Nach Pandemie-UmsatzeinbruchSexarbeiterinnen buhlen mit Corona-Impfstatus um Freier
Um Freier anzulocken, werben Sexarbeiterinnen nun mit der Corona-Impfung. Mit Erfolg: Inserate von Geimpften werden doppelt so häufig angeklickt, heisst es bei einer Erotikplattform.
Darum gehts
Weil die Erotikbranche stark von Corona getroffen wurde, werben Sexclub-Betreiber nun mit dem Impfstatus ihrer Mitarbeiterinnen um neue Kunden.
«Die Freier fühlen sich sicherer so», sagt Sexarbeiterin Denisa.
Auf dem Erotikportal «Sex-Navi» gibt es «Covid-zertifizierte» Inserate: «Diese werden mehr als doppelt so oft angeschaut», sagt Geschäftsführer Marco Block.
Beatrice Bänninger von der Beratungsstelle «Isla Victoria» kritisiert die Praxis: «Das führt zu einem indirekten Impfzwang für Sexarbeitende.»
Für Sexarbeitende ist die Pandemie eine besonders schwierige Zeit (siehe Box). Die Corona-Massnahmen treffen sie sehr hart, viele Kunden nehmen ihre Dienste nicht mehr in Anspruch. In Etablissements mit Restaurationsbetrieb gilt zudem seit rund einem Monat schweizweit die Zertifikatspflicht.
Um das Geschäft wieder anzukurbeln, werben Betriebe und Sexarbeiterinnen nun mit ihrem Impfstatus. Eine von ihnen ist Denisa*, die schon lange in der Branche tätig ist. Viele Kunden seien glücklich, dass sie geimpft sei: «Sie fühlen sich sicherer so», sagt sie.
«Kunden fühlen sich sicherer»
Die 34-Jährige ist seit zehn Jahren in der «Villa 45» in Wetzikon ZH angestellt. Der Club wirbt auf seiner Website damit, dass alle Frauen geimpft seien: «Seit ungefähr einem Monat machen wir das so», sagt Betreiber I.M.* Er zieht eine positive Zwischenbilanz: «Es kommen wieder mehr Kunden.» Viele fühlten sich sicherer, wenn die Frauen geimpft seien.
Ohne Zertifikat komme man nicht in seinen Club, so M. weiter. Das schrecke aber natürlich auch ab: «Wir haben immer noch einige Stammkunden, die nicht an die Gefährlichkeit des Virus glauben.»
Die «Villa 45» ist nicht der einzige Club, der den Impfstatus seiner Sexarbeitenden offen kommuniziert: So weisen etwa auch zwei Betriebe in Luzern darauf hin, dass ihre Mitarbeitenden geimpft seien. M. rechnet damit, dass weitere nachziehen: «Immer mehr Clubs werden mit dem Impfstatus ihrer Frauen werben.»
Zertifizierte Erotik-Inserate
Auch auf dem Erotikportal «Sex-Navi» kann man neu «Covid-zertifizierte Inserate» für «mehr Sicherheit, Gesundheit und Transparenz» schalten, wie es heisst. Laut Geschäftsführer Marco Block ist man das einzige Portal, das diesen Service anbietet: «Es ist sehr gut angekommen, wir haben bereits über 100 zertifizierte Inserate.»
Die Impfzertifikate würden vom Aussendienst seiner Firma rigoros kontrolliert und mit Ausweisdokumenten abgeglichen, so Block. Grundsätzlich sei es auch als Genesene oder Getestete möglich, ein zertifiziertes Inserat zu schalten: «Bisher haben wir aber nur Geimpfte auf unserer Seite.»
Mehr Dienstleistungen wegen Einsamkeit?
Die Rückmeldungen aus der Branche seien positiv, sagt Block. Denn: «Viele berichten von sehr verunsicherten Gästen.» Dass der Impfstatus mehr Klarheit schaffe, könne er auch an seinen Klickzahlen ablesen: «Inserate von Geimpften werden derzeit mehr als doppelt so oft angeschaut wie vor der Zertifizierung.»
Generell habe er seit der Pandemie viel mehr User auf seiner Seite, sagt Block: «Das könnte auch daran liegen, dass während Corona die Einsamkeit zugenommen hat.» Viele würden nun vermehrt sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen.
*Namen bekannt
«Der Impfstatus als Marketing-Instrument ist problematisch»

Beatrice Bänninger hat oft mit Sexarbeitenden zu tun.
privatFrau Bänninger*, was halten Sie davon, dass Sexarbeitende ihren Corona-Impfstatus offenlegen?
Ich finde es problematisch, dass Betreiber von Sexclubs das als Marketing-Instrument nutzen – auch wenn ich persönlich der Impfung gegenüber positiv eingestellt bin. Dennoch führt diese Entwicklung zu einem indirekten Impfzwang für Sexarbeitende. Es ist diskriminierend, dass sie nun als einzige Berufsgruppe damit werben müssen.
Wie stehen Sexarbeitende Ihrer Erfahrung nach zur Corona-Impfung?
Ihre Gesundheit ist ihr Kapital. Darum reagieren sie sehr sensibel auf solche Themen. Sie sind grossmehrheitlich geimpft. Genaue Zahlen dazu gibt es aber nicht.
Was sind die grössten Probleme von Sexarbeiterinnen während der Pandemie?
Sie sind von den Corona-Massnahmen besonders betroffen. Ihre Arbeit besteht aus körperlicher Nähe, da ist die Angst vor einem Virus extrem geschäftsschädigend. Viele Kunden kommen nicht mehr, die Umsätze sind eingebrochen. Allein in der Stadt Zürich gibt es 17 Erotik-Betriebe weniger als vor der Pandemie. Die Sexarbeit verlagert sich vermehrt in Airbnbs oder Privatwohnungen. Damit werden die Frauen ausgelieferter und schutzloser.
*Beatrice Bänninger leitet die Beratungsstelle «Isla Victoria», die zu «Solidara Zürich» gehört.