Schweizer Tschernobyl würde 4000 Milliarden kosten

Aktualisiert

Schweizer Tschernobyl würde 4000 Milliarden kosten

Am Kernenergie- Haftpflichtgesetz hat sich am Dienstag im Nationalrat eine Grundsatzdebatte über Atomkraftwerke entzündet. Mit einer wirtschaftlich kaum tragbaren Haftpflichtsumme von 500 Milliarden Franken zielte die Linke direkt auf die Atomindustrie.

Dabei hatte sie gute Argumente auf ihrer Seite: Rudolf Rechsteiner (SP/BS) zitierte eine Studie des Bundesamts für Zivilschutz, wonach eine Reaktorkatastrophe in der Schweiz Schäden in der Höhe von 4000 Milliarden Franken verursachen würde.

Versteckte Subvention

Jede tiefer angesetzte Versicherungsdeckung bürde diese Schäden der Allgemeinheit auf, sagte Rechsteiner. Dadurch werde auch der Wettbewerb derart verzerrt, dass sich eine Solarindustrie in der Schweiz gar nicht etablieren könne.

Martin Bäumle (GLP/ZH) bezifferte die in einer tiefen obligatorischen Haftpflichtdeckung versteckte Subvention mit 5 bis 10 Rappen pro Kilowattstunde. Damit wäre jede erneuerbare Energie wirtschaftlich zu erzeugen, sagte er.

Bei der bürgerlichen Ratsmehrheit und dem Bundesrat stiessen die Antragsteller auf taube Ohren. Mehrere Redner warnten vor den wirtschaftlichen Folgen einer hohen Deckungssumme. Der Linken gehe es im Grunde um die Abschaffung der Atomkraftwerke.

Politischer Entscheid

Andere Votanten stellten eine tiefe obligatorische Deckungssumme in einen politischen Zusammenhang. Die grössten möglichen Schäden seien derart gewaltig, dass jede vom Parlament festgelegte Zahl nur falsch sein könne, sagte Werner Messmer (FDP/TG). Die Festlegung der maximalen Versicherungsdeckung sei darum ohnehin ein politischer Entscheid.

So lange die Bevölkerung Atomenergie wolle, müsse das Parlament eine wirtschaftlich verkraftbare Haftungssumme festlegen. Ins gleiche Horn stiess Bundesrat Moritz Leuenberger: Es sei nicht der Moment, Ja oder Nein zu sagen zur Kernkraft.

Vorläufig sei diese eine real existierende Art der Stromerzeugung, von der alle profitierten. Bei einer grossen Katastrophe käme ohnehin die Allgemeinheit zum Zug, so wie beim Swissair-Grounding oder bei einem möglichen Konkurs einer Grossbank.

Chancenlose Linke

Alle Anträge der Linken mit dem Ziel einer obligatorischen Versicherungsdeckung von 500 Millionen Franken scheiterten deutlich. Chancenlos waren auch eine Deckungssumme von 3,75 Milliarden Franken sowie der Antrag, die Höhe der zu versichernden Risiken aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen zu bestimmen.

Der Nationalrat blieb stattdessen beim Vorschlag des Bundesrates. In Übereinstimmung mit zwei ebenfalls am Dienstag verabschiedeten internationalen Abkommen sieht dieser vor, dass die Haftungssumme von heute 1 auf 1,8 Milliarden Franken erhöht wird. Davon tragen 1,1 Milliarden die AKW-Inhaber. Der Rest versichert der Bund.

Dieser Variante hatte schon der Ständerat zugestimmt. Auf der Linie des Bundesrats und der kleinen Kammer blieb der Nationalrat auch beim Rest der Vorlage. So entschied er sich für eine absolute Verjährungsfrist für zivilrechtliche Ansprüche von 30 Jahren. Mit Hinweis auf die lange anhaltenden Auswirkungen eines Atomunfalls hatte die Linke 60 Jahre gefordert.

Abgelehnt wurden auch das Durchgriffsrecht auf das Aktionariat der AKW-Gesellschaft und eine verschärfte Haftung für Kantone, welche an AKW beteiligt sind.

Ohne Differenzen mit dem Ständerat stimmte die grosse Kammer der Vorlage mit 124 zu 32 Stimmen zu. 30 Ratsmitglieder hatten sich der Stimme enthalten. Die Vorlage ist damit bereit für die Schlussabstimmung.

Deine Meinung zählt