Intensivpatienten erhalten Malaria-Medikament

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Covid-19Intensivpatienten erhalten Malaria-Medikament

Ein Medikament gegen Covid-19 gibt es noch nicht. Tatenlos sehen die Mediziner dennoch nicht zu. Sie gehen zum Teil völlig neue Wege.

von
Fee Riebeling
Was tun, wenn gegen eine neue Krankheit noch kein spezifisches Medikament existiert?
Mit dieser Frage sehen sich angesichts der grassierenden Corona-Pandemie auch die Mediziner des Universitätsspitals Zürich konfrontiert.
Ihnen bleibt laut Peter Steiger, dem stellvertretenden Direktor des Instituts für Intensivmedizin am Universitätsspital Zürich (USZ), nur, die Symptome zu lindern und den Patienten in dessen Selbstheilung zu unterstützten – mit Maschinen und Medikamenten. Neben erprobten Herangehensweisen wie ...
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Was tun, wenn gegen eine neue Krankheit noch kein spezifisches Medikament existiert?

Keystone/Alessandro Crinari

Weil gegen die vom neuen Coronavirus ausgelöste Krankheit kein spezifisches Medikament existiert, können die Ärzte nur die Symptome lindern und «den Patienten mit Medikamenten oder Maschinen in seiner Selbstheilung unterstützen», so Peter Steiger, stellvertretender Direktor des Instituts für Intensivmedizin am Universitätsspital Zürich (USZ). Das gilt für Betroffene auf der Normal- wie auf der Intensivstation.

Nahezu alle Patienten leiden an Atemnot. «Viele kann man mit Sauerstoff behandeln, andere müssen jedoch auf die Intensivstation verlegt und künstlich beatmet werden», so Steiger. Dann müssten auch immer Schlaf- und Schmerzmittel gegeben werden. «Häufig braucht es auch den Kreislauf unterstützende Mittel.»

Am USZ wie auch in anderen Spitälern im In- und Ausland komme jedoch nicht nur Erprobtes zur Bekämpfung der Symptome zum Einsatz, sondern auch sogenannt experimentelle Therapien, erklärt Steiger. Darunter zählen Medikamente, die eigentlich für ganz andere Krankheiten entwickelt und zugelassen wurden (siehe Bildstrecke oben).

Drei vielversprechende Kandidaten

«Vom Kaletra, einem alten HIV-Mittel, wird allgemein wie auch bei uns ein bisschen Abstand genommen. Gute Erfahrungen haben wir dagegen mit dem Malaria-Präparat Hydroxychloroquin gemacht», sagt Steiger. Das bekommen im USZ alle Intensivpatienten. Auch das Medikament Actemra von Roche, eigentlich eine Gelenkrheumatherapie, habe in Studien Wirkung gezeigt. Jedoch sei dieses bisher erst auf der Normalstation zum Einsatz gekommen.

Remdesivir, das gegen Ebola entwickelt wurde und noch nicht zugelassen sei, scheint am vielversprechendsten zu sein. Allerdings sei es nur schwer zu bekommen. «Wir haben es bisher erst einer Patientin verabreicht, deren Überlebenschancen wir eigentlich als gering eingeschätzt hatten.» Trotz der schlechten Vorzeichen habe diese mittlerweile auf die normale Station verlegt werden können. «Ob das am Remdesivir lag, ist extrem schwer zu sagen.» Dazu braucht es gross angelegte Studien mit vielen Probanden.

Internationale Studie

Aus diesem Grund hat die Weltgesundheitsorganisation WHO am 23. März 2020 die globale Solidarity-Studie lanciert, mit deren Hilfe «auf schnellstem Weg ein wirksames Mittel zur Behandlung von Covid-19» gefunden werden soll, wie unter anderem das «Ärzteblatt» berichtet. In dieser soll die Wirksamkeit von Remdesivir, der Wirkstoffe Lopinavir und Ritonavir (im HIV-Medikament Kaletra enthalten) und Hydroxychloroquin (ein Malariamittel ähnlich dem Chloroquin) in unterschiedlichen Kombinationen getestet werden (siehe Box).

Wie weit die Suche nach potenziellen Impfstoffes gegen Sars-CoV-2 fortgeschritten ist, erfahren Sie hier.

Update vom 25. März 2020:

In einer ersten Version dieses Artikels lautete der Titel «Schweizerin überlebt Covid-19 mit Ebola-Medi». Dieser sei irreführend gewesen, hält das Universitätsspital Zürich fest: Die Patienten erholte sich zwar nach der Gabe des Präparates, aber ob dies auf das Ebola-Medikament zurückzuführen ist, ist unklar. Ein Kausalzusammenhang kann nur durch eine klinische Studie mit vielen Probanden geprüft werden.

Kleine Schwesternstudie

Genau gleich aufgebaut ist auch die Discovery-Studie, die allerdings nur europäische Patienten berücksichtigt. Getestet werden sollen die vier Medikamente an 3200 Patienten, die in Spitälern in Frankreich, Deutschland, Belgien, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien und Grossbritannien aufgrund von Covid-19 behandelt werden. Das teilte das nationale französische Forschungs­zentrum Inserm mit.

Fast alle Organe betroffen

Im Unispital Zürich hat man gute Erfahrungen damit gemacht, die künstlich beatmeten Corona-Patienten auf den Bauch zu drehen. «Dadurch werden die betroffenen Lungenanteile besser mit Luft und damit mit Sauerstoff versorgt», erklärt der Mediziner. Sekret aus der Lunge müsse ausserdem abgesaugt werden.

Doch nicht nur in der Lunge richtet Sars-CoV-2 Schaden an. Das Virus kann in fast allen Organen nachgewiesen werden: «Viele Patienten leiden auch unter Nierenversagen und benötigen eine Dialyse.» Bei vielen seien zudem ansteigende Leberwerte, Durchfälle und Muskelzellzerfall oder Herzentzündungen zu beobachten.

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