Software-Riese SAPSchwache aussieben? Er will Mitarbeiter in drei Klassen teilen
Boni für die besten Mitarbeiter, Nachhilfe für die schwächsten – oder droht gar die Entlassung? Die Angestellten des Softwarekonzerns sind beunruhigt, der Personalchef wirft hin.
Darum gehts
Die deutsche Softwarefirma SAP lässt die Mitarbeiter nach Leistung kategorisieren.
Das System ist aus den USA bekannt.
Dort werden die schlechtesten Angestellten entlassen.
Bei SAP herrscht Zoff. Der grösste deutsche Softwarekonzern gilt als einer der beliebtesten Arbeitgeber, verärgert derzeit aber mächtig die Angestellten. Konzernchef Christian Klein will den Leistungsgedanken fördern und plant deshalb, die Angestellten in drei Kategorien einzuteilen, wie das «Handelsblatt» schreibt.
Statt des bisherigen Bewertungssystems mit einem Dialog zwischen Angestellten und Vorgesetzten sollen die Teamleiter nun die über 100’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter je nach Leistung als Performer, Achiever oder Improver bewerten. Die besten sollen mehr Boni bekommen, während die schlechtesten ins Nachhilfe-Training müssen.
Die Schwächsten entlassen?
Das System ist bekannt von Firmen in den USA. Dort werden die Schlechtesten jeweils gefeuert. Das ist in Deutschland wegen des Kündigungsschutzes nicht möglich. Doch die Angestellten befürchten nun, dass sie so aus dem Konzern gedrängt werden – entweder durch den Arbeitgeber oder sie kündigen selber, weil sie dem Druck nicht mehr standhalten können, wie es vom Leiter des europäischen SAP-Betriebsrats heisst.
Die Kritik ist gross. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hätten verärgert auf die Pläne reagiert. Damit stellt SAP das Vertrauensverhältnis zwischen Management und Mitarbeitern auf die Probe, wettert die Arbeitnehmervertreter.
Wurdest du schon einmal entlassen?
Betriebsratschef Eberhard Schick sagt: «Ein Bewertungssystem, welches systematisch vermeintliche Minderleister identifiziert, halte ich für sehr problematisch.» Es würde das Betriebsklima nachhaltig verschlechtern.
Derzeit verhandelt der Betriebsrat mit der Konzernleitung. Der Chef wolle das Bewertungssystem aber unbedingt einführen und gleichzeitig auch die Homeoffice-Zeit auf zwei Tage pro Woche reduzieren. Wohl aus Protest gegen die Pläne verliess der Personalleiter Cawa Younosi die Firma nun.
«SAP-Mitarbeiter wollen Leistung zeigen»
Ob der Konzern das Bewertungssystem auch bei SAP Schweiz in Biel mit fast 1000 Angestellten einführt, ist noch unklar. «Wir sind überzeugt, dass unsere Mitarbeitenden im Job Leistung zeigen wollen», sagt Sprecher Markus Stadler auf Anfrage. Dazu setze die Firma auf regelmässiges Feedback und klare Zielvorgaben.
In der Schweiz wären Entlassungen in der Privatwirtschaft natürlich möglich, wenn den Angestellten eine schlechte Leistung nachgewiesen werden kann, sagt Personalexpertin Ursula Bergundthal zu 20 Minuten. Das gebe es bei vielen Firmen. Entscheidend sei, dass die Beurteilung klar dokumentiert ist und die Angestellten vor der Entlassung eine Chance zur Verbesserung bekommen haben.
Belohnen, fördern, entlassen
«Doch um Diskussionen zu vermeiden, geben viele Firmen an, dass sie aus Wirtschaftsgründen Stellen abbauen müssen und kündigen dann Mitarbeitenden mit schlechter Leistung», so Bergundthal. Allerdings komme es auch oft vor, dass sehr gute Mitarbeitende ihre Stelle verlieren, wenn Firmen einen Stellenabbau durchführen müssen, deshalb lasse sich das nicht verallgemeinern.
Die Bewertung anhand der 20-70-10-Regel stammt von der berüchtigten Manager-Legende Jack Welch (siehe Box). Dazu sagt Bergundthal: «Wenn Statistiken mit grossen Datenmengen hinterlegt sind, haben solche Formeln eine gewisse Berechtigung. Wenn man diese Formel aber auf kleine Mengen, beispielsweise auf kleinere Teams anwendet, sind die Resultate nicht realistisch.»
Die 20-70-10-Regel von Jack Welch
Jack Welch war 20 Jahre Chef von General Electric, einem der grössten Konzerne der Welt, und bekannt dafür, dass er nur an Aktionäre und kurzfristigen Profit dachte. Die sogenannte 20-70-10-Regel besagt, die besten 20 Prozent der Angestellten zu belohnen, die 70 Prozent in der Mitte zu fördern und die schwächsten zehn Prozent zu entlassen. Jahre nach seinem Rücktritt nannte er sein Streben nach Aktienkursen eine dumme Idee und sagte, dass die eigenen Mitarbeiter und Produkte sowie die Kunden die wichtigsten Interessengruppen für ein Unternehmen seien.
Oftmals hätten gute Vorgesetzte überdurchschnittlich viele gute Mitarbeitende und eher schlechte Chefs schwache Angestellte. «Diese erzwungenen Leistungseinteilungen führen dann zu Ungerechtigkeiten und viel Frust bei allen Mitarbeitenden. Das wiederum führt eher zu einer grossen Demotivation», so Bergundthal.
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