Brief an CEO - Schweizer Promis prangern Lieferdienst DPD öffentlich an

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Brief an CEOSchweizer Promis prangern Lieferdienst DPD öffentlich an

Bei DPD sollen schlechte Bedingungen herrschen. Am Donnerstag lanciert die Gewerkschaft Unia zusammen mit Promis und Politikern einen offenen Brief an den CEO. DPD hingegen wirft der Unia aggressive Methoden vor.

DPD-Mitarbeitende klagen über schlechte Arbeitsbedingungen. Nun haben rund 100 Promis, Politiker und Wissenschaftler einen offenen Brief unterschrieben.
Der Brief geht an Tilmann Schultze, CEO von DPD Schweiz.
«Ich habe immer wieder über die Ausbeutung bei Lieferservices gelesen. Ich arbeitete früher als Velokurierin und habe es selber erlebt. Es stört mich extrem, dass die Profite immer an die Grosskonzerne gehen, die ihre Arbeitskräfte mit einer beängstigenden Selbstverständlichkeit ausbeuten.»
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DPD-Mitarbeitende klagen über schlechte Arbeitsbedingungen. Nun haben rund 100 Promis, Politiker und Wissenschaftler einen offenen Brief unterschrieben.

Unia

Darum gehts

  • Jetzt holt sich die Unia Hilfe bei den Promis.

  • In einem offenen Brief fordern sie von DPD bessere Bedingungen für die Angestellten.

  • Kuriere erzählen von Ausbeutung und Überlastung.

  • DPD zweifelt an, wie repräsentativ die Erfahrungen sind.

  • Zudem soll die Unia aggressiv vorgegangen sein.

Keine Pausen, unbezahlte Überstunden, Drohungen: Beim Lieferservice DPD herrschen laut Vorwürfen der Unia prekäre Arbeitsbedingungen. Im Februar hatte die Gewerkschaft Alarm geschlagen, doch Gesprächsversuche scheitern laut Unia weiterhin. Am Donnerstag hat sich die Gewerkschaft nun Hilfe von Schweizer Promis, Politikern und Wissenschaftlern geholt.

In einem offenen Brief an den Schweizer DPD-CEO Tilmann Schultze fordern rund 100 Unterzeichnende bessere Konditionen für die Kuriere und Kurierinnen. Mit dabei sind etwa Rapperin Steff la Cheffe, Schriftstellerin Annette Hug und Komiker Peach Weber. «Die Kurier*innen werden schamlos ausgebeutet», heisst es in dem Schreiben, das 20 Minuten vorliegt. Gratisarbeit, illegale Lohnabzüge und Androhung von Repressionen sorgten für «unwürdige Zustände». Die Unterzeichnenden fordern:

  • Jede Arbeitsstunde muss erfasst und bezahlt werden, geleistete Gratisarbeit muss nachbezahlt werden.

  • DPD muss sich mit der Gewerkschaft Unia an den Verhandlungstisch setzen.

  • Fahrer und Fahrerinnen müssen vor Drohungen und Kündigungen geschützt werden.

«Es gibt keine Regeln, wir werden total ausgebeutet.»

DPD-Fahrer

«Wir wollen nichts Besonderes – einfach einen normalen Job, mit dem wir unsere Rechnungen bezahlen können, nicht krank dabei werden und wo unsere Rechte respektiert werden», sagt ein DPD-Fahrer zu 20 Minuten. Er will anonym bleiben, denn DPD soll Angestellten mit der Kündigung gedroht haben, wenn sie mit der Unia zusammenspannen.

Das Problem seien die Arbeitszeit und die Arbeitslast ohne Obergrenze: «Auf einmal heisst es, nimm die Hälfte mehr Pakete. Dann arbeitest du drei bis vier Stunden länger, alles gratis. Zudem sind wir sehr schlecht bezahlt und es werden uns noch illegale Lohnabzüge für verlorene Pakete gemacht.» Für die meisten seiner Mitarbeiter sei die Stelle bei DPD der erste Job in der Schweiz: «Das macht niemand, wenn er nicht muss.»

«Man muss aufhören, uns wie die letzten Trottel zu behandeln.»

DPD-Fahrer

Schriftstellerin Annette Hug sagt zu 20 Minuten, es sei unerhört, dass Kuriere, die ein besonders grosses Ansteckungsrisiko haben, auch noch wegen Übermüdung ihr Leben riskieren sollen. Was beim Lieferservice geschehe, grenze an moderne Sklaverei, findet Komiker Peach Weber.

Auf Anfrage haben weitere Unterzeichnende ihre Teilnahme bei der Aktion begründet – ihre Erklärungen siehst du in der Bildstrecke oben. Die Gewerkschaft hofft nun, dass auch die breite Bevölkerung beginnt, den offenen Brief zu unterzeichnen.

«Mich haben die Schilderungen der Fahrer geschockt.»

Anna Rosenwasser, Aktivistin

DPD rückt den Konflikt mit der Gewerkschaft in ein anderes Licht. Sprecher Marco Kaiser stellt in Frage, wie repräsentativ die von der Unia gesammelten Mitarbeiter-Erlebnisse seien. Zudem gehe die Gewerkschaft aggressiv vor: «Die Unia hat bei ihren Aktionen in den letzten Wochen wiederholt den Betrieb von DPD gestört, versucht Mitarbeiter von DPD oder auch von ihren Vertragspartnern gegen deren Willen von der Arbeit abzuhalten und gefährliche Situationen geschaffen.» So sollen Unia-Mitglieder ohne Masken ein Depot betreten haben.

DPD Schweiz dulde keine rechtswidrigen oder gefährlichen Handlungen. «Wir sind bereit, einen Dialog zu führen - das aggressive Verhalten von Unia werten wir hingegen nicht als Dialog.» Zudem bestreitet DPD, dass Gesprächsversuche abgeblockt würden: «Die Nachrichten der Unia wurden beantwortet.»

Vorwürfe der Gewerkschaft

Probleme mit dem «System DPD»

Unter dem Begriff «System DPD» hat die Unia in einem Bericht vom Februar eine Reihe von Missständen zusammengefasst:

  • Lohnklau

  • Überlange Arbeitszeiten

  • Verstösse gegen die Gesetze bei Nachtarbeit

  • Fehlende, obligatorische Essensspesen

  • Unerlaubte Echtzeitüberwachung

  • Missbräuchliche Lohnabzüge

  • Krankmachende Belastung

  • Fehlende Toiletten

  • Fahrzeuge in ungenügendem Zustand

  • Verletzung von Gewerkschaftsrechten

Viele dieser Probleme haben sich laut der Gewerkschaft in der Pandemie noch verschärft. DPD kontert, dass es sich bei den Anschuldigungen lediglich um pauschale Vorwürfe handle. Die Unia gibt an, hunderte Gespräche mit Mitarbeitenden geführt zu haben.

Hast du illegale Praktiken oder Korruption in einem Unternehmen beobachtet?

Da Whistleblower in der Schweiz bis heute per Gesetz kaum geschützt sind, solltest du dich zuerst über die möglichen Konsequenzen informieren. Auf Transparency.ch findest du Information dazu.

Brauchst du oder braucht jemand, den du kennst, eine Rechtsberatung?

Hier findest du Hilfe:

Reklamationszentrale, Hilfe bei rechtlichen Fragen

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