FlüchtendeSchutzstatus S birgt auch Nachteile – Ukrainer erhalten weniger Sozialhilfe
In der Schweiz erhalten Geflüchtete mit Schutzstatus S weniger Geld als Schweizer Sozialhilfe-Bezüger. Das ist rechtlich problematisch. Unter den Kritikern ist sogar Andreas Glarner.
Darum gehts
Tausende ukrainische Geflüchtete hat die Schweiz aufgenommen und diese mit dem Schutzstatus S versehen. Selbstverständlich sind die Geflüchteten auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Wie jedoch eine Ausweitung der «SonntagsZeitung» zeigt, entspricht diese in manchen Kantonen nicht einmal der Hälfte des von der Sozialhilfekonferenz festgelegten Existenzminimums.
Keine reguläre Sozialhilfe
Der schnelle, als unbürokratisch angepriesene Schutzstatus für ukrainische Geflüchtete offenbart somit auch Nachteile. Zwar erlaubt er ukrainischen Personen eine zügige Aufnahme ohne langwieriges Asylverfahren, doch führt er dazu, dass ihnen deutlich weniger finanzielle Unterstützung zusteht als regulären Geflüchteten.
Das liegt daran, dass die ukrainischen Geflüchteten lediglich ein Anrecht auf die Asylsozialhilfe haben. Diese gilt für Asylbewerber, vorläufig Aufgenommene und ukrainische Personen mit dem Schutzstatus S. Die Asylsozialhilfe liegt dabei weitaus tiefer als die reguläre Sozialhilfe, die Schweizer Bürgerinnen und Bürger und anerkannte Geflüchtete beziehen können.
Weniger als 1000 Franken für eine dreiköpfige Familie
Unter der regulären Sozialhilfe würde eine dreiköpfige geflüchtete Familie ungefähr 1800 Franken im Monat erhalten. Im Umgang mit den ukrainischen Geflüchteten kommt nur der Kanton Basel Stadt dieser Zahl nahe. Hier würde die Familie 1571 Franken monatlich erhalten, in den Kantonen Zürich und Bern wären es rund 1300 Franken monatlich. In den Kantonen Jura, Obwalden, Nidwalden, Thurgau, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden läge die finanzielle Unterstützung hingegen bei weniger als tausend Franken.
Am knausrigsten im Umgang mit den ukrainischen Geflüchteten zeigt sich der Kanton Aargau. Wie die «SonntagsZeitung» berechnet, erhielte hier eine ukrainische Mutter mit zwei Kindern nur 865 Franken im Monat. Die dürftige Unterstützung provoziert nun die Kritik Schweizer Politikerinnen und Politiker.
Selbst Andreas Glarner fordert mehr Unterstützung
Laut der SP-Nationalrätin und Asylspezialistin Samira Marti ist es rechtlich problematisch, dass ukrainische Geflüchtete weniger Unterstützung erhalten als andere in der Schweiz anerkannte Geflüchtete. So verstosse diese Ungleichbehandlung gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Diese verlangt eine Gleichbehandlung von anerkannten Geflüchteten mit Einheimischen. So müsse der Bundesrat dafür sorgen, «dass die ukrainischen Flüchtlinge und mit ihnen alle Flüchtlinge mindestens die ordentliche Sozialhilfe erhalten», sagt sie zur «SonntagsZeitung».
Sogar der Aargauer SVP-Politiker Andreas Glarner – ansonsten ein Hardliner in Migrationsfragen – gesteht ein, die Beiträge für ukrainische Geflüchtete seien «tatsächlich knapp». Er sagt: «Wenn sich jetzt zeigt, dass der Betrag für den Lebensbedarf für die Ukrainerinnen und Ukrainer zu klein ist, müssen wir ihn anheben. Da bin ich der Erste, der das fordert.»
Jürg Grossen, der Chef der Grünliberalen, geht noch weiter und fordert eine grundlegende Reform des Schutzstatus S. Er sagt zur «SonntagsZeitung: «Jeder, der in der Schweiz lebt, muss die Mittel erhalten, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Wir dürfen nicht bei den verletzlichsten Menschen knausrig sein und sie noch zusätzlich herunterdrücken.» Laut Grossen bräuchten ukrainische Geflüchtete nicht nur mehr finanzielle Unterstützung, sondern auch einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt.