihrer Kritik an der Pipeline gemacht.

«Liegt nicht im Interesse der USA»

Diese These wird laut den Kommentierenden gestützt von einem Video, das sich in den sozialen Medien nach Bekanntwerden des mutmasslichen Angriffs rasant verbreitete. Es zeigt einen Auftritt des US-Präsidenten Joe Biden vom Februar dieses Jahres: «Ich verspreche Ihnen: Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird es kein Nord Stream 2 zwei mehr geben», sagt Biden. Ein weiteres Indiz für die Schuld Amerikas laut vielen Kommentaren: Die USA habe grosses Interesse am Verkauf ihres Flüssiggases zu möglichst hohen Preisen.

Das Video stammt vom 7. Februar 2022. 

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Was glaubst du: Wer steckt hinter den Gaslecks bei den Pipelines?

Finaud und Rickli sagen dazu: «Bidens Aussage deutet unserer Meinung nach nicht auf einen Sabotageakt hin. Sie war Teil der Rhetorik, um Russland abschrecken und den Druck der Sanktionen zu erhöhen.» Laut Finaud kann es nicht im Interesse der USA liegen, Europa anstelle von Russland unter Druck zu bringen. «Und es liegt auch nicht in ihrem Interesse, die Gaspreise wegen der Auswirkungen auf ihre eigene Wirtschaft stark anzuheben.»

EX-BND-Chef überzeugt: «Schuldiger wird gefunden»

Fazit: Noch kann niemand mit Sicherheit sagen, wer hinter dem mutmasslichen Sabotageakt steckt. Gemäss Experten deuten die Indizien aber eher nach Moskau. Der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes August Hanning gibt sich gegenüber der «Bild» (Bezahlartikel) überzeugt, dass die Wahrheit noch ans Licht kommen wird: «Früher oder später wird bekannt, wer dahintersteckt. Es wird Aufnahmen von Überwachungen geben, das lässt sich langfristig kaum verheimlichen.»

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