Selbstmord als Gipfel der Coolness

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Selbstmord als Gipfel der Coolness

Eine Serie mysteriöser Selbstmorde von Jugendlichen sorgt in Grossbritannien für Unruhe. Auf der Suche nach Internet-Ruhm haben sich innerhalb eines Jahres in einem walisischen
Städtchen sieben Teenager umgebracht.

Das neuste Opfer der Suizidreihe ist die 17-jährige Natasha Randall. Die angehende Kindergärtnerin erhängte sich vergangene Woche. Innerhalb von 24 Stunden schnitten sich zwei Freundinnen von Natasha die Pulsadern auf – beide überlebten nur knapp. In den Monaten zuvor hatten sich sechs weitere Jugendliche aus Natashas Umfeld das Leben genommen.

Die Opfer haben eines gemeinsam: Sie lebten im walisischen Städtchen Bridgend und waren Mitglied der Online-Community Bebo, auf der sie sich täglich mehrere Stunden aufhielten. Begonnen hatte die düstere Serie im Januar 2007. Damals war der Leichnam eines 18-Jährigen in einem leerstehenden Haus gefunden wurde. Laut der Polizei könnte Bebo der Auslöser für die Selbstmord-Reihe sein. Da die meisten der 17 bis 27 Jahre alten Opfer einander kannten und das in der vergangenen Woche gefundene Mädchen mit «Ruhe in Frieden, Clarky» eine Botschaft an einen der früheren Selbstmörder auf dem Internet-Kontaktforum Bebo hinterlassen hatte, will die Polizei jetzt den Computer der 17-Jährigen durchforsten.

Stirbt ein User der Community, erhält er von seinen Online-Freunden einen virtuellen Totenschrein, inklusive Trauerbotschaften, Fotos und Videoclips. Für die Kids sei eine solche virtuelle Gedenktafel der Gipfel der Coolness, so ein Detektiv. Die Polizei hat die Eltern von weiteren Bebo-Teenagern kontaktiert – mit der Bitte, den Internet-Konsum ihrer Kinder genau zu überwachen.

Gefühl für wirklichen Verlust verloren

Es sei «vollkommen verrückt» sich vorzustellen, dass eine solche Erinnerungsseite der Grund für einen Selbstmord sei, sagte die Parlamentsabgeordnete von Bridgend, Madeleine Moon, der BBC. Sie befürchte, dass diesen Jugendlichen bei ihrem Eintritt in die virtuelle Welt auf Seiten wie Bebo das Gefühl für wirklichen Verlust verloren ginge.

«Ich verstehe das nicht», gab der Polizist Philip Walters zu, der die Untersuchungen der drei ersten Selbstmorde der Serie leitete. Einen konkreten Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen der Serie und den Internet-Kontaktseiten gebe es nicht. Die Foren seien von überall zugänglich, warum sollten sie also gerade in Bridgend diese Vorfälle auslösen, fragte Walters. Bei bisherigen Befragungen sei keine dieser Seiten erwähnt worden.

Wie ein «dummer Modetrend»

Die Eltern der Jugendlichen stehen ebenso vor einem Rätsel wie die Polizei. Der Vater des «Clarky» genannten Jungen sagte in einem am Mittwoch erschienenen Interview der «Daily Mail», diese Selbstmorde seien «sehr seltsam». «Wir wissen einfach nicht, was da los ist. Das ist seltsam, dass es so viele Selbstmorde in Bridgend gibt, und dass sie sich offenbar alle kannten. Wir wissen nicht, ob das vielleicht eine abstruse Sekte oder ein kollektiver Selbstmord oder eine Art seltsamer Selbstmordpakt ist», sagte Kevin Clarke der Zeitung. Es sei wie ein «dummer Modetrend», sagte die Mutter eines der toten Jugendlichen. Sie alle schienen sich zu kopieren.

Nach dem jüngsten Selbstmord hinterliessen Freunde Nachrichten für das 17-jährige Mädchen. In einer hiess es: «Hey Süsse! Gucke nur kurz vorbei um zu sagen, dass ich meinen Ballon mit einer Nachricht darauf losgelassen habe. Hoffe, du hast ihn bekommen und er hat dich dort oben zum Lachen gebracht.»

(phz/sda)

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