Russlandforscher: «Rohstoff-Deal ist ein cleverer Schachzug von Selenski»

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Russlandforscher«Rohstoff-Deal ist ein cleverer Schachzug von Selenski»

Laut Russlandforscher Alexander Dubowy bringt der Rohstoff-Deal der Ukraine mehr als die US-Gespräche mit Russland. Von Frieden zu sprechen, wäre trotzdem verfrüht. Und Europa drohe Gefahr.

Wolodimir Selenski steht kurz vor Abschluss eines Rohstoff-Deals mit Trump.
Der Russland-Experte Alexander Dubowy hält das für einen klugen Schachzug.
Profitiere die USA von den ukrainischen Rohstoffen, liege deren Sicherheit im Interesse von Trump.
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Wolodimir Selenski steht kurz vor Abschluss eines Rohstoff-Deals mit Trump.

Sven Hoppe/dpa Pool/dpa

Darum gehts

  • Die Ukraine und die USA stehen kurz vor der Unterzeichnung eines Rohstoff-Deals.

  • Der wird der Ukraine wohl mehr bringen als Gespräche mit Russland, sagt Experte Alexander Dubowy.

  • Denn wenn die USA von den ukrainischen Rohstoffen profitiere, sei es in ihrem Interesse, das Land gegen Russland zu verteidigen.

  • Auf die Verhandlungen blickt Dubowy skeptischer: Ein Waffenstillstand wäre laut ihm zwar möglich, nachhaltiger Frieden liege aber noch in weiter Ferne.

Einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen findest du hier.

Alexander Dubowy, die USA und Russland verhandeln in Riad. Was haben sie erreicht?

Bisher war es vor allem ein Abtasten. Von einem schnellen Treffen zwischen Wladimir Putin und Donald Trump, das von Washington angekündigt wurde, ist nichts zu sehen. Das zeigt, dass die Positionen der beiden Länder wohl noch sehr weit auseinanderliegen.

Die Kriegsziele von Wladimir Putin in der Ukraine haben nicht verändert: «Er will die Ukraine kontrollieren, ob militärisch oder mit einer Schattenregierung», sagt Russlandforscher Alexander Dubowy.

Die Kriegsziele von Wladimir Putin in der Ukraine haben nicht verändert: «Er will die Ukraine kontrollieren, ob militärisch oder mit einer Schattenregierung», sagt Russlandforscher Alexander Dubowy.

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Wie sehen diese aus?

Für Putin sind die Verhandlungen ein grosser Erfolg, auch wenn sie ohne Ergebnis bleiben sollten. Die internationale Isolation Russlands ist damit durchbrochen. Putin versucht, die Beziehungen zu den USA und den Ukrainekrieg thematisch auseinanderzuhalten. In der Ukraine haben sich Putins Ziele seit Kriegsbeginn nicht verändert: Er will die vollständige Kontrolle über das Land.

«Trump versucht, Putin mit einer Charmeoffensive vom Frieden zu überzeugen.»

Russlandforscher Alexander Dubowy

Und die Position Trumps?

Trump möchte einen schnellen Erfolg. Mit einer Charmeoffensive versucht er, Putin zu überzeugen, dass sich Frieden für alle mehr lohnt als der Krieg. Erfolg dürfte er mit diesem Vorhaben aber kaum haben. Merkt er das, könnte sein Interesse an Verhandlungen schnell schwinden.

Was passiert dann?

Es gibt zwei Optionen: Trump wendet sich anderen Themen zu und die Gespräche versanden. Ein Idealszenario für den Kreml. Oder Putin erzürnt den US-Präsidenten und dieser rächt sich entweder durch eine Verschärfung der Energiesanktionen oder mit voller Unterstützung der Ukraine.

Was zeigt der Macron-Besuch im Weissen Haus?

Dass die transatlantischen Beziehungen eine Chance haben. Bisher hat Trump keine weitreichenden Schritte unternommen, das zu ändern. Allerdings kursieren Gerüchte, dass sich die USA aus dem Baltikum zurückziehen könnten. Letzteres wäre ein Game-Changer, weil das die Nato deutlich schwächen würde. Im Moment beschwichtigt aber US-Aussenminister Rubio im Hintergrund. Nach der grossen Katastrophe sieht es nicht aus. Jedenfalls noch nicht.

Trotzdem muss Europa reagieren. Wie?

Tatsächlich scheint Europa den Weckruf verstanden zu haben. Die Rüstungsproduktion und die Militärbudgets steigen. Frankreich ist offenbar bereit, seine nukleare Abschreckung zur Sicherung des Kontinents einzusetzen. Auch könnte Europa der Ukraine dem US-Beispiel folgend ebenfalls ein Abkommen zur Förderung wichtiger Rohstoffe anbieten. Zudem sind die Zusicherungen für Waffenlieferungen vielversprechend – übrigens auch aus Kanada.

Europa will militärisch aufrüsten.
Weil die USA zunehmend ihren Fokus verlagern, stehen die europäischen Nato-Partner unter Druck.
Die Rede von US-Vizepräsident J.D. Vance an der Münchner Sicherheitskonferenz hat den Druck noch einmal erhöht.
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Europa will militärisch aufrüsten.

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Welche Länder gehen voran?

Frankreich und Grossbritannien sind jetzt in der Verantwortung, auch Polen dürfte eine wesentliche Rolle spielen. Macron hat die Chance, mit Machtspielen aufzuhören, Führungsqualität zu beweisen und Europa in die strategische Autonomie von den USA zu führen.

Was ist die grösste Herausforderung für Europa?

Politischer Wille zur Erarbeitung einer belastbaren gemeinsamen Position und Durchhaltevermögen.

Inwiefern?

Trotz der klaren Bedrohung durch Russland fällt es Europa schwer, die Bevölkerung von höheren Verteidigungsausgaben zu überzeugen. Seit den 1990er-Jahren haben europäische Staaten immense Summen von der Verteidigung in andere Bereiche umgeschichtet. Die Umkehr erfordert nicht nur politischen Willen, sondern auch die Bereitschaft der Bevölkerung, finanzielle Einschnitte hinzunehmen. Kommt es aber zu einem Waffenstillstand, wird Putin unweigerlich neue Angriffe vorbereiten. Europa hingegen könnte den Fokus verlieren, weil der Waffenstillstand voreilig als Frieden gefeiert wird.

Ist Frieden denn überhaupt in Aussicht?

Von Frieden zu sprechen, wäre leider verfrüht. Wir sind ihm nicht nähergekommen. Trump glaubt, er könne einen schnellen Deal erreichen und bekomme dafür den Friedensnobelpreis, doch so funktioniert die Weltpolitik nicht. Und in der ist Putin deutlich erfahrener als Trump.

«Von Frieden zu sprechen, wäre leider verfrüht.»

Russlandforscher Alexander Dubowy

Und mittendrin steht die Ukraine, die täglich unter den Angriffen leidet. Wie geht es dort weiter?

Präsident Selenski geniesst grosse Unterstützung, auch wenn Trump etwas anderes behauptet. Belastbare Sicherheitsgarantien sind für die Ukraine unverhandelbar. Kiew braucht neben europäischen Truppen, die Russland vor allem politisch abschrecken, weitere Zusicherungen im Falle eines Angriffs, wie eine Flugverbotszone. Auch soll die ukrainische Armee ausgerüstet und zu einem «wehrhaften Stachelschwein» werden.

Alexander Dubowy

Alexander Dubowy ist Experte für internationale Politik- und Sicherheitsfragen mit Schwerpunkt auf Osteuropa, Russland und den GUS-Raum. Er verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in Forschung, Beratung und Policy-Analyse. Der promovierte Jurist studierte in Wien und Moskau und war an renommierten Universitäten und Institutionen wie der Universität Wien, MGIMO und der Landesverteidigungsakademie Wien tätig. Geboren in Semipalatinsk (heute Semei, Kasachstan), wuchs er in Estland und Österreich auf. Dubowy ist international vernetzt und arbeitet mit führenden Think Tanks und Forschungsinstitutionen zusammen.

Alexander Dubowy ist Politikanalyst und forscht zu Osteuropa, Russland und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

Alexander Dubowy ist Politikanalyst und forscht zu Osteuropa, Russland und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

privat

Offenbar könnten Trump und Selenski noch diese Woche den umstrittenen Rohstoff-Deal beschliessen. Wie bewerten Sie das?

Eine smarte Entscheidung der Ukraine zum genau richtigen Zeitpunkt. Hat doch Wladimir Putin Donald Trump ebenfalls eine umfassende Rohstoff-Kooperation angeboten. Auch gelang es Kiew, die anmassendsten US-Forderungen zu entschärfen und die USA langfristig an die Ukraine zu binden. Für die Ukraine ist dieses Abkommen eine wesentliche strategische Chance.

Trump will an die ukrainischen Rohstoffe. Für Selenski ist das eine strategische Chance.

Trump will an die ukrainischen Rohstoffe. Für Selenski ist das eine strategische Chance.

Getty Images

Die von Kiew geforderten Sicherheitsgarantien enthält das Abkommen aber nicht.

Verbindliche Sicherheitszusagen ergeben sich nicht aus blossen Erklärungen, sondern aus gemeinsamen Interessen. Bislang sprach Trump stets davon, dass die USA keine nennenswerten Interessen im Ukrainekrieg hätten. Durch den Rohstoff-Deal erhielte Washington unmittelbares Interesse am langfristigen Überleben der Ukraine.

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