Hoffnungsbarometer 2022 – Schweizerinnen und Schweizer sind so unsozial wie noch nie

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Hoffnungsbarometer 2022Schweizerinnen und Schweizer sind so unsozial wie noch nie

Die Menschen sind laut dem neuen Hoffnungsbarometer weniger hilfsbereit und halten weniger zusammen. Die soziale Verbundenheit sei auf ein Allzeittief gesunken, so der Studienautor.

Eine innigere Verbundenheit mit anderen Menschen erfuhren ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerungen 2021 nur in geringem Masse.
2021 hat die Hilfsbereitschaft anderen Menschen gegenüber mit 68 Prozent abgenommen, wie das Hoffnungsbarometer 2022 der Universität St. Gallen und Swissfuture (siehe Box) zeigt.
Die soziale Verbundenheit entwickelte sich 2021 bei zwei Drittel der Befragten nur geringfügig oder gar nicht positiv.
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Eine innigere Verbundenheit mit anderen Menschen erfuhren ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerungen 2021 nur in geringem Masse.

20min/Taddeo Cerletti

Darum gehts

Die Corona-Massnahmen und die Impfung spalteten die Schweiz 2021. Auf der einen Seite stand die «stille Mehrheit», die sich schnell impfen liess und in den Massnahmen einen raschen Weg aus der Krise sah. Auf der anderen Seite rebellierten die Massnahmenkritikerinnen und -kritiker gegen die «staatliche Diktatur» und den «Impfdruck». Das hat beim Zusammenhalt der Schweizerinnen und Schweizer Spuren hinterlassen.

«Die soziale Verbundenheit ist im Vergleich zu den Vorjahren aufgrund der Spaltung auf ein Allzeittief gesunken», sagt Andreas M. Krafft, Studienautor des aktuellen Hoffnungsbarometers, Zukunftsforscher und Vorstand von Swissfuture.

Nur noch 68 Prozent sind hilfsbereit

2021 hat die Hilfsbereitschaft anderen Menschen gegenüber mit 68 Prozent abgenommen, wie das Hoffnungsbarometer 2022 der Universität St. Gallen und Swissfuture (siehe Box) zeigt. Noch vor einem Jahr hatten die Schweizerinnen und Schweizer ein Herz voller Hilfsbereitschaft (siehe Box).

Eine innigere Verbundenheit mit anderen Menschen erfuhr ein Viertel bis ein Drittel der Bevölkerungen nur in geringem Masse. Lediglich 15,7 Prozent erlebten eine solche besonders stark.

Die soziale Verbundenheit entwickelte sich 2021 bei zwei Drittel der Befragten nur geringfügig oder gar nicht positiv. Lediglich für ein Drittel der Bevölkerung nahm die Verbundenheit mit anderen Menschen im Verlauf des Jahres spürbar zu. Im Vergleich dazu waren es in Portugal knapp 65 Prozent der Personen.

Dies wirkte sich auch auf die emotionale Unterstützung aus. Mehr als drei Viertel der Befragten fühlten sich in der Schweiz kaum oder gar nicht von anderen Menschen emotional getragen. 23 Prozent gaben an, sich ziemlich bis oft emotional unterstützt zu fühlen.

«Dieses Feuer ist weitgehend erloschen»

Laut dem Hoffnungsbarometer hat die Hilfsbereitschaft anderen Menschen gegenüber wieder abgenommen, weil die Belastung durch die Pandemie länger andauert und dadurch gesellschaftliche Spannungen entstanden sind.

Im Jahr 2020 hätten die Menschen noch ein ausgeprägtes Solidaritätsgefühl gehabt, um die Krise zu meistern, sagt Studienautor Andreas M. Krafft. «Nun ist dieses Feuer, ‹es gemeinsam zu packen›, weitgehend erloschen.» Nach bald zwei Jahren Pandemie seien die Menschen ernüchtert und Corona-müde. «Das führt oft dazu, dass man sich vorwiegend auf sich selbst konzentriert und von anderen mehr Verantwortung erwartet.»

Andere Länder seien solidarischer

An der Impffrage litten Freundschaften und Familien, sagt Krafft. Die Bevölkerung vertraue aufgrund der Meinungverschiedenheiten in solch grundsätzlichen Fragen anderen Menschen weniger. «In Folge kehrt man in sich zurück.»

In anderen Ländern hingegen bröckle die Solidarität weniger, sagt Krafft. «Zum Beispiel in Portugal ist die soziale Unterstützung nach wie vor gross.» Ein Grund dafür sei, dass eine grosse Mehrheit der Bevölkerung geimpft sei und deshalb weniger Spannungen entstünden.

Es brauche Verbundenheit und Geborgenheit

Krafft bedauert die Entwicklung. «In der jetzigen Situation müssen wir Menschen mit anderen Meinungen umso mehr Verständnis und Respekt entgegenbringen.» Viele Menschen fühlten sich alleine gelassen. «Um den notwendigen Gemeinschaftssinn wieder herzustellen, braucht es eine gewisse Verbundenheit und Geborgenheit.»

Auch Bundespräsident Ignazio Cassis (FDP) bereitet die Polarisierung Sorgen. Die Vielfalt der Schweiz sei deshalb ein zentrales Anliegen seines Präsidialjahres sagte er zum «Sonntagsblick».

2020 war Bevölkerung sozialer

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