Negative Bewertung: Onlineshop droht Kundin mit Strafanzeige

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Shopping-FrustOnlineshop droht Kundin nach negativer Bewertung mit Strafanzeige

Einschüchterungsversuch oder Massnahme gegen Unterstellungen? Ein Rechtsexperte ordnet das Vorgehen eines Shops gegen Onlinekritik ein.

Eine Kundin war unzufrieden mit dem Service eines Onlineshops.
Die Lieferung erhielt sie erst nach zweieinhalb Wochen, den Kundenservice erreichte sie nicht.
Darüber schrieb sie auf Trustpilot.
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Eine Kundin war unzufrieden mit dem Service eines Onlineshops.

20min/Marco Zangger

Onlinekritik: Darum gehts

  • Eine Kundin beschwert sich über lange Lieferzeiten und schlechten Kundenservice bei einem Onlineshop.

  • Nach ihrer negativen Bewertung auf Trustpilot droht der Shop mit einer Strafanzeige.

  • Ein Rechtsexperte sagt, dass die Kritik keine strafbare Ehrverletzung darstellt.

Nach dem Onlinekauf folgt der Ärger. News-Scout S.* kaufte ein Puzzle per Vorkasse mit A-Post. Doch als das Produkt nach fünf Tagen noch nicht eintraf, versuchte die Leserin, den Onlineshop puzzle-welt.ch mehrmals per Mail und Telefon zu kontaktieren.

«Leider nahm niemand meinen Anruf entgegen, und ich erhielt keinerlei Rückmeldung», sagt S. zu 20 Minuten. Nach neun Tagen erhielt sie eine Mail mit der Versandbestätigung. Nochmals eine Woche später habe sie das Paket dann erhalten, insgesamt zweieinhalb Wochen nach dem Kauf.

Die lange Lieferzeit habe sie geärgert. «Doch inakzeptabel fand ich, dass der Kundenservice nicht erreichbar war», sagt S. Sie hinterliess eine negative Bewertung auf Trustpilot. Dort schreibt sie, auf ihre Anfragen habe nie jemand geantwortet und bei der Kundenhotline nehme niemand ab.

Die Firma hat dort einen Bewertungsschnitt von 2,6 von fünf möglichen Sternen. Weitere Kritiker bemängeln den «nicht vorhandenen» Kundendienst.

Beitrag löschen, sonst droht Strafanzeige

Doch nun meldete sich der Kundenservice bei ihr per Mail. Darin stand, sie verbreite falsche Informationen über den Shop. Weiter heisst es: «Bitte löschen Sie den Eintrag innert zehn Tagen und vermeiden Sie so eine Strafanzeige wegen Geschäftsschädigung. Nach Ablauf der Frist ohne Anpassung werden wir sofort Strafanzeige gegen Sie einreichen.»

Sie hält das Vorgehen für fragwürdig und will andere warnen. «Das ist ein Einschüchterungsversuch, mit dem man mich zum Schweigen bringen will.» Sie fragt sich, ob es überhaupt erlaubt ist, dass Onlineshops ihre Kundinnen und Kunden unter Druck setzen, wenn diese über ihre Erfahrungen berichten.

Das sagt der Onlineshop-Betreiber

20 Minuten fragte beim Inhaber des Shops Didier Mosimann nach, warum er mit Strafanzeigen droht. Er sagt: «Wir gehen nur gegen Bewertungen vor, die nicht stimmen. Es gibt zum Teil schwere Anschuldigungen gegen uns, die unserem Geschäft schaden. Manche schreiben von Betrug, dabei haben wir geliefert. Dagegen müssen wir uns wehren.»

Der Shop puzzle-welt.ch wehrt sich gegen Onlinekritik mit Strafanzeigen.

Der Shop puzzle-welt.ch wehrt sich gegen Onlinekritik mit Strafanzeigen.

Screenshot puzzle-welt.ch

Bei der Kritik der Leserin sei es eine Unterstellung, dass bei Anrufen nie jemand abnimmt. «Wir waren vielleicht in diesem Moment nicht erreichbar, aber grundsätzlich sind wir für die Kundinnen und Kunden da», sagt Mosimann. Dass die Lieferung länger gedauert habe, liege am Lieferanten, darauf habe der Shop bei der Bestellung aber hingewiesen.

Das sagt der Rechtsexperte

Rechtsanwalt Severin Gabathuler von der Kanzlei Glaus Gabathuler sagt, dass mit der Kritik der Kundin keine strafbare Ehrverletzung vorliegt. In Betracht komme allenfalls eine Verletzung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, welches unter anderem Herabsetzungen durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen für strafbar erklärt.

Damit eine Kritik unnötig verletzend sei, bedürfe es einer völlig unsachlichen beziehungsweise unhaltbaren Äusserung. Diese Schwelle sei nicht erreicht. Eine Verurteilung erscheine einzig denkbar, wenn die in der Rezension geschilderten Umstände nicht den Tatsachen entsprechen sollten. Dabei sei die Aussage, dass nie jemand beim Kundenservice abnimmt aufgrund des Kontexts nicht wörtlich, sondern in dem Sinne zu verstehen, dass die Verfasserin bei mehreren Anrufversuchen niemanden erreichen konnte.

Wie gehst du mit negativen Erfahrungen bei Onlinekäufen um?

Florent Thouvenin, Inhaber des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikationsrecht an der Uni Zürich, sagt: «Entscheidend ist, dass die konkreten Angaben in einer Bewertung stimmen. Unzulässig sind dagegen unhaltbare Bewertungen und Beschimpfungen.

Bei Verurteilung drohen hohe Kosten

Sara Stalder, Geschäftsleiterin des Konsumentenschutzes, findet es befremdlich, dass Firmen mit Strafanzeigen bei Onlinekritik drohen. Normalerweise sei es eher umgekehrt und es gebe Goodies bei positiven Bewertungen.

Stalder rät bei Onlinekritik, stets nur zu schreiben, was sich belegen lasse. «Wenn man etwas aus Wut schreibt, übertreibt und beschimpft, droht die Gefahr, dass man dafür belangt werden kann, was bei einem Gerichtsverfahren schnell ein paar Tausend Franken kosten kann.»

*Name der Redaktion bekannt.

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