BernSBB muss nach Sturz von Frau zahlen – gibts bald überall Warnschilder im Zug?
Eine Frau stürzt in einem SBB-Zug, als dieser über eine Weiche fährt. Sie bricht sich den Schenkelhalsknochen, es fallen 85’000 Franken Behandlungskosten an. Wer muss dafür aufkommen?
Darum gehts
Eine Frau stürzt in einem SBB-Zug und bricht sich den Schenkelhalsknochen.
Es entstehen Behandlungskosten von rund 85’000 Franken.
Die Versicherung der Frau akzeptiert dies jedoch nicht, es kommt zur Verhandlung vor dem Berner Handelsgericht.
Eine ältere Frau war in einem SBB-Zug auf dem Weg zu ihrem Sitzplatz. Just in diesem Moment fuhr der Zug über eine Weiche, es gab eine ruckartige Bewegung und die Frau stürzte auf die linke Seite. Dabei brach sie sich den Schenkelhalsknochen. Der Unfall hat ein gerichtliches Nachspiel, wie die Zeitungen der Tamedia schreiben. Die Versicherung der Frau will, dass die SBB für die Behandlungskosten aufkommt. Kostenpunkt: 85’000 Franken. Die SBB weigert sich jedoch, es kommt zu einem Verfahren am Berner Handelsgericht.
Die beiden Parteien wollen ein Präjudiz, ein Urteil mit Leitcharakter. Dieses soll als Orientierungshilfe für ähnliche Fälle dienen. Es geht um die Auslegung des Eisenbahngesetzes, das sämtliche Personentransporte auf Schienen umfasst, also beispielsweise auch im Tram, wie die Tamedia-Zeitungen weiter schreiben.
Haftung vollumfänglich zulasten der SBB
Das rechtskräftige Urteil vom 24. Mai 2022 in diesem Fall fiel klar aus. Die Haftung geht vollumfänglich zulasten der SBB. Neben den Behandlungskosten muss die Bundesbahn auch noch die gesamten Gerichtskosten und Parteientschädigung bezahlen. Das Handelsgericht in Bern kam zum Schluss, dass ruckartige Bewegungen beim Überfahren einer Weiche zum Risiko des Bahnbetriebs gehören. Gemäss Gesetz haftet die Bahn für solche Risiken.
Auf Anfrage der Tamedia-Zeitungen bestätigt die SBB das Urteil. Sie bedauert zudem den Zwischenfall, für den Bahnverkehr und Reisende soll es keine weitere Folgen haben, so die SBB. Man wähle die Geschwindigkeit der Züge so, dass ein Überfahren von Weichen nicht gefährlich sein sollte. Den Fahrgästen wird vonseiten der SBB empfohlen, sich festzuhalten, wenn sie während der Fahrt aufstehen.
Kommen jetzt Warnhinweise?
Martin Hablützel, Fachanwalt Haftpflicht und Versicherungsrecht bei der Kanzlei Schadenanwälte in Zürich, sagt: «Die SBB darf früher oder später in ihren Zügen Warnhinweise auf Schildern anbringen, mit denen sie die Fahrgäste auffordert, sich während der Fahrt festzuhalten oder in der Nähe eines grösseren Bahnhofs zu sitzen.» Von allen Haftungsansprüchen befreit sei die SBB mit solchen Warnhinweisen jedoch nicht, es könne aber für Geschädigte und deren Versicherungen schwieriger werden, diese vollumfänglich durchzusetzen, so Hablützel.
Wo liegt jedoch der Unterschied, ob die Versicherung oder die SBB haftet? Der Grund liege zwischen den Leistungen einer Versicherung und dem Schadenersatz aus einer Haftpflicht. So könnten die Ansprüche vom Haftpflichtrecht spürbar weitergehen. Bei einem Erwerbsausfall bezahle die Unfallversicherung Heilungskosten und 80 Prozent des Lohns. Nach Haftpflichtrecht könne eine verunfallte Person 100 Prozent ihres Gehaltes geltend machen.
Unfallversicherung biete bessere Leistungen
Es mache auch einen Unterschied, ob jemand bei der Krankenkasse gegen Unfall versichert oder als angestellte Person einer Unfallversicherung angeschlossen sei. Bei der Krankenkasse gebe es mit dem Krankenversicherungsgesetz eine andere Rechtsgrundlage. Die Unfallversicherung biete bessere Leistungen. Sei man nicht erwerbstätig oder Senior, bekomme man von der Krankenkasse einen Versicherungsschutz für Unfälle.
Das Urteil des Berner Handelsgerichts bedeute aber nicht, dass bei künftigen Stürzen die zuständige Bahn den Schaden übernehmen müsse. Die Beweislast liege nämlich beim Reisenden. Rechtsexperte Martin Hablützel sagt deshalb, dass, wenn möglich, immer eine Telefonnummer von Zeuginnen und Zeugen aufgenommen werden soll. Ein weiterer Punkt sei das Selbstverschulden. Je grösser dieses sei, desto geringer falle der Anteil an den Kosten aus, den das haftpflichtige Unternehmen ersetzen müsse. Eine weitere Rolle könne das Missachten von Warnhinweisen spielen.
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