Arbeitskräftemangel: jetzt mehr Lohn verlangen

Aktualisiert

Arbeitskräftemangel«Billiglöhne um die 20 Franken kommen jetzt unter Druck»

Küchenangestellte, Fabrikationsmitarbeiterinnen und Gebäudereiniger sind gefragt: Jetzt ist die Chance für mehr Lohn gross.

Firmen suchen in Zeiten des Arbeitskräftemangels verzweifelt nach Personal. Jetzt sind die Angestellten am längeren Hebel. Das sind die 25 Berufe mit dem grössten Wachstum der ausgeschriebenen Stellen in den vergangenen vier Jahren:
25. Platz: HR-Manager/in, ausgeschriebene Stellen am 15.1.2023: 1131, 92 Prozent mehr als vier Jahre vorher.
24. Platz: Hauswirtschafter/in, ausgeschriebene Stellen am 15.1.2023: 1226, 95 Prozent mehr als vier Jahre vorher.
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Firmen suchen in Zeiten des Arbeitskräftemangels verzweifelt nach Personal. Jetzt sind die Angestellten am längeren Hebel. Das sind die 25 Berufe mit dem grössten Wachstum der ausgeschriebenen Stellen in den vergangenen vier Jahren:

IMAGO/MedienServiceMüller

Darum gehts

  • Arbeitskräftemangel gibts vor allem bei Jobs, für die es keine höhere Berufsbildung braucht.

  • Am häufigsten gesucht sind Gesundheitspflegerinnen und Kleinkinderzieher.

  • Deshalb ist jetzt die Chance für mehr Lohn in diesen Berufen besonders gross.

In der Schweiz fehlen immer mehr Arbeitskräfte, die Folgen sind dramatisch. Jetzt zeigt eine Auswertung der Datenfirma X28 der letzten vier Jahre: Nicht nur die oft erwähnten IT-Spezialisten und Ingenieure, sondern vor allem Menschen ohne höhere Berufsbildung sind gefragt, wie die «SonntagsZeitung» schreibt.

Die grösste prozentuale Zunahme an ausgeschriebenen Stellen im Vierjahresvergleich gibt es bei Gesundheitspflegerinnen und Kleinkinderziehern. Deutlich zugenommen hat auch die Nachfrage nach Küchenangestellten, Fabrikationsmitarbeiterinnen und Gebäudereinigern (siehe Bildstrecke).

Jetzt mehr Lohn verlangen

Weil ausgebildete Schreiner nicht verfügbar sind, suchen Unternehmen nach Schreinerpraktikern. Dafür braucht es eine zweijährige Anlehre. Firmen sind laut X28-Gründer Cornel Müller gezwungen, möglichst viele einfachere Aufgaben an weniger gut ausgebildete Arbeitskräfte zu übergeben.

Dadurch ergeben sich gute Aussichten für Arbeitnehmende. Jetzt sei die Gelegenheit, mehr Lohn zu verlangen, sagt Personalexperte Jörg Buckmann zu 20 Minuten. Das gelte auch für Berufe, in denen man sich vorher nicht traute, nach mehr Lohn zu fragen, aus Angst um die Stelle. «Nun kommen die Billiglöhne um 20 Franken pro Stunde unter Druck», so Buckmann (siehe Interview).

«Billiglöhne kommen unter Druck»

Jörg Buckmann, HR-Experte, Buchautor und Ex-Personalchef der VBZ.

Jörg Buckmann, HR-Experte, Buchautor und Ex-Personalchef der VBZ.

20min/Marco Zangger

Was bedeutet der Arbeitskräftemangel für Arbeitnehmende?

Jörg Buckmann: «Davon können alle Angestellten profitieren. Ich gönne es vor allem jenen in weniger attraktiven Berufen mit harter Arbeit. Nun kommen die Billiglöhne um 20 Franken pro Stunde unter Druck.»

Heisst das, ich kann nun mehr Lohn verlangen?

 «Ja, dafür ist jetzt eine gute Gelegenheit, auch in Berufen, in denen man sich das bisher nicht traute, aus Angst um die Stelle. Sonst hatten Job-Hopper bei jedem Stellenwechsel die Möglichkeit, mehr Lohn zu verlangen, aber jetzt können auch die anklopfen, die schon länger dieselbe Arbeitsstelle haben.»

Wie viel mehr Lohn kann ich verlangen?

«Das lässt sich nicht pauschal sagen.»

Wie sollte ich bei der Lohnverhandlung vorgehen?

«Mit Argumenten aufzeigen, was man bereits geleistet hat oder noch zu leisten bereit ist und welches Spezialwissen man hat. Es ist auch legitim, sich jetzt nach anderen Stellen umzusehen, wenn man das Gefühl hat, für die Branche zu schlecht bezahlt zu sein.»

Was empfehlen Sie noch?

«Es ist wichtig, diese Chance zu nutzen und aktiv nach Weiterbildung nachzufragen. In guten Zeiten sollte man seinen Bildungsrucksack mit Kursen und Trainings füllen, damit man für schlechtere Zeiten vorbereitet ist.»

Können auch temporär Angestellte eine Ausbildung verlangen?

«Ja, schon nach kurzer Zeit sind viele Weiterbildungen und zum Teil auch  dadurch entstehende Fehlzeiten über den Gesamtarbeitsvertrag finanziert. Davon könnten Tausende Angestellte profitieren, die etwa über einen Personaldienstleister angestellt sind.»

Fachleute nehmen zwar an, dass durch die Automatisierung und Digitalisierung viele Jobs verschwinden werden. Doch ohne Automatikmonteure und ihre Montage von elektronischen Geräten gibt es keine  Automatisierung.

Fraglich ist, ob sich die offenen Stellen besetzen lassen. Durch die Pensionierungswelle der Baby-Boomer  verschwinden jedes Jahr mehr Menschen aus dem Arbeitsmarkt, als junge Leute nachrücken. Zudem haben viele ausländische Arbeitskräfte die Schweiz in der Pandemie verlassen und bleiben im Heimatland, weil sie dort eine gute Stelle gefunden haben, sagt Arbeitsmarktexperte Tino Senoner. 

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