Zürcher Jade-Club«Security sagte, wir sollen aufhören, so zu tanzen»
An einer Latin-Party wurde eine Feiernde von einem Security angesprochen. Wenn sie so tanze, solle sie sich nicht wundern, wenn sie sexuell belästigt werde.
Ausgelassen zu feiern – mit diesem Plan sind vier Baslerinnen vor kurzem nach Zürich gefahren. Ihr Ziel: die Noche Caliente im Jade Club. Die Stimmung war grossartig, aus den Boxen dröhnte Latin-Sound, die Freundinnen schwangen ihre Hüfte dazu – bis plötzlich ein Security auftauchte. «Er meinte, ich solle aufhören zu tanzen, das gehöre sich nicht», sagt B. N.* Die 29-Jährige fiel aus allen Wolken. Sie habe passend zu Reggaeton getanzt, wie es an Latin-Partys üblich sei.
«So ähnlich haben wir getanzt», sagt N. (Quelle: Youtube/Daddy Yankee)
«Es ist nicht in Ordnung, wenn ein Security-Mitarbeiter zu mir sagt: ‹Hör mal zu, wenn ihr so weitertanzt, dann müsst ihr euch nicht wundern, dass euch Männer an den Arsch fassen und euch auf dem Heimweg auflauern›», sagt die KV-Angestellte. «Oder: ‹Ihr müsst dann nicht zu den Securitys klagen kommen, dass ihr begrapscht wurdet, denn ihr seid selber schuld.›»
N. schrieb eine Beschwerde-E-Mail an der Betreiber des Clubs. Sie schilderte ihren Fall und erklärte, was sie am meisten gestört hat: «Das Sicherheitspersonal spielt im Nachtleben eine wichtige Rolle und sollte gerade bei sexuellen Übergriffen eingreifen und nicht die Gäste auf Grund des Tanzstils verurteilen. Das ist das Gleiche, wie wenn jemand als Rechtfertigung sagt: ‹Du hattest ein aufreizendes Kleid an, deshalb wurdest du vergewaltigt.›»
Hier zeigt sich die Lebensfreude, die zu dem Tanzstil dazu gehört. (Quelle: Youtube/ XpressMusic TV)
Club redet von einem Missverständnis
Von einem «Missverständnis» spricht derweil Club-Sprecherin Corina Freudiger: «Der Security-Mitarbeiter hat die Frau tatsächlich angesprochen, aber um sie vor Übergriffen zu schützen. Er bestreitet, gesagt zu haben, dass sie sich nicht wundern sollten, wenn ihnen auf dem Heimweg aufgelauert werde.» Laut dem Mitarbeiter habe die Gruppe an einem Ort getanzt, an dem viele Feiernde vorbeilaufen müssen. «Deshalb habe er sie zu einem Ortswechsel aufgefordert.»
In gewissen Teilen des Clubs könne es eben eng werden, wodurch es auch zu ungewolltem Körperkontakt komme. Die Securitys seien daher darin geschult, solche Situationen frühzeitig zu erkennen und präventiv zu handeln, auch damit solche Engpässe nicht von potenziellen Tätern als Ausrede für sexuelle Übergriffe missbraucht werden.
«Keine Einladung für sexuelle Handlungen»
Laut Elja-Dusa Kedves, Tanzlehrerin im Tanzwerk101, handelt es sich beim Reggaeton zwar um eine Art Balztanz, zu dem neben sportlichen Moves aus dem Hip-Hop auch laszive Bewegungen gehören. «Trotzdem ist das keine Einladung zu sexuellen Handlungen.» Frauen wollten dabei ihrem Bewegungsdrang freien Lauf lassen und sich selbst schön finden.
Sie schränkt jedoch ein, dass diese Art des Tanzes nicht überall passend ist: «An einem Latin-Event oder in einer Tanzschule wird natürlich so getanzt, da ist Kritik unangebracht», erklärt sie. «Auf der Strasse wäre das etwas anderes. Ich denke, dass sich die Frauen immer der Situation bewusst sein sollten, in der sie sich befinden, und wer das Publikum ist.»
«In diesem Clip sieht man die Perfektion der Tanztechnik» (Quelle: Youtube/Inga Fominykh)
Unterdessen hat es eine Aussprache zwischen der Partybesucherin N. und dem Club gegeben. «Sie haben sich entschuldigt, dass es zu dem Missverständnis kommen konnte, und ihre Sichtweise erklärt», sagt N. Für sie sei die Sache damit erledigt. «Ich hoffe aber, dass es nicht wieder dazu kommt, dass sich Frauen so verurteilt fühlen.»