KinderbetreuungSchweizer Start-up vergibt Kredite für den Krippen-Platz
Der erste Schweizer Familienfinanzierer bietet Kredite für die Krippe mit drei Prozent Zinsen im Jahr an. Das Geld fliesst direkt an die Kita. Die Schuldenexpertin warnt vor einer langjährigen Falle.
Darum gehts
Der erste Schweizer Familienfinanzierer bietet Darlehen für die Kita.
Damit will das Unternehmen junge Familien finanziell entlasten.
Die Schuldenberaterin rät von solchen Angeboten ab.
Krippen-Plätze können schnell ins Geld gehen. Je nach Wohnort kann die Kita pro Kind über 130 Franken pro Tag kosten. Für junge Eltern, die am Anfang ihres Berufsweges stehen, kann die finanzielle Belastung deshalb schnell sehr gross werden.
Gogo Schumacher, der Gründer der Kimi Krippen, hat sich deshalb mit dem Banker Thomas Russenberger zusammengetan, um den nach eigenen Angaben ersten Schweizer Familienfinanzierer zu gründen. Am Dienstag legten sie mit dem Start-up Awina los, das spezielle Kredite für die Kita anbietet.
Zinssatz von 3 Prozent
Das Projekt unterstützt Familien mit einem zweckgebundenen Kredit, der maximal die Hälfte der Kita-Kosten deckt. Das Geld fliesst laut Awina direkt an die Kita, fürs neue Auto lässt sich der Kredit also nicht nutzen. Spätestens wenn das Kind in den Kindergarten kommt, müssen die Eltern mit der Rückzahlung beginnen. Diesen zahlen die Eltern in monatlichen Raten zu einem jährlichen Zins von 3 Prozent zurück.
Wie bei herkömmlichen Kreditinstituten müssen Antragssteller gemäss Konsumkreditgesetz die Kreditfähigkeit und -würdigkeit beweisen. Damit soll das Risiko einer Verschuldung möglichst tief gehalten werden, wie eine Sprecherin von Awina auf Anfrage sagt.
«3 Prozent ist nicht sozial»
Wenn aber jemand den Kredit trotzdem nicht zurückzahlen kann, wolle Awina den Fall individuell anschauen und eine Lösung suchen. Es sei aber nicht geplant, mit einem Inkassobüro zusammenzuarbeiten, das die Schulden eintreibt. Die Stiftungen Mercator und Kinderbetreuung unterstützen das Projekt. Bei Härtefällen würden sie ihre Kräfte bündeln, damit es innerhalb der Familien nicht zu Zahlungsausfällen komme. Im Verwaltungsrat von Awina sitzt Claudia Coninx-Kaczynski, frühere Verwaltungsrätin für die Gründerfamilien bei der damaligen Tamedia – heute TX Group –, der Herausgeberin von 20 Minuten.
Von den Kita-Krediten ist Olivia Nyffeler von der Berner Schuldenberatung nicht überzeugt. «drei Prozent ist kein sozialer Prozentsatz, das ist sehr hoch», sagt sie zu 20 Minuten. Wer finanziell wenig Spielraum hat, dem empfehle sie grundsätzlich keine weiteren Belastungen in Form von Krediten.
«Jahrelang Raten abstottern»
Laut Nyffeler kann es sonst bei einer Einkommenseinbusse wegen Krankheit oder Jobverlust sofort Geldprobleme geben. Auch könnten zusätzliche Ausgaben anfallen, wenn das Kind älter wird und etwa in den Fussballklub oder die Musikstunde gehen möchte.
«Mit einem solchen Kredit zahlt man noch jahrelang Raten ab und man weiss nie, wie sich das Leben entwickelt», so Nyffeler. Es gebe gute Lösungen für Menschen mit geringem Einkommen vom Bund und den Gemeinden wie Betreuungsgutscheine für die Kita oder finanzielle Unterstützung der Sozialhilfe. Dennoch sollten Eltern mit engem Budget stärker von der öffentlichen Hand unterstützt werden, so Nyffeler.
Kosten über längeren Zeitraum verteilen
Die Sprecherin des Verbands Kinderbetreuung Schweiz, Kibesuisse, findet das Kredit-Angebot grundsätzlich interessant für Familien. Damit könnten sie die Kosten über einen längeren Zeitraum verteilen. Denn die Elterntarife seien für Familien ohne oder mit nur tiefen Subventionen sehr hoch.
Unabhängig davon sei der Verband überzeugt, dass die familienergänzende Bildung und Betreuung ein wesentlicher Teil der staatlichen Infrastruktur sind und als solche anerkannt werden müssen. Es brauche deshalb dringend eine bessere Mitfinanzierung durch die öffentliche Hand, um einerseits die Elterntarife zu reduzieren und andererseits um die Qualitätsentwicklung der Angebote sicherzustellen.
40 Prozent der Haushalte nutzen Kitas
In der Schweiz arbeiten über 95 Prozent der Väter und über vier von fünf Müttern. In den vergangenen Jahren nahm vor allem der Anteil von berufstätigen Frauen mit jungen Kindern zu. Um Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen, nutzen knapp 40 Prozent der Haushalte mit Kindern unter zwölf Jahren eine institutionelle Kinderbetreuung wie die Kita.
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