SchweizSie wollen nur von Licht leben – «solche Ideen zu verbreiten, ist brandgefährlich»
Sie verzichten auf feste und flüssige Nahrung: Jetzt verbreiten Licht-Esoteriker ihre gefährlichen Ideen in der Schweiz. Der Vermieter eines Seminarraums zieht die Notbremse.
Darum gehts
Sogenannte Lichtesser verzichten auf die Nahrungsaufnahme und ernähren sich von «Lichtenergie».
Experten warnen vor dem gefährlichen Konzept, das in der Vergangenheit bereits Tote forderte.
In Bern sollte ein Seminar dazu stattfinden.
Der Vermieter des Seminarraums hat nach einer Anfrage von 20 Minuten die Notbremse gezogen.
Leben von «Lichtenergie» – das versprechen zwei Schweizer Veranstalter eines Lichtnahrungsseminars. Die für das Leben notwendige Energie soll dabei aus «feinstofflicher Energie», wie beispielsweise Sonnenlicht, gewonnen werden. «Wenn du deinen Körper, deine Seele und deinen Geist auf dieses Konzept ausrichten möchtest, dauerhaft oder für eine gewisse Zeit, ist es vorerst notwendig, deine eigene Energie-Maschine zu starten», schreiben die Licht-Esoteriker in einem Flyer, der auf Social Media kursiert.
Dies geschehe über einen Zeitraum von einer Woche. Während dieser Woche wird gefastet, einige Tage davon sogar trocken, das heisst ohne Flüssigkeit. Bis zu 2200 Franken kostet das einwöchige Seminar in Bern. «Es geht in diesem Seminar nicht darum, neue Dogmen zu erschaffen und danach nie mehr essen zu dürfen. Entscheidend ist die Wahlfreiheit, die du gewinnst: die konzeptfreie Nahrungsaufnahme», schreiben die Veranstalter im Flyer weiter.
Das Konzept ist höchst umstritten. Medienberichten zufolge kam es bereits zu Todesfällen. So starb in der Schweiz im Jahr 2011 eine Frau. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, animierte sie der Dokumentarfilm «Am Anfang war das Licht», eine radikale Fastenkur zu absolvieren. 2019 kam ein 19-jähriger Deutscher auf der karibischen Insel Dominica ums Leben, nachdem er seinem Umfeld mitgeteilt hatte, sich von Licht ernähren zu wollen, und zu fasten begonnen hatte.
Experten warnen vor dem Konzept
Dem Allgemeinmediziner Axel Marzeion ist das Konzept von «Lichtfasten» bestens bekannt: «Dass es möglich ist, sich durch Lichtenergie zu ernähren, ist natürlich Blödsinn. Es ist brandgefährlich, solche Ideen zu verbreiten», sagt Marzeion gegenüber 20 Minuten. Er rät grundsätzlich davon ab, über einen längeren Zeitraum zu fasten und insbesondere keine Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
Die Folgen eines langfristigen Verzichts sind laut Marzeion gravierend: «Bereits nach 24 Stunden ohne Flüssigkeit kann es für eine gesunde Person brenzlig werden. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab und die Organe hören mit der Zeit auf zu funktionieren.»
Auch Ernährungsberaterin Christine Lakits warnt: «Ohne Wasser überleben wir höchstens ein paar Tage.» Wie lange eine Person ohne Nahrung auskommen könne, sei individuell. Laut Lakits können während des Verzichts auf feste und flüssige Nahrung unter anderem Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit oder Sehstörungen auftreten: «Ignoriert man diese Symptome, können ernsthafte gesundheitliche Probleme auftreten.»
Lichtnahrung
«Uns war nicht bewusst, wie umstritten das Konzept ist»
Die Inhaber des Veranstaltungsortes in Bern haben den Organisatoren des Seminars nach einer Anfrage von 20 Minuten abgesagt. «Uns war nicht bewusst, wie umstritten das Konzept der Lichtnahrung ist und dass es gesundheitliche Risiken beinhaltet», sagt Inhaberin S.* am Telefon. In der Regel vermiete sie die Räumlichkeiten für Yoga- oder Meditationskurse. «Wir möchten keine risikobehafteten Aktivitäten unterstützen», so S.
Gegenüber 20 Minuten wollten sich die Veranstalter des Seminars nicht dazu äussern. Ob die Organisatoren das Seminar nun an einem anderen Ort stattfinden lassen werden, ist unklar.
*Name der Redaktion bekannt
Hast du oder hat jemand, den du kennst, eine Essstörung?
Hier findest du Hilfe:
Fachstelle PEP, Beratung für Betroffene und Angehörige
Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147
Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143
Elternberatung, Tel. 058 261 61 61
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