Schweizer Botschafter in Argentinien über Javier Milei

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Schweizer Botschafter«Präsident Milei teilte mir mit, dass er die Schweiz sehr schätze»

Für «Kettensägen-Präsident» Javier Milei ist die gesamte westliche Welt «in Gefahr». Wie sieht er die Schweiz? Der Schweizer Botschafter in Buenos Aires weiss es.

Hans-Ruedi Bortis, Schweizer Botschafter in Argentinien, traf den «Kettensägen»-Präsidenten Javier Milei bei der Machtübergabe am 10. Dezember 2023 in Buenos Aires persönlich.
Der ultraliberale argentinische Präsident Milei sprach am 17. Januar 2024 am WEF in Davos.
In seiner Rede am Mittwoch bezeichnete der Rechtspopulist Kapitalismus und freie Marktwirtschaft als die einzige Lösung gegen Armut und kritisierte zudem «radikalen Feminismus» und «soziale Gerechtigkeit».
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Hans-Ruedi Bortis, Schweizer Botschafter in Argentinien, traf den «Kettensägen»-Präsidenten Javier Milei bei der Machtübergabe am 10. Dezember 2023 in Buenos Aires persönlich.

X/Embajador Hans-Ruedi Bortis

Darum gehts

  • Der Schweizer Botschafter traf den argentinischen Präsidenten Javier Milei bereits persönlich.

  • 20 Minuten fragte den Diplomaten nach seinem ersten Eindruck.

  • Botschafter Hans-Ruedi Bortis gibt zudem eine Einschätzung, was Milei für die Schweizer Wirtschaft bedeuten könnte.

Der argentinische Präsident Javier Milei liess wohl einige Anwesende am Weltwirtschaftsforum in Davos sprachlos: In seiner Rede am Mittwoch bezeichnete der ultraliberale Rechtspopulist den Kapitalismus und die freie Marktwirtschaft als die einzige Lösung gegen Armut und kritisierte zudem «radikalen Feminismus» und «soziale Gerechtigkeit». Milei lobte Unternehmer als «Helden» und rief sie auf, keine Angst zu haben vor der «politischen Kaste» und den «Parasiten, die vom Staat leben».

Wie sieht Milei wohl die Schweiz? 20 Minuten hat Hans-Ruedi Bortis, Schweizer Botschafter in Argentinien, gefragt.

Herr Bortis, Sie haben Javier Milei bei der Machtübergabe am 10. Dezember in Buenos Aires getroffen. Was war Ihr erster Eindruck von ihm?

Anlässlich der Amtseinsetzung gab es eine kurze, persönliche Begrüssung. Präsident Milei teilte mir mit, dass er die Schweiz sehr schätze. Er machte einen bestimmten und interessierten Eindruck.

Der argentinische Präsident will radikale Reformen im Staat und der Wirtschaft vornehmen. Was erwartet die Schweiz von der Präsidentschaft des bekennenden Anarchokapitalisten?

In der Tat will Präsident Milei die Staatsausgaben senken und die Wirtschaft deregulieren und öffnen. Für die zahlreichen in Argentinien tätigen Schweizer Unternehmen wird es sehr wichtig sein, dass die neuen Behörden einen rechtlichen Rahmen schaffen können, um ein positives Investitions- und Geschäftsklima zu garantieren und internationalen Handelsaustausch zu fördern. Eine besondere Bedeutung kommt dem abzuschliessenden Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und dem Mercosur zu, wo Argentinien seitens der Mercosur-Länder die Verhandlungsleitung innehat. Für die Schweiz bleiben Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zentral.

Eröffnen sich für die Schweiz mit Milei neue Handelsmöglichkeiten? In welchen Bereichen?

Falls die Rahmenbedingungen – wie oben erwähnt – geschaffen werden können, bietet Argentinien Schweizer Firmen gute Geschäftsmöglichkeiten. Es besteht insbesondere ein grosses Potential bei erneuerbarer Energie, Infrastruktur, Landwirtschaft und Tourismus.

Die argentinische Gesellschaft hat Mileis Vorhaben nicht so gut aufgenommen, wie es der libertäre Präsident erwartet hätte. Gelingt ihm dieses gewagte Experiment?

Ein Grossteil der argentinischen Bevölkerung leidet unter der seit Jahren anhaltenden Wirtschaftskrise sehr stark und erwartet rasche und konkrete Verbesserungen. Ob die neue Regierung mit den angekündigten Sofortmassnahmen, des Mega-Präsidialdekrets * und des gegenwärtig im Parlament diskutierten Omnibus-Gesetzespakets** die Grundlage schaffen kann, um das Land tiefgreifend zu reformieren, muss sich erst weisen.

* Um was geht es beim Mega-Präsidialdekret?

Milei hatte für das Land bei seinem Amtsantritt am 10. Dezember eine «Schocktherapie» angekündigt, vor allem massive Einschnitte bei den Staatsausgaben. Er hielt seine Versprechen: Nach der Machtübernahme brachte der Staatschef als erstes ein Dekret auf den Weg, mit dem er 350 bestehende Gesetze ändern oder abschaffen will, etwa im Miet- und Arbeitsrecht.

Um die Staatsausgaben zu senken, sollen zudem 7000 Stellen im öffentlichen Dienst gestrichen und mehr als 40 öffentliche Unternehmen privatisiert werden. Das Versammlungs- und Streikrecht will der neue Präsident einschränken.

** Um was geht es beim Omnibus-Gesetzespaket?

Mit dem sogenannten Omnibus-Gesetz mit 664 Artikeln will Milei zusätzlich Bereiche wie Arbeit, Handel und Innerer Sicherheit bis hin zur Meinungsfreiheit umkrempeln.

Der argentinische Kongress debattiert die äusserst brisante Gesetzesvorlage: Milei ruft darin den öffentlichen und wirtschaftlichen Notstand bis Ende 2025 aus und fordert den Kongress auf, sich selbst zu entmachten, damit er per Dekret regieren kann.

Weiter kriminalisiert Mileis vorgeschlagene Reform soziale Bewegungen und Organisationen und fordert die Privatisierung zahlreicher Staatsbetriebe.

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