«General Sutter»Schweizer Volksheld war ein Indianerkinderhändler
Der Baselbieter Johann August Sutter gilt als Gründer der kalifornischen Hauptstadt Sacramento. Eine neue Publikation stellt den Heldenepos um den selbsternannten General in Frage.
In den USA wie auch der Schweiz wird «General Sutter» bis heute als Held gefeiert. Der Pionier war massgeblich an der europäischen Erschliessung des amerikanischen Westens beteiligt und baute ab 1839 sein Imperium Neu-Helvetien auf und gründete dort die spätere Bundeshauptstadt Sacramento.
Eine drei Meter grosse Bronzestatue erinnert in Sacramento an den berühmten Baselbieter Pionier, zu dessen Einweihung 1987 sogar eine Baselbieter Regierungsdelegation einflog. Zwischen Liestal und Sacramento besteht seit 1989 ein Städtepartnerschaft. Sutter ist Gegenstand von Heldenromanen, Filmen, Theaterstücken und wurde gar von Polo Hofer besungen. In Sissach wird mit seinem Namen heute noch Baselbieter Kirsch verkauft.
Der berühmteste Sohn von Rünenberg verliess die Schweiz 1834 allerdings nicht freiwillig. Nach dem Konkurs seiner Firma wurde der Kaufmann wegen Betrugs gesucht und überliess Frau und Kinder der Fürsorge. Der Neuanfang in Kalifornien brachte dem gefallenen Kaufmann schon zu Lebzeiten Ruhm ein. Die Helden-Erzählung von General Sutter bekommt jetzt aber Risse.
In kalifornischen Archiven ist die Schweizer Historikerin Rachel Huber auf Quellen gestossen, die die Geschichte nun umschreiben. Sie hat ihre Erkenntnisse in der Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte publiziert. SRF berichtete über Hubers Recherchen.
«Der selbsternannte General band indigene Männer und Frauen in ein Zwangsarbeitssystem ein und handelte zur Tilgung seiner Schulden mit indigenen Kindern.»
Wichtiger Kronzeuge für Sutters Taten, die schon damals als unmoralisch galten, wie Huber festhält, ist sein Schweizer Zeitgenosse Heinrich Lienhard, der vier Jahre lang für Sutter arbeitete. Das handschriftliche Manuskript seiner Memoiren liegt in der Universität Berkeley. Lienhard war unter anderem als Aufseher für die Mahlzeitenvergabe und das nächtliche Einsperren der Arbeiterschaft zuständig. «Die Art, wie diese indianischen Arbeiter gefüttert wurden, mahnte mich an das Füttern einer Anzahl Schweine», schrieb er.
Bis zu eintausend Indigene hielt Sutter unter erbärmlichsten Bedingungen. Durch historische Quellen belegt ist zudem auch, dass Sutter eine Armee aus indigenen Kindern und Männern hielt, die auf ihre eigenen Leute schiessen sollte, wenn diese zu flüchten versuchten. Mit dieser Armee überfiel der selbsternannte General auch wiederholt indigene Dörfer und nahm Männer, Frauen und Kinder gefangen.
«Die indigenen Kinder, die er auf seinen bewaffneten Bestrafungsmissionen raubte, dienten ihm als Handelsware, welche die argrarwirtschaftliche Ineffizienz von Neu-Helvetien kompensierte.»
Die Kinder verkaufte Sutter weiter, um seine Schulden zu tilgen. Er habe sich sogar richtigehend auf dieses Geschäft spezialisiert, so Historikerin Huber. Es sei sogar existenziell gewesen, weil seine Farm nicht genug erwirtschaftete, um seine Gläubiger zu bezahlen. Damit nicht genug: Lienhard zufolge mussten minderjährige, teils erst elfjährige Mädchen Sutter auch für sexuelle Dienste zur Verfügung stehen. Diese Vorwürfe sind aber, so Huber, nicht zweifelsfrei belegt.
Sein Niedergang in Kalifornien setzte mit dem Goldrausch ab 1848 ein. Ab dann war Sutter kaum mehr nüchtern anzutreffen, überliefert Lienhard. Die Arbeiter liefen ihm davon, sein Imperium zerbrach und Sutter verarmte. 1857 schrieb er: «Durch die plötzliche Entdeckung des Golds wurden all meine grossartigen Pläne zerstört. Ich wäre der reichste Bürger der Pazifik-Küste geworden, aber es sollte nicht sein. Anstatt reich bin ich nun verarmt.»
Sutter starb 1880 in Washington D.C. In Rünenberg erinnert eine Gedenktafel an den «Kaiser von Kalifornien».