SchweizSicherheitsrisiko: Polizeikorps nutzen Russen-Software
Nicht nur Deutschland ist in Bezug auf Hackerangriffe aus Russland schlecht geschützt: Auch in der Schweiz gibt es gravierende Sicherheitslücken – zum Beispiel bei den Kantonspolizeien.
Darum gehts
Zahlreiche Kantonspolizeien nutzten jahrelang eine russische Software zur Tatort-Rekonstruktion.
Hinter der Software steckt indirekt eine von Putins Töchtern, Katerina Tichonowa.
Mittlerweile haben viele Polizeien die Arbeit mit der Software aus Sicherheitsbedenken eingestellt.
Hackerangriffe sind eine spezielle Art der Kriegsführung, die Russland gern betreibt – und das vornehmlich gegen westliche Länder. Erst kürzlich wurde bekannt, dass sich Moskau in eine Videokonferenz deutscher Militärs eingeschlichen hatte und so über streng geheime Pläne über mögliche Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern erfuhr.
Aber auch in der Schweiz gibt es gravierende Lücken in der Sicherheitsinfrastruktur, beispielsweise bei den Kantonspolizeien. Das zeigen Recherchen des «Tages-Anzeiger». Denn diese nutzten jahrelang – und tun es teils immer noch – eine russische Software mit zweifelhaftem Hintergrund.
Wer steckt hinter Agisoft?
Die Verbindung von Agisoft zum Kreml erinnert an die unterschiedlichen Hüllen der russischen Holzpuppe Matroschka: Bei Agisoft handelt es sich um eine Software-Firma aus St. Petersburg, die eng mit Geoscan, dem grössten Drohnenproduzenten Russlands, verbandelt ist. Geoscan wiederum steht in enger Verbindung mit der staatlichen Stiftung Innopraktika, diese hat zehn Prozent Anteile an der Firma. Und Chefin dieser Stiftung ist niemand anderes als eine von Putins Töchtern, Katerina Tichonowa. Sie steht seit dem Ukraine-Krieg auf der Sanktionsliste des Westens.
Welche Polizeien arbeiteten mit der Software?
Agisoft wurde – und wird teils immer noch – von Forensikern der Kantonspolizeien zur Spurensicherung und 3-D-Rekonstruktion eines Tatorts genutzt. Hierfür werden Drohnenaufnahmen eines Tatorts erstellt und diese dann am Computer übereinandergelegt. Modellierungen der Software gelten sogar als Beweismittel vor Gericht. Recherchen des «Tages-Anzeiger» legen offen, dass beispielsweise die Berner Kantonspolizei von 2016 bis zum Sommer 2023 die Software nutzte. Dann sei man im Zuge des Ukraine-Kriegs aufgrund von Sicherheitsbedenken ausgestiegen.
Auch in St. Gallen nutzte man die Software von 2018 bis 2023, stieg dann aber aus, als man von der Möglichkeit, dass die Software eventuell zur Verbreitung von Schadsoftware genutzt werden könnte, erfahren habe, so ein St. Galler Polizeisprecher. Auch in Zürich nutzte man Agisoft, stieg dann aber ebenfalls aus. Und im Kanton Basel-Landschaft hat man gerade erst angefangen, sie zu benutzen – nämlich seit 2023. Ob das wirklich so bleiben kann, wird in den kommenden Monaten zusammen mit der Staatsanwaltschaft geprüft. In Luzern dagegen nutzt man Agisoft nur noch, um alte Datensätze auszulesen.
Welches Sicherheitsrisiko besteht?
Es ist denkbar, dass die Software noch andere versteckte Funktionen aufweist und sich dadurch als Trojaner Daten abgreift. Oder dass Agisoft sich durch die Hintertür (sogenannte «Backdoor») Zugriff auf die Polizei-Rechner verschafft. Gerhard Audrey, Nationalrat und IT-Unternehmer, hält dies durchaus für möglich: «Ich kenne die Software nicht und kann die Gefahr nicht einschätzen. Man weiss aber, dass Staaten in Applikationen Hintertüren einbauen oder Sicherheitslücken ausnutzen, um Spionage und Cyberattacken zu orchestrieren.»
Selbst der Wiederverkäufer der Software, die Firma Remote Vision, die in Herisau sitzt, hat mittlerweile Sicherheitsbedenken. Man habe den Wechsel auf ein Alternativ-Produkt eingeleitet. Der Chef der Firma, Ueli Sager, sagt dazu: «Weder von Agisoft noch von anderen Softwareherstellern haben wir allgemeine Sicherheitsgarantien.»
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