Schaffhausen: Frau beschuldigt Polizei, Täter zu beschützen

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SchaffhausenVergewaltigt und verprügelt: Schützt die Polizei die Täter?

Eine Frau soll im Kanton Schaffhausen vergewaltigt und verprügelt worden sein. Sie wirft den Behörden vor, die mutmasslichen Täter mit Rücksicht zu behandeln.

Fabienne W. wurde nach eigenen Angaben in der Nacht zum 29. Dezember 2021 in der Wohnung eines Anwalts spitalreif geprügelt und vergewaltigt.
Der Anwalt habe die Frau davon abbringen wollen, Anzeige gegen den mutmasslichen Vergewaltiger, einen Kollegen von ihm, zu erstatten.
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Darum gehts

  • Eine Frau soll Ende 2021 im Kanton Schaffhausen von einem Mann vergewaltigt worden sein.

  • Der Anwalt des Mannes habe sie eingeladen, um sie davon abzubringen, Anzeige gegen den mutmasslichen Vergewaltiger zu erstatten.

  • Als sie sich weigerte, sei sie vom Anwalt und seinen Kollegen spitalreif verprügelt worden.

Die Musikerin Fabienne W. macht der Schaffhauser Polizei schwere Vorwürfe: Männer, die sie nach ihren Angaben vergewaltigten und verprügelten, würden heute noch frei herumlaufen. Statt zu ermitteln, würde die Polizei die mutmasslichen Täter mit Samthandschuhen anfassen, sagt sie dem SRF. Auch der renommierte Schweizer Strafverteidiger Konrad Jeker meint: Das Vorgehen der Ermittler sei «unglaublich». Was ist passiert?

Die Nacht des 28. Dezember 2021:

Fabienne W. wird in die Wohnung eines Anwalts in Schaffhausen eingeladen. Sie glaubt zunächst, dass sich der Mann für ihre Musik interessiere. Doch als sie ankommt, entdeckt sie, dass die Einladung mit der Vergewaltigung zu tun hat, die sie eine Woche zuvor erlebt hat. Der Anwalt will W. davon abbringen, Anzeige gegen den mutmasslichen Vergewaltiger, einen Kollegen von ihm, zu erstatten. Als sich die Frau weigert, auf die Anzeige zu verzichten, prügeln der Anwalt und drei weitere in der Wohnung anwesenden Männern auf sie ein.

Der Morgen des 29. Dezember 2021:

Fabienne W. wird in der Schaffhauser Altstadt gefunden. Sie war von den Angreifern spitalreif verprügelt worden. Das zeigen Bilder, die im Notfall aufgenommen und der «Rundschau» zur Verfügung gestellt wurden. Noch am selben Tag beginnt die Schaffhauser Polizei mit Ermittlungen.

Erste Wohnungsdurchsuchung:

Die Staatsanwaltschaft beauftragt die Schaffhauser Polizei mit der Durchsuchung der Wohnung des Anwalts. Der Mann hat zwei Überwachungskameras installiert. Die Polizei sollte die auffindbaren Speichermedien durchsuchen und auswerten.

In der Wohnung erklärt der Anwalt, die Aufnahmen würden «auf einem Computer abgespeichert». Weil aber Bildschirm für diesen Computer kaputtgegangen sei, zeigt er den Beamten die Bilder einer der beiden Überwachungskameras auf seinem Handy. Die Ermittler filmen die Aufnahmen ohne Ton und in schlechter Qualität vom Handybildschirm ab.

Zweite Wohnungsdurchsuchung:

Am nächsten Tag muss die Polizei eine zweite Durchsuchung durchführen, denn sie haben bemerkt, dass es eine zweite Überwachungskamera gibt. Die Polizei speichert diese auf einem USB-Stick. Es ist der mutmassliche Täter, der den Beamten hilft, die Bilder zu sichern.

Dritte Wohnungsdurchsuchung:

Im Frühjahr 2023 führt die Polizei eine weitere Hausdurchsuchung beim Anwalt durch, mit dem Ziel, «die auffindbaren Mobiltelefone» sicherzustellen und auszuwerten. Die Beamten nehmen ein Handy mit, das der Anwalt freiwillig herausgibt – nach weiteren Telefonen wird nicht gesucht.

Vorwürfe des Strafverteidigers:

Für Strafverteidiger Konrad Jeker widerspricht das Vorgehen der Polizei «kriminalistisch allen Standards, die bekannt sind». Die Behörde habe den Auftrag «schlicht nicht erfüllt». Laut Jeker haben die Ermittler die Aufträge der Staatsanwaltschaft mehrfach nicht ausgeführt. «Das ist nichts anderes als Befehlsverweigerung.»

Die Reaktion der Behörden:

Das SRF hat die Polizei, die Staatsanwaltschaft und das Justizdepartement im Kanton Schaffhausen mit den Vorwürfen konfrontiert. In einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme weisen sie sämtliche Vorwürfe als haltlos und falsch zurück.

Die Reaktion des Opfers:

Fabienne W. leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Sie habe Schlafstörungen und Gemütsschwankungen, sagt sie. Nicht nur die massiven Übergriffe hätten sie traumatisiert, sondern auch das Vorgehen der Behörden.

Das Verfahren wegen Vergewaltigung bzw. Schändung wurde inzwischen eingestellt. Fabienne W. hat dagegen Beschwerde eingelegt. In Zusammenhang mit den schweren Misshandlungen wurde noch keine Anklage erhoben gegen die Hauptbeschuldigten. Für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

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