Handwerk in der Schweiz: Dumpingpreise bedrohen Existenz

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SchwarzarbeitHandwerk schlägt Alarm: Dumpingpreise machen das Geschäft kaputt

Die Handwerksbranche leidet unter Konkurrenz mit unerklärlich tiefen Preisen. Das EU-Abkommen droht das Problem Schwarzarbeit zu verschärfen.

Manche Firmen bieten Wärmepumpen zu Preisen an, mit denen der Heizungsmonteur Minus machen würde.
Auf dem Bau sind Dumpingpreise wegen Schwarzarbeit allgemein ein Problem. Sie verursachen Milliardenschäden.
Heizungsmonteur Beni Mulaj ist Geschäftsführer der MHS Haustechnik in Oberarth (SZ). Er sagt, was die Dumpingpreise für sein Geschäft bedeuten.
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Manche Firmen bieten Wärmepumpen zu Preisen an, mit denen der Heizungsmonteur Minus machen würde.

IMAGO/MiS

Schwarzarbeit: Darum gehts

  • Die Handwerksbranche in der Schweiz kämpft gegen Dumpingpreise, die den Markt destabilisieren.

  • Schwarzarbeit und Materialimporte aus dem Ausland verschärfen die Situation.

  • Das neue EU-Abkommen könnte den Schutz vor Schwarzarbeit schwächen.

  • Kleine Betriebe leiden besonders unter dem Preisdruck und der sinkenden Qualität.

Der Schweizer Handwerksbranche setzt ein zunehmend harter Wettbewerb zu. Heizungsmonteur Beni Mulaj berichtet gegenüber 20 Minuten, wie er bei Offerten für Kunden gegen acht andere Firmen in Konkurrenz steht. Früher seien es zwei oder drei Firmen gewesen. «Seit fünf Jahren wird es immer schlimmer», sagt der Geschäftsführer der MHS Haustechnik in Oberarth (SZ), der sich vor neun Jahren selbständig gemacht hat und vier Mitarbeiter im Team hat.

Zahlreiche neue Firmen seien zuletzt gegründet worden, die mit Dumpingpreisen arbeiten. «Wenn bei uns eine Wärmepumpe für ein Einfamilienhaus 35'000 bis 40'000 Franken kostet, verkaufen sie manche für 25'000 Franken, so ist kein Gewinn möglich.»

Er rechnet vor:
Wärmepumpe: 22'000 Franken Kosten
Verbindungsleitungen: 1000 Franken
Fünf Tage Montage: 5000 Franken
= 28'000 Franken

Dasselbe erlebe er bei Gipserarbeiten. Ein Quadratmeter habe früher 80 Franken gekostet. Jetzt seien es teilweise 15 Franken pro Quadratmeter. «Diese Preise kann ich mir nur mit Schwarzarbeit oder Material aus dem Ausland erklären. Doch wenn das Geld nicht in der Schweiz bleibt, schadet das allen.»

Tiefe Preise und Qualität

Gleichzeitig habe die Qualität nachgelassen. «Ich hatte schon Kunden, die sich zuerst für einen Konkurrenten entschieden haben, weil der ein Drittel günstiger war. Dann rief mich der Kunde aber an, weil ihn der Monteur im Stich liess und nach halber Arbeit nicht mehr kam», sagt Mulaj.

Grosse Firmen mit Aufträgen hätten weniger Probleme, sie bekämen die lukrativen Aufträge der Gemeinden und Kantone. «Doch wir Kleinen müssen uns an die Dumpingpreise anpassen, um zu überleben, das macht uns auf Dauer kaputt.» Er würde sich wünschen, dass Firmengründer ein Fähigkeitszeugnis bräuchten.

2024 gab es mit 52'977 Firmengründungen einen neuen Rekord.

2024 gab es mit 52'977 Firmengründungen einen neuen Rekord.

Pixabay

Unter Dumpingpreisen und Schwarzarbeit leidet die Baubranche allgemein. Silvia Fleury, Direktorin des Schweizerischen Maler- und Gipserunternehmer-Verbands sagt: «Wir stellen fest, dass die Marktstabilität durch Firmen mit unrealistisch tiefen Preisen gefährdet ist. Auch das Problem der Schwarzarbeit ist uns bekannt.»

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Wegen fehlender Sozialabgaben, der Nichtbezahlung von Suva-Prämien oder der Mehrwertsteuer leide letztendlich die ganze Gesellschaft. «Der Schweizerische Maler- und Gipserunternehmer-Verband appelliert an private Bauherren, Generalunternehmer und öffentliche Vergabestellen, sich nicht nur am Preis, sondern vor allem auch an der Qualität und Seriosität eines Unternehmens zu orientieren», sagt Fleury.

«EU-Abkommen schwächt Schutz»

Urban Hodel vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund bestätigt: «Wir haben ein Schwarzarbeitsproblem. Es gibt viele kriminelle und halbkriminelle Firmen – auf dem Bau, in der Reinigung oder in anderen Branchen.»

«Dank Lohnschutz und Kontrollen erwischen wir viele dieser Firmen.» Doch mit dem neuen EU-Abkommen würde das viel schwieriger. «Das Abkommen schwächt genau diesen Schutz.»

Milliardenschaden wegen Schwarzarbeit

Die Handwerksbranche sieht sich zunehmend mit schwierigeren Marktbedingungen konfrontiert. Bei einer Umfrage der Handwerkerplattform Ofri sagten 57 Prozent, dass sie eine deutliche Zunahme des Wettbewerbs erleben. Folglich sehen 48 Prozent der Befragten die Wettbewerbsintensität als grösste Herausforderung an. Besonders kritisch sehen sie Firmen, deren unrealistische Preise oder Schwarzarbeit die Marktstabilität gefährden. Darunter leidet das ganze Land. Der Ökonom Friedrich Schneider schätzt die Grösse der Schattenwirtschaft für die Schweiz im Jahr 2024 auf 7,1 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Der Kanton Wallis schätzt, dass alleine im Kanton jährlich 1,2 Milliarden Franken mit Schwarzarbeit umgesetzt werden.

An der Umfrage der Handwerkerplattform Ofri im Januar 2025 nahmen 88 Handwerkerinnen und Handwerker aus der Schweiz teil, von denen rund die Hälfte Einzelbetriebe sind. Die meisten kommen aus dem Bauhauptgewerbe, dem Ausbaugewerbe, Garten, Versorgungstechnik oder Auto und Motorrad. Sie sprechen sich für Massnahmen aus, die Qualitätsstandards und eine faire Preissetzung stärken sollen. Vorherrschende Regelungen sollen überprüft werden, um gleiche Voraussetzungen für alle Marktteilnehmenden zu schaffen.

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