
Die Apple Watch ist der ständige Begleiter von Redaktorin Letizia Vecchio. Ihre «Gefühle» ihr gegenüber: zwischen Faszination und dem Eindruck, überwacht zu werden.
20 Minuten/ Michael ScherrerSelbstversuchÜberwacher oder Gesundheitscoach? 24 Stunden mit der Apple Watch
Lange hat sich Redaktorin Letizia Vecchio auf ihre neue Smartwatch und die Fülle an Funktionen gefreut. Schnell fällt aber auf: Die Uhr bemerkt wirklich alles – will man das?
Die Apple Watch Series 8 soll in Zukunft mein ständiger Begleiter im Alltag und vor allem während des Sports sein. Meine Wahl fiel auf die Apple Watch, denn mit der lassen sich nicht nur zahlreiche Sport-Aktivitäten aufzeichnen, sondern die Uhr trackt auch Vitalparameter wie den Blutsauerstoffgehalt, Herzfrequenz, Körpertemperatur und Atemfrequenz.
18 Uhr – mein Blutsauerstoff macht mich nervös
Eine der ersten Funktionen, die mich faszinieren: Die Messung des Blutsauerstoffgehalts – Normalwerte liegen hier bei 95 bis 99 Prozent. Ab 94 Prozent spricht man bereits von einem erniedrigten Wert, der sofortiges Handeln erfordert – meiner liegt aber bei nur 92 Prozent. Panisch schreibe ich meinem Onkel – er ist Arzt. Die Antwort folgt schnell und knapp: «Halte ich für nicht plausibel, kauf dir lieber ein Pulsoxymeter zum Gegenchecken».
Bevor ich das tue, suche ich aber erstmal nach Studien, in denen getestet wird, wie verlässlich die Uhr bei der Messung überhaupt ist – und siehe da, für die Apple Watch 6 wird laut einer Studie eine 0,0-prozentige Abweichung zu einem gängigen Pulsoxymeter angegeben. Ein beunruhigender Fakt, den ich lieber ignoriere.
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3 Uhr – «Zeit, sich eine Minute zu bewegen»
Nachts trage ich nie eine Uhr – zum Testen mache ich aber eine Ausnahme. Denn die Smart Watch soll schliesslich auch die Qualität meines Schlafs tracken, der sich von meinem Puls und meiner Atemfrequenz ableiten lässt. Mein Fehler: Ich sage der Uhr nicht, dass ich schlafe. Deswegen bekomme ich mitten in der Nacht eine Push-Nachricht, weil ich ihr offensichtlich zu lange auf der faulen Haut gelegen habe. «Zeit, sich eine Minute zu bewegen», steht da. «Auf keinen Fall», denke ich und drehe mich noch mal rum.
In der Folgenacht will ich es besser machen: Ich sage der Uhr, dass ich gegen 22 Uhr schlafen gehe und um sechs Uhr aufstehe. Als ich schon um 05.40 Uhr auf dem WC sitze, bemerkt sie die Abweichung: «Du scheinst wach zu sein – stimmt das?». Ich drücke «ja» und frage mich, ob ich meine Privatsphäre schon jetzt komplett aufgegeben habe.
12 Uhr – Lob fürs gründliche Händewaschen
Ich fahre wie immer mit dem Velo zur Arbeit, und natürlich entgeht der Uhr auch das nicht. «Du scheinst zu trainieren (Radfahren) – möchtest du die Aktivität aufzeichnen?». Nein, will ich nicht, denn die zehn Minuten, die ich unterwegs bin, zählen für mich nicht als Trainingseinheit. Ich laufe die Treppen hoch in den fünften Stock – und auch das erkennt die Uhr. Ich werde es später in der Health App nachverfolgen können.
Als ich während der Arbeit aufs WC gehe und mir anschliessend die Hände wasche, sehe ich einen Timer auf dem Display aufpoppen– nach 20 Sekunden waschen steht «Gut gemacht» da. Ich habe also die Standards eines guten Händewaschens erfüllt. Einerseits freue ich mich, ertappe mich aber auch während des gesamten Tages dabei, dass ich auf die Gratulation meiner Uhr warte. Sie verpasst keine einzige meiner Handwäschen – was ich als faszinierend, aber auch als sehr kontrollierend empfinde.
17 Uhr – in der Badi ist es wohl zu laut
Es ist ein brütend heisser Tag, an dem man eigentlich nur eines machen kann: in die Badi gehen. Doof nur, dass halb Zürich offenbar dieselbe Idee hatte: Im Seebad Utoquai ist es brechend voll. Als ich ins Wasser gehe und den Arm untertauche, geht die Uhr in eine Art Schock-Modus, bei der sie auf mein Antippen nicht mehr reagiert. Was sie natürlich nicht daran hindert, weiter mit mir zu kommunizieren: «Laute Umgebung: Der Lautstärkepegel hat 90 Dezibel erreicht. Schon nach 30 Minuten kann dieser Pegel zu temporärem Gehörverlust führen», sagt sie mir. «Könnte an den vielen Leuten im Wasser liegen», denke ich und schwimme schnell wieder an Land.
Fazit des Selbstversuchs
Keine Frage, so eine Smart Watch ist ein Wunderwerk der Technik. Als ich einer Freundin von meinen Beobachtungen erzähle, lacht sie und sagt «Irgendwann werden wir keine Ärztinnen und Ärzte mehr brauchen.» Ob das stimmt, bezweifle ich – aber die Uhr kann sicher dazu beitragen, ein gesünderes Leben zu führen und auf eventuelle Mängel hinweisen.
Dennoch – oft kam es mir vor, als hätte ich mir einen kleinen Überwacher um mein Handgelenk gelegt. Zum Glück lassen sich sämtliche Tracking-Funktionen auch ausstellen. Für meinen eigentlichen Zweck, den Sport, habe ich sie in der Zwischenzeit öfter genutzt – und war absolut zufrieden.
Was sind deine Erfahrungen mit Smart Watches? Fühlst du dich von ihnen kontrolliert oder gefällt es dir, dich im Alltag von einem solchen Gadget begleiten zu lassen?