Verweis auf NeutralitätSchweiz soll Verletzte aus der Ukraine aufnehmen – EDA lehnt ab
Weil die Ukraine nicht mehr alle Verletzten versorgen kann, sollen diese ins Ausland evakuiert werden. Eine entsprechende Anfrage erhielt auch die Schweiz. Das EDA lehnte ab.
Darum gehts
In der Ukraine herrscht seit bald fünf Monaten Krieg. Vielerorts ist die zivile Infrastruktur, zu der auch Spitäler zählen, zerstört. Die Behandlung von Kriegsverletzten und anderen Menschen mit medizinischen Problemen stellt die Ukraine deshalb vor grosse Herausforderungen. Aus diesem Grund versucht die dortige Regierung, Verletzte zur Behandlung ins Ausland zu evakuieren. Dabei sei auch die Schweiz angefragt worden, wie der «Tages-Anzeiger» (TA) berichtet. Die Anfrage sei im Mai beim Koordinierten Sanitätsdienst (KSD) der Armee eingegangen, wie die Zeitung weiter schreibt. Diese kam nicht direkt aus Kiew, sondern vom Euro-Atlantic Disaster Response Coordination Centre, einer Suborganisation der Nato, die die medizinischen Evakuierungen aus der Ukraine koordiniert.
Dabei sollten nicht nur ukrainische Soldaten in Schweizer Spitälern gepflegt werden, sondern auch kriegsverletzte Zivilistinnen und Kinder, Krebskranke oder Verletzte von Verkehrsunfällen.
Da die Schweizer Spitäler in der Obhut der Kantone seien, habe sich der KSD und die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) eingeschaltet. Der GDK-Vorstand habe an einer Sitzung am 19. Mai «grundsätzlich Offenheit für die Übernahme durch die Kantone beziehungsweise die Spitäler» signalisiert, wird GDK-Präsident Lukas Engelberger zitiert. Auch die zivilen und militärischen Gesundheitsbehörden beim Bund, das BAG und der KSD, hätten dem Vernehmen nach wohlwollend reagiert.
Das EDA zieht die Notbremse
Das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) habe jedoch die Notbremse gezogen. Begründet worden sei dies mit der Neutralität. Amtsstellen von mindestens drei Departementen seien dabei involviert gewesen: der Koordinierte Sanitätsdienst von Viola Amherd, das Bundesamt für Gesundheit (BAG) von Alain Berset sowie das EDA von Ignazio Cassis. Mitte Juni schrieb das EDA in einer Stellungnahme zuhanden der anderen Ämter, dass es die Aufnahme von Patientinnen und Patienten aus der Ukraine aus «juristischen und praktischen Gründen» ablehne.
Schweiz muss Soldaten von Kriegsrückkehr abhalten
Das Schlüsselargument, das vom EDA vorgebracht wird, ist die Neutralität. Die Genfer Konventionen von 1949 enthalten eine Spezialbestimmung für neutrale Staaten, die in diesem Fall laut EDA zur Anwendung kommt. Der Artikel 37 des Ersten Genfer Abkommens regelt den Fall, dass ein neutrales Land verletzte Soldaten kriegführender Staaten pflegt. In diesem Fall müsse das neutrale Land dafür sorgen, dass die Soldaten nach ihrer Genesung «nicht mehr an Kriegshandlungen teilnehmen können», heisst es in dem Abkommen. Um sicherzustellen, dass die Soldaten nicht wieder in den Krieg zurückkehren, hätten sie von der Schweiz gar in Gewahrsam genommen werden können. Eine Ausnahme hätte es lediglich gegeben, wenn Russland die Rückkehr der ukrainischen Soldaten erlauben würde. Dies ist laut EDA unwahrscheinlich.
Zudem beruft sich das EDA auf das Haager Abkommen von 1907, das für neutrale Länder massgebend ist. Auch in diesem Abkommen heisst es, dass Verwundete von dem neutralen Land derart zu bewachen seien, dass sie an den «Kriegsunternehmungen nicht wieder teilnehmen können».
Der stellvertretende EDA-Staatssekretär Johannes Matyassy sagt auf Anfrage des «Tages-Anzeiger», dass es fast unmöglich sei, Zivilisten von Soldaten zu unterscheiden. «Im Moment nehmen in der Ukraine auch viele Zivilpersonen ein Gewehr in die Hand.» Das Aussendepartement habe jedoch beschlossen, dass die Humanitäre Hilfe des Bundes nun zivile Spitäler in der Ukraine unterstützen werde. Mit welchen Mitteln, wo und ab wann diese «Hilfe vor Ort» anlaufen solle, sei noch in Abklärung.
Beschäftigt dich oder jemanden, den du kennst, der Krieg in der Ukraine?
Hier findest du Hilfe für dich und andere:
Fragen und Antworten zum Krieg in der Ukraine (Staatssekretariat für Migration)
Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer SRK, Tel. 058 400 47 77
Kriegsangst?, Tipps von Pro Juventute
Beratungsangebot (Deutsch, Ukrainisch, Russisch), von Pro Juventute
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Anmeldung und Infos für Gastfamilien:
Schweizerische Flüchtlingshilfe, Tel. 058 105 05 55
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