Baumwolle aus KinderarbeitSchweizer Händler beuten afrikanische Kinder aus
Kinder in Burkina Faso schuften zehn Stunden am Tag und bekommen dafür einen Dollar ausbezahlt. Zwei Schweizer Trader verdienen sich an ihrer Arbeit eine goldene Nase.
Ein Bericht der Hilfsorganisation Solidar Suisse beleuchtet die dramatischen Arbeitsbedingungen von rund 250'000 Kindern in Burkina Faso. (Quelle: Solidar)
Fatoumata ist 13 Jahre alt. Wenn sie einmal gross ist, will sie Lehrerin sein. Der 17-jährige Sayouba will eines Tages Polizist werden, und der 16-jährige Noumontié träumt davon, an der Uni als Professor zu lehren. Kinderträume, die aber kaum je Realität werden. Denn diese Kinder arbeiten zwischen neun und zehn Stunden pro Tag auf den Baumwollfeldern von Burkina Faso, manchmal noch länger. Ihr Tagesverdienst: ein Dollar.
Ein neuer Bericht der Hilfsorganisation Solidar Suisse, der 20 Minuten vorliegt, beleuchtet die dramatischen Arbeitsbedingungen von rund 250'000 Kindern im afrikanischen Land. Im Alter von 5 bis 17 Jahren werden sie im gesamten Produktionsprozess des Baumwollanbaus eingesetzt: Sie jäten, pflügen, säen und helfen bei der Ernte mit. Dabei sind sie giftigen Pestiziden ausgesetzt, werden bei der Feldarbeit von Schlangen gebissen und von Skorpionen gestochen. Und: Sie gehen nicht zur Schule oder sind oft zu müde, um beim Unterricht tatsächlich etwas zu lernen.
Was hat die Schweiz damit zu tun?
Die Untersuchung von Solidar Suisse zeigt zudem, wie zwei Schweizer Konzerne direkt für die Misere der Kinder in Burkina Faso verantwortlich sind. Das Genfer Unternehmen Louis Dreyfus SA, der grösste Baumwollhändler der Welt, und die Firma Reinhart AG mit Sitz in Winterthur gehören zu den wichtigsten Käufern von Baumwolle aus Burkina Faso, die in Kinderarbeit produziert wird.
Das Geschäft ist profitabel: Louis Dreyfus SA erwirtschaftet einen Umsatz von fast 43 Milliarden Dollar, die Reinhart AG, «der diskrete Schweizer Baumwollkönig», wie es im Bericht heisst, soll im Jahr 2016 ein Umsatzvolumen von rund 700 Millionen Dollar erzielt haben.
Trader verstecken sich hinter CMI-Standards
«Das Problem der Kinderarbeit wird bei der Paul Reinhart AG sehr ernst genommen und wir arbeiten fortlaufend mit unterschiedlichen Organisationen daran, die Situation zu verbessern», sagt Rolf Stahel, Sprecher des Winterthurer Unternehmens, zu 20 Minuten.
Die gesamte Baumwollproduktion sei vom Label «Cotton made in Africa» (CmiA) zertifiziert, einer Initiative der Aid by Trade Foundation, rechtfertigt sich Stahel. Die CmiA-Standards verbieten die Kinderarbeit strengstens. «Anderseits sind wir uns bewusst, dass in Burkina Faso – wie in vielen der ärmsten Länder der Welt – die Kinder einer bäuerlichen Familie ihren Eltern zu bestimmten Zeiten der landwirtschaftlichen Saison, zum Beispiel beim Pflanzen und der Ernte, helfen.»
Auch bei Louis Dreyfus SA nehme man das Thema Kinderarbeit sehr ernst, sagt Sprecherin Karen Saddler. Ähnlich wie die Reinhart AG bezieht die Genfer Firma Baumwolle aus Burkina Faso, die unter der Aufsicht des CmiA-Programms produziert wird.
Nicht genug, sagt Solidar
Wenn also die Initiative CmiA dafür sorgt, dass keine Kinder in die Baumwollproduktion involviert sind, wieso zeigt die Untersuchung von Solidar Suisse, dass prekäre Formen von Kinderarbeit in Burkina Faso flächendeckend vorkommen?
«Wir schliessen daraus, dass Labels wie CmiA in ihrer jetzigen Ausgestaltung kaum Wirkung entfalten. Das grosse Defizit von CmiA ist, dass sie mit Selbstevaluationen arbeiten», sagt Fabienne Widmer, Kampagnenleiterin bei Solidar Suisse, zu 20 Minuten.
Immerhin liessen die Angaben der Reinhart AG darauf schliessen, dass das Unternehmen das Problem der Kinderarbeit in der Lieferkette erkannt habe und etwas dagegen tun wolle. Das sei grundsätzlich begrüssenswert. Dennoch blieben die Angaben der Reinhart AG sehr vage. «Es reicht definitiv nicht aus, die Verantwortung auf ein Label abzuschieben. Wichtig ist, dass die Baumwollhändler selber aktiv werden und Kinderarbeit in ihren Lieferketten bekämpfen», meint Widmer.
Wer übernimmt Verantwortung dafür?
Solidar Suisse fordert nun die beiden Schweizer Händler in einer Petition auf, ab sofort auf Kinderarbeit in ihrer Lieferkette zu verzichten. Schliesslich seien sie durch die UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte dazu verpflichtet, wie die Hilfsorganisation schreibt.
«Obwohl Kinderarbeit auch in Burkina Faso verboten ist, haben die Händler bisher nichts gegen die Kinderarbeit in ihren Lieferketten unternommen. Sie sind damit Teil eines wirtschaftlichen Systems, das sich auf die Ausbeutung von Kindern abstützt», kommentiert Widmer den Missstand.
Um Kinderarbeit zu bekämpfen, müssten alle Akteure ihren Beitrag leisten, fordert Solidar Suisse. Das betreffe auch die Konsumenten in der Schweiz: «Fragen Sie im Laden nach den Produktionsbedingungen und bevorzugen Sie Kleider und Textilien aus biologisch angebauter oder fair gehandelter Baumwolle. Verwerten Sie gebrauchte Kleider wieder, verkaufen Sie Textilien in Secondhand-Shops oder machen Sie eine Sachspende an Texaid oder ein Brockenhaus.»
Solidar Suisse hat zwei Werbespots lanciert, um auf das Thema hierzulande aufmerksam zu machen
Solidar Suisse hat zwei Clips lanciert, um auf das Thema Kinderarbeit zu sensibilisieren. (Quelle: Solidar)
Solidar Suisse hat zwei Clips lanciert, um auf das Thema Kinderarbeit zu sensibilisieren. (Quelle: Solidar)