Shaqiri im Interview«Gebe alles, aber jubeln werde ich bei einem Tor nicht»
Für Xherdan Shaqiri kommt es im EM-Quali-Spiel gegen Kosovo zum Aufeinandertreffen mit seinem Geburtsland. Im Vorfeld spricht der Nati-Star ausführlich über das besondere Duell.
Darum gehts
Xherdan Shaqiri hat sich vor dem WM-Spiel gegen Kosovo den Medien gestellt.
Er spricht über die Partie, seine Nati-Karriere und auch die MLS.
Viele Familienangehörige werden im Stadion sein.
Xherdan Shaqiri, mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das EM-Quali-Spiel gegen Kosovo?
Es wird ein sehr spezielles Spiel für mich. Ich bin in diesem Land geboren und habe viele Familienangehörige dort. Meine Eltern haben beide neun Geschwister. Sie können sich vorstellen, wie viele Cousinen und Cousins ich habe. Ich musste über 50 Tickets organisieren.
Wem drücken Ihre Familienangehörigen die Daumen?
Gute Frage. Normalerweise sollten sie schon für mich sein. (lacht) Die Hauptsache ist aber, dass sie das Spiel geniessen können. Für viele ist es nicht möglich, nach Westeuropa zu kommen, um hier Spiele live im Stadion zu verfolgen.
Haben Sie mal überlegt, wie Ihr Leben aussehen würde, wenn Sie nicht mit einem Jahr in die Schweiz gekommen wären?
Darüber habe ich mir schon mehrfach Gedanken gemacht. Ich wurde 1991 noch vor dem Krieg geboren. Mit acht Jahren wäre ich dann wahrscheinlich geflüchtet. Ich denke, es wäre schwierig gewesen, die gleiche Karriere zu machen.
Was löst die Reise in den Kosovo in Ihnen aus?
Viele gute Gefühle. Ich habe nicht vergessen, woher ich komme. Nach der Saison, wenn ich etwas Zeit habe, werde ich sicher wieder dorthin reisen.
Als der kosovarische Verband 2016 gegründet wurde, gab es da Überlegungen für einen Nationenwechsel?
Ich habe mich damals sehr gefreut, dass der Kosovo endlich eine Nationalmannschaft hat. Es gab Gespräche mit dem kosovarischen Verband, da muss ich nicht lügen. Für mich hatte sich das aber schnell erledigt, da ich in der Schweizer Nationalmannschaft immer sehr zufrieden gewesen bin.
Würden Sie bei einem Treffer jubeln?
Ich habe viele Nachrichten erhalten, dass ich kein Tor schiessen soll. Ich bin aber Sportler und werde alles für die Schweiz geben. Aber jubeln werde ich bei einem Tor aus Respekt vor dem Kosovo nicht – das sollen meine Teamkollegen übernehmen.
Schiesst Shaqiri gegen Kosovo ein Tor?
Wie beurteilen Sie die bisherigen Quali-Auftritte von Kosovo? In den ersten vier Spielen gab es noch keinen Sieg.
Ich habe mir die Spiele angeschaut und war sehr überrascht. Gerade die Resultate in den Heimspielen habe ich so nicht erwartet. Wenn man die Qualität der Mannschaft sieht, war das zu wenig. Mit diesen Spielern dürfen und müssen sie grössere Ambitionen haben. Ich bin aber zuversichtlich, dass sie mit neuem Trainer anders auftreten werden.
Wie werden Sie im Kosovo empfangen werden?
Ich denke, sehr gut. Beim Testspiel in Zürich haben wir bereits einen ersten Eindruck erhalten. Allen wird man es nie recht machen können. Wenn 95 Prozent im Stadion dich mögen, gibt es immer noch einige Prozente, die das nicht tun.
Will nicht als Schweizer Rekordspieler in Erinnerung bleiben.
Wie beurteilen Sie Ihre Wahrnehmung in der Schweiz?
Mir war es immer wichtig, authentisch zu sein und ich selbst zu bleiben. Ich glaube, damit bin ich bei den Leuten immer sehr gut angekommen. Es freut mich, dass die Leute immer sehr positiv auf mich reagieren. Es ist auch schon vorgekommen, dass ich um vier Uhr morgens an einer Tankstelle ein Selfie machen musste. Auch Leute unter Alkoholeinfluss scheinen mich also noch zu erkennen. (lacht)
Gegen Kosovo werden Sie Ihr 115. Länderspiel absolvieren. Gemeinsam mit Granit Xhaka (115) jagen Sie den Rekord von Heinz Hermann (118). Was würde Ihnen diese Marke bedeuten?
Das wäre sicher etwas Schönes, es ist aber nicht mein grosses Ziel. Ich will nicht als Schweizer Rekordspieler in Erinnerung bleiben, sondern spezieller und vor allem als einer der besten Spieler der Schweiz.
Ist der EM-Titel 2024 vielleicht insgeheim auch ein Ziel?
Wenn du dich immer für jedes grosse Turnier qualifizierst, träumst du natürlich auch irgendwann von einem Titel. Für einen Titel braucht es aber 25 Spieler auf höchstem Niveau und auch etwas Glück. Darum müssen wir immer schön am Boden bleiben, so wie wir Schweizer halt auch sind.
Shaqiri zauberte gegen Rumänien.
SRFWie viele grosse Turniere haben Sie noch in den Beinen? Ist die WM 2026 im Hinterkopf?
Ich fühle mich gut und komme immer gern hier zur Nationalmannschaft. Aber ich lebe auch von Tag zu Tag und schaue nicht gern allzu weit nach vorn. Jetzt konzentriere ich mich auf die EM-Quali. Klar ist, mit dem Alter muss man jeden Tag noch mehr machen, um fit zu bleiben.
Kommen wir noch kurz auf die MLS zu sprechen. Wie haben Sie den Hype um Lionel Messi in den letzten Wochen erlebt?
Der Effekt von Messi ist riesig, die Zuschauerzahlen nehmen immer mehr zu. Aber auch sportlich sieht man die Auswirkungen. Plötzlich glänzen bei Inter Miami nun Spieler, die vorher kaum zu sehen waren. Man sieht, was einige wenige Spieler mit einer Mannschaft anstellen können. Ich bin überzeugt, es werden weitere grosse Spieler nachziehen.
Aktuell wechseln viele Topspieler aber lieber nach Saudiarabien. Wäre das auch für Sie eine Option?
Im Moment mache ich mir gar keine Gedanken darüber. Ich fühle mich sehr wohl in den USA und die MLS macht weiter Fortschritte. Man weiss nie, was die Zukunft bringt, aber aktuell bin ich sehr zufrieden in Chicago.
*Dieses Interview wurde im Rahmen einer Medienrunde aufgezeichnet.

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20min/Ela ÇelikDein tägliches Sport-Update
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