Skisprung-WM: Eklat um manipulierte Anzüge überschattet Wettkampf

Aktualisiert

Schweizer profitiertWut und schwere Vorwürfe: Skandal erschüttert Skisprung-Szene

Norwegen wird im Nachhinein des WM-Springens disqualifiziert. Die Anzüge wurden manipuliert. Dem Weltverband FIS droht ein grosser Anzug-Skandal.

Norwegens Marius Lindvik wurde am Samstagabend disqualifiziert, ebenso wie ...
... Johann André Forfang.
Ein Video zeigt angeblich manipulierte Anzüge der norwegischen Skispringer.
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Norwegens Marius Lindvik wurde am Samstagabend disqualifiziert, ebenso wie ...

AFP

Darum gehts

  • Ein Video zeigt angeblich manipulierte Anzüge der norwegischen Skispringer.

  • Die FIS disqualifiziert Marius Lindvik und Johann André Forfang nach dem Wettbewerb.

  • Österreich, Slowenien und Polen fordern harte Konsequenzen gegen Norwegen.

  • Der Skandal überschattet den Sieg von Domen Prevc bei der WM in Trondheim.

  • Der Schweizer Gregor Deschwanden flog auf den neunten Rang und gewann nach der Disqualifikation der Norweger zwei weitere Ränge.

Die letzte WM-Entscheidung und der Skisprung-Goldgewinner Domen Prevc wurden im Anzug-Chaos von Trondheim völlig zur Nebensache. Stattdessen herrschte maximale Verwirrung und ein auf offener Bühne ausgetragener Streit, der dem Weltverband FIS und der gesamten Sportart auch nachhaltig mächtig schaden dürfte.

Hintergrund ist ein anonym aufgenommenes und verbreitetes Video, das offenbar eine zweifelhafte Bearbeitung der norwegischen Anzüge zeigen soll. Nach Ende des Wettbewerbs disqualifizierte die FIS die beiden norwegischen Weltklassespringer Marius Lindvik und Johann André Forfang. Lindvik hatte eigentlich Platz zwei belegt und Silber gewonnen.

Nationen-Trio fordert drastische Konsequenzen

Zuvor hatten die drei Top-Nationen Österreich, Slowenien und Polen gegen eine Starterlaubnis der Norweger beim Einzel auf der Grossschanze protestiert. Das Nationen-Trio wollte die Norweger nicht nur ausschliessen, sondern beantragt offenbar auch eine Annullierung aller WM-Ergebnisse in Trondheim. Der Deutsche Skiverband (DSV) unterschrieb den Protest zwar nicht, bat den Weltverband in einem Brief aber explizit um Klarstellung.

«Ich habe ein paar Dinge gesehen, wo eine Nation wilde Dinge macht, die völlig untendurch sind. Man kann das nicht unter den Teppich kehren. Die verantwortlichen Leute müssen reagieren», schimpfte Bundestrainer Stefan Horngacher in der ARD.

Materialkontrolleur Christian Kathol hatte vor dem Wettbewerb noch gesagt, alle Anzüge seien kontrolliert und für regelkonform befunden worden. Der Norweger Kristoffer Eriksen Sundal wurde dann nach dem ersten Sprung doch disqualifiziert – Lindvik und Forfang ereilte nach Wettkampfende das gleiche Schicksal.

Wellinger: «Mir ist es am Ende eigentlich auch zu blöd»

Vieles an diesem denkwürdigen Skisprung-Tag von Trondheim blieb zunächst im Vagen. Dass der Slowene Prevc und nicht Lindvik beim Springen triumphierte, entspannte die Lage kaum bis gar nicht – denn die nachträgliche Disqualifikation sorgte für mächtig Wirbel. Der Österreicher Jan Hörl gewann Silber statt Bronze, Ryoyu Kobayashi aus Japan rutschte unverhofft noch auf den Bronze-Rang. Der Schweizer Gregor Deschwanden flog auf den neunten Rang und gewann nach der Disqualifikation der Norweger zwei weitere Ränge.

Stefan Horngacher, Bundestrainer der deutschen Skisprung-Nationalmannschaft, sagt: «Es sind Dinge passiert, die völlig inakzeptabel sind.»

Stefan Horngacher, Bundestrainer der deutschen Skisprung-Nationalmannschaft, sagt: «Es sind Dinge passiert, die völlig inakzeptabel sind.»

Philipp von Ditfurth/dpa

Der sonst so diplomatische Horngacher sprach in ruhigem Ton Klartext. «Es sind Dinge passiert, die völlig inakzeptabel sind. Es gibt Limits und die Limits sind komplett überschritten worden. Es ist schwierig für den Skisprung. Es gibt leider Gottes immer wieder Leute, die diese Dinge immer wieder überspannen», sagte der Österreicher. Sportdirektor Horst Hüttel sagte, die Argumente der Norweger werden «von allen führenden Anzugexperten zerlegt – komplett».

Das Anzug-Thema schwelte im Lauf der WM immer wieder an. ARD-Experte Sven Hannawald übte scharfe Kritik an auffällig grossen Anzügen, polnische Medien attackierten auf der Normalschanze Karl Geiger. «Mir hat man auf der kleinen Schanze auch was vorgeworfen, was ich überhaupt nicht in Ordnung fand. Das minimiert die sportliche Leistung», monierte ein spürbar getroffener Geiger.

«Absolut skurrile Videos» im Umlauf

Von den Sportlern wurde der Protest inhaltlich weitgehend ferngehalten. Olympiasieger Andreas Wellinger erfuhr erst nach dem Wettbewerb von dem Eklat und sagte spontan: «Mir ist es am Ende eigentlich auch zu blöd. Mir geht das Thema nur auf die Nerven. Anzüge, Bindungen: Können wir uns bitte auf Skispringen konzentrieren? Der Beste soll gewinnen und nicht der, der am besten besch****t.»

Wellinger hatte vor knapp einer Woche WM-Silber hinter Lindvik gewonnen und könnte nun nachträglich zum Weltmeister erklärt werden. Der 29 Jahre alte Bayer forderte nach seinem achten Platz im Grossschanzeneinzel unmissverständlich: «Wenn einer besch****t, gehört er rausgeschmissen.» Inhaltlich könne er sich zur Anklage bezüglich der norwegischen Anzüge nicht äussern.

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