Von Vorgesetzten bedrängt - «Sexismus ist eine Realität, mit der viele Frauen in der Armee konfrontiert sind»

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Von Vorgesetzten bedrängt«Sexismus ist eine Realität, mit der viele Frauen in der Armee konfrontiert sind»

Immer wieder sind Frauen im Militär von sexueller Belästigung betroffen. Dokumente von Zwischenfällen und Gespräche mit weiblichen Armeeangehörigen zeichnen ein schlechtes Bild.

von
fos
Frauen werden in der Schweizer Armee immer wieder mit Sexismus konfrontiert.
Strafbescheide und Urteile der Militärjustiz zeichnen ein schlechtes Bild.
In einer Rekrutenschule ist es zu einem Vorfall in einer Waffenkammer zwischen dem Hauptfeldweibel und einer Rekrutin gekommen.
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Frauen werden in der Schweizer Armee immer wieder mit Sexismus konfrontiert.

LAB

Darum gehts

  • In der Schweizer Armee existiert Sexismus, wie diverse Urteile und Strafbescheide zeigen.

  • Armee-Dienstleistende sagen, dass der Donnerstag der schlimmste Tag sei.

  • Die Armeeführung selbst distanziert sich klar von physischer und psychischer Gewalt gegen Frauen.

Es gibt keine offiziellen Zahlen. Zumindest noch nicht. Doch das der Sexismus in der Armee existiert, daran gibt es für Caroline Weibel, Zugführerin im Infanteriebataillon 20, keinen Zweifel: «Sexismus ist eine Realität, mit der sehr viele Frauen in der Armee konfrontiert sind. Öfter, als man denkt», wie sie gegenüber dem «Tagesanzeiger» sagt.

Weibel ist Sprecherin einer Gruppe von Frauen, die sich FiT nennt, kurz für «Frauen im Tarnanzug». Zu dieser Gruppierung gehören 120 Frauen, die in der Armee dienen. Sie alle stehen für ein «starkes und modernes Frauenbild» ein. Wichtig sei ihnen auch Respekt und Gleichheit im Dienst. Letzteres komme leider oft zu kurz. «Was es dringend braucht, ist ein Umdenken», so die 27-jährige Weibel.

Dokumente von Zwischenfällen und Gespräche mit weiblichen Armeeangehörigen zeichnen ein schlechtes Bild. Es gibt diverse Strafbescheide und Urteile der Militärjustiz, in denen sexuelle Belästigung im Vordergrund stehen.

Vorfall in der Waffenkammer

Michael S. (alle Namen geändert) ist Hauptfeldweibel in der Rekrutenschule. Er ist zuständig für den Reinigungsplan, für einen pünktlichen Arbeitsbeginn und für die Aufbewahrung der Waffen in der Infanterie-Rekrutenschule.

Dabei ist es in der Waffenkammer zu einem Vorfall mit einer Rekrutin gekommen. Die Armeeangehörige F. wollte beim Hauptfeldweibel ihre Waffe abholen. Der Vorgesetzte S. schliesst die Waffenkammer ab und sagt der Rekrutin fadengerade ins Gesicht: «Wenn ich Ihnen jetzt einen Befehl geben würde, wäre es dieser, dass Sie Ihre Hose runterlassen müssen.» Laut Gerichtsakte kommt postwendend noch eine weitere Bemerkung dazu: «Wissen Sie, wie lange ich schon keine Frau mehr angefasst habe?»

Die Rekrutin hat sich «unwohl, belästigt und bedrängt» gefühlt. Sie hatte Angst vor einem Übergriff. Der Hauptfeldweibel hat sie nach einigen Minuten mit den Worten «Nein, nein, isch scho guet» aus der Waffenkammer entlassen.

Armee duldet keinerlei Gewalt gegen Frauen

Laut Gerichtsakte ist dieser Vorfall nicht der einzige gewesen. Hauptfeldweibel S. ist immer wieder negativ aufgefallen. Er mobbte eine weibliche Armeeangehörige, zeigte Soldatinnen Bilder von nackten Frauen. Er machte weiter, selbst nachdem ihn ein Vorgesetzter zurechtgewiesen hat. Wegen sexueller Belästigung und der Verletzung von Dienstvorschriften wird S. zu einer Geldstrafe von 600 Franken und einer Busse von 2200 Franken verurteilt. Vorerst wird er nicht mehr zum Dienst aufgeboten.

Dies ist nur einer von unzähligen Fällen von Sexismus in der Armee. Physische oder psychische Gewalt gegen Frauen, Diskriminierung und Sexismus würden im Militär nicht toleriert, versichert die Armeeführung. Aufarbeitungsbedarf gibt es trotzdem. Verteidigungsministerin Viola Amherd hat einen Inspektionsbericht in Auftrag gegeben, der einen unmissverständlichen Verhaltenskodex und eine Sanktionsskala fordert.

«Wenn jemand sagt, das geht mir zu weit, ist das zu respektieren»

Armee-Dienstleistende sagen, dass der Donnerstag der schlimmste Tag sei. Dann gebe es am meisten Vorfälle, weil die Testosteron-Werte der Männer dann am höchsten seien.

Es sei aber nicht überall gleich grosser Alltagssexismus wahrzunehmen. «Mit Männern, die sich im Zivilleben an gängigen Verhaltensregeln orientieren, gibt es kaum Probleme», sagt Marina Veil, Fachexpertin für Diversity in der Armee.

Es sollten aber nicht die Männer sein, welche die Grenzen setzen sollen, sondern die Betroffenen von Sexismus. «Wenn jemand sagt, das geht mir zu weit, ist das zu respektieren», sagt die Diversity-Beauftragte.

Wirst du oder wird jemand, den du kennst, sexuell belästigt?

Hier findest du Hilfe:

Belästigt.ch, Onlineberatung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

Verzeichnis von Anlaufstellen

Beratungsstellen der Opferhilfe Schweiz

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