Schuldgefühle: «Ich bereue, mein sterbendes Grosi nicht besucht zu haben»

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Schuldgefühle«Ich bereue, mein sterbendes Grosi nicht besucht zu haben»

Kinder bekommen oder angefangen zu kiffen: Wir haben 20-Minuten-Leser gefragt, was sie am meisten im Leben bereuen. Eine Psychotherapeutin erklärt, wie man mit Schuldgefühlen umgehen kann. 

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Darum gehts

  • Wir haben die 20-Minuten-Community gefragt, was sie am meisten in ihrem Leben bereut. 

  • Von Kinder bekommen über Beziehungen und verpasste Ausbildungschancen waren viele Themen dabei. Alle Antworten siehst du in der Bildergalerie.

  • Gemäss Psychotherapeutin Romina Reginold können Schuldgefühle aus verschiedenen Gründen entstehen.

  • Sie gibt drei wertvolle Tipps, wie Reue erst gar nicht entsteht.

Hätte ich es doch nur getan – oder es gelassen! Im Leben gibt es immer wieder Situationen und Entscheidungen, welche man im Nachhinein bereut. Wir haben bei euch nachgefragt, was ihr am liebsten rückgängig machen würdet. Die Antworten dazu findet ihr in der Text-Bild-Strecke. 

Wie überhaupt Reuegefühle entstehen und was man dagegen machen kann, erklärt Psychotherapeutin Romina Reginold im Interview.

Romina Reginold ist Psychotherapeutin und Teil des Aepsy-Teams – einer Online-Plattform, die Psychologinnen und Psychologen vermittelt.

Romina Reginold ist Psychotherapeutin und Teil des Aepsy-Teams – einer Online-Plattform, die Psychologinnen und Psychologen vermittelt. 

ZVG

Frau Reginold, warum bereuen wir gewisse Entscheidungen noch lange, nachdem wir sie gefällt haben?

In der Psychologie gibt es verschiedene Erklärungsansätze dafür, warum Menschen bestimmte Entscheidungen bereuen. Ein Grund ist, dass Menschen danach streben, in ihrem Denken und Handeln kohärent zu sein. Wenn eine getroffene Entscheidung nicht mit den eigenen Erwartungen übereinstimmt, entsteht das Phänomen der kognitiven Dissonanz – und das damit einhergehende unangenehme Gefühl kann dann zu Reue führen.

Welche Faktoren beeinflussen sonst noch Reuegefühle?

Etwa die Tendenz, überhöhte Erwartungen an die Ergebnisse einer Entscheidung zu haben. Wenn die Realität nicht mit diesen übereinstimmt, kann dies zu Enttäuschung führen. Ebenso spielt der Mangel an Informationen eine bedeutende Rolle, welcher zu nachträglichen Reuegefühlen führen kann. Ebenfalls soziale Vergleiche mit anderen, insbesondere wenn es den Anschein hat, dass es anderen besser geht. Zudem können individuelle Unterschiede in der Risikobereitschaft eine Rolle spielen. Wenn eine Entscheidung mit einem höheren Risiko verbunden ist als erwartet, kann dies zu Bedauern führen.

Wozu würden Sie raten, wenn einen die Gewissensbisse verfolgen?

Als Mensch ist es unmöglich, keine Fehler zu machen und Entscheidungen zu treffen, die keine unerwünschten Konsequenzen nach sich ziehen. Akzeptanz kann helfen, diese Tatsache anzuerkennen.
Es ist hilfreich, eine getroffene Entscheidung als eine Lernerfahrung zu betrachten. Die Reflexion über eine Entscheidung kann dazu beitragen, die Gründe und Gewissensbisse besser zu verstehen.

3 Tipps, um Reuegefühle zu verhindern

  • Perspektivenwechsel: Man kann versuchen, die getroffene Entscheidung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Dieser Ansatz ermöglicht eine umfassendere Beurteilung der Konsequenzen und fördert ein besseres Verständnis für die Interessen und Bedürfnisse aller Beteiligten. Das kann helfen, dass man selbstsicherer hinter seiner Entscheidung stehen kann.

  • Eigene Bedürfnisse und Gefühle im Fokus haben: Das Verständnis der eigenen Persönlichkeit, Werte, Bedürfnisse und Emotionen spielt eine entscheidende Rolle. Selbstkenntnis ermöglicht es, authentische Entscheidungen zu treffen, die mit den eigenen Überzeugungen im Einklang stehen. Die Fähigkeit, Grenzen zu setzen, kann dabei entlastend sein. 

  • Sich gut informieren und abwägen: Eine informierte Entscheidungsfindung basiert auf einer gründlichen Sammlung von Informationen. Nach der Informationsbeschaffung ist die sorgfältige Abwägung der potenziellen Konsequenzen entscheidend. Hierbei kann etwa eine Pro- und Kontraliste helfen. 

Und wenn man einfach nicht aus der Spirale rausfindet?

Für den Fall, dass Gewissensbisse übermässig belastend sind und eine eigenständige Bewältigung erschweren, kann die Unterstützung einer Fachperson, sei es ein Psychologe oder Therapeut, von grossem Nutzen sein. Diese kann gezielte Übungen und Strategien anbieten, um die Spirale zu durchbrechen und konstruktiv zu bearbeiten. In diesem Prozess spielt die Selbstvergebung eine zentrale Rolle. Die Fähigkeit, sich selbst zu vergeben, ist ein bedeutender Schritt, um inneren Frieden zu finden.

Hast du schon mal eine Entscheidung bereut?

Gibt es vielleicht sogar positive Aspekte von Schuldgefühlen?
Schuldgefühle können motivieren, Veränderungen anzugehen. Sie dienen als Impuls, Massnahmen zu ergreifen, um die aktuelle Situation zu verbessern oder das eigene Verhalten in der Zukunft anzupassen. Zudem dienen diese Gefühle gleichzeitig als Indikator für den individuellen moralischen Wertekompass. Schuldgefühle sind somit ein internes Signal dafür, wenn Handlungen nicht mit den eigenen ethischen Überzeugungen in Einklang stehen. 

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