ICF in der Kritik: Zürcher Model fühlt sich nach Predigt gedemütigt

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ICF in der Kritik«Sie zeigten auf uns und lachten» – Model fühlt sich nach Predigt gedemütigt

Das Zürcher Model David Beer (22) unterstellt ICF homophobe und diskriminierende Aussagen in einer Predigt. Die Freikirche nimmt Stellung dazu. 

Gemeinsam mit seinen Kolleginnen besuchte das Zürcher Model David Beer kürzlich eine Veranstaltung der Freikirche ICF. 
Das Thema der Predigt von Pastor und ICF-Leiter Leo Bigger: Umgang mit sexueller Vielfalt – «Hat Jesus ein Problem mit LGBTQIA+?».
Wie Beer sagt, ist er gläubiger Christ und fand die Predigten bisher immer toll. Doch am letzten Sonntag sei es anders gewesen. 
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Gemeinsam mit seinen Kolleginnen besuchte das Zürcher Model David Beer kürzlich eine Veranstaltung der Freikirche ICF. 

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Darum gehts

  • Nach dem Besuch einer ICF-Predigt zeigt sich das Zürcher Model David Beer schockiert.

  • «Die Aussagen waren homophob und diskriminierend gegenüber der LGBTQIA-Community», sagt der 22-Jährige gegenüber 20 Minuten.

  • Bei der Freikirche weist man die Vorwürfe zurück.

ICF (International Christian Fellowship) ist eine der bekanntesten Freikirchen in der Schweiz. Jedes Wochenende nehmen an den Gottesdiensten in der Samsung Hall in Dübendorf bis zu 6000 Personen virtuell oder vor Ort teil. Auch das Zürcher Model David Beer besuchte bisher die Events. «Seit einem Jahr gehe ich ein bis zwei Mal pro Monat dorthin», erzählt der 22-Jährige. So auch am letzten Sonntag. Das Thema der Predigt von Pastor und ICF-Leiter Leo Bigger: «Hat Jesus ein Problem mit LGBTQIA+?».

«Ich ging mit drei Kolleginnen, eine davon ist trans Frau, zum Abendgottesdienst. Ich bin gläubiger Christ und da ich die Gottesdienste bisher immer sehr modern und cool fand, lud ich sie ein, mitzukommen», so Beer. Doch dieses Mal sei es anders gewesen: «Die Aussagen in der Predigt waren homophob und diskriminierend gegenüber der LGBTQIA-Community. Ich war schockiert», erzählt Beer.

Mit zwei Kolleginnen habe er deshalb vorzeitig die Veranstaltung verlassen, eine Kollegin sei im Saal geblieben. Dabei sei ein Kommentar von Bigger gefallen: «Er sagte: ‹Da gehen schon die Ersten, habe ich mir schon gedacht.› Das Publikum lachte und zeigte mit dem Finger auf uns. Niemand griff ein, es war schrecklich demütigend. Wir sind zutiefst verletzt.»  

Zürcher Model will keine Predigten mehr besuchen

Auf Youtube wurde die Predigt hochgeladen. Susanne Schaaf von Infosekta hat einige Aussagen für 20 Minuten analysiert. «Leo Bigger spricht von der Gleichwertigkeit der Menschen, von Mann und Frau. Er sagt, Jesus habe den Menschen geliebt, aber nicht jeden Lifestyle. Leo Bigger ist der Ansicht, der Mensch könne frei wählen, ob er mit oder ohne Gott unterwegs sein möchte, aber jeder müsse dann die Konsequenzen eines ‹gottlosen› Lebens tragen», so Schaaf.  

Zudem spreche er davon, dass «Sodom und Gomorra unsere Kultur werden»: «Damit sieht er in der LGBTQIA-Bewegung eine Gefahr für die Gesellschaft. Denn Sodom und Gomorra gelten als Orte der Sünde, die deswegen von Gott zerstört wurden», so Schaaf. Die Einschränkung der Meinungsfreiheit, also dass er seine evangelikale Haltung nicht mehr laut aussprechen könne, bezeichnet er zudem als «dämonisches System».

Solche Aussagen hält Beer für höchst problematisch, insbesondere da die Freikirche viele junge Menschen anspricht und damit ein falsches Signal sendet. «ICF präsentiert sich nach aussen als weltoffen und modern. Sie sollten sich schämen, solche diskriminierenden Aussagen zu machen. Das ist gefährlich und kann zu Attacken gegen die LGBTQIA-Community führen», sagt Beer.

Der 22-Jährige findet es grundsätzlich nicht falsch, das Thema LGBTQIA+ in der Kirche aufzugreifen: «Das ist wichtig, um die Community einzubinden. Das muss aber sorgfältig und ausgewogen geschehen und die Möglichkeit beinhalten, Fragen zu stellen.» Vor so einem grossen Publikum sei eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema unmöglich. Er selbst werde keine Veranstaltung mehr besuchen: «Ich dachte, man sei bei ICF cool und nicht so verstockt wie bei den Katholiken. Ich habe mich wohl von der Modernität der Events blenden lassen.»

«Aus der Situation werden wir mit Sicherheit lernen»

Beim ICF weist man die Vorwürfe zurück: «Die Predigt ist weder homophob noch diskriminierend. Sie stellt den Zuhörenden historische und theologische Grundlagen zum Thema zur Verfügung und fordert uns alle persönlich heraus, das eigene Leben nach göttlichen Massstäben auszurichten», sagt Sprecher Michael Sieber. Für sie als christliche Kirche bilde die Bibel das Fundament ihrer Botschaft: «Gott liebt jeden Menschen bedingungslos. Wir geben unser Bestes, diese zeitlose Botschaft passend zur heutigen Zeit zu vermitteln.»

Die Situation am Sonntag sei für sie sehr ungewöhnlich gewesen, da es nie vorkomme, dass eine Gruppe mitten in der Predigt lautstark die Halle verlasse. «Aus der Situation werden wir mit Sicherheit lernen», sagt Sieber. Man habe sich in der Zwischenzeit bei den Betroffenen entschuldigt.

Dabei habe sich auch Leo Bigger schriftlich auf Social Media mit den folgenden Worten an die Betroffenen gewandt: «Mein Kommentar, als ihr den Saal verlassen habt, war in keiner Weise beleidigend gemeint. Da ihr beim Verlassen der Tribüne einen gewissen Lärm verursacht habt und so viele Leute davon abgelenkt waren, fühlte ich mich verpflichtet, kurz darauf einzugehen. Wenn ihr dies als verletzend empfunden habt, tut mir das aufrichtig leid.»

LGBTIQ: Hast du Fragen oder Probleme?

Hier findest du Hilfe:

LGBT+ Helpline, Tel. 0800 133 133

Du-bist-du.ch, Beratung und Information

InterAction, Beratung und Information für intergeschlechtliche Menschen, Tel. 079 104 81 69

Lilli.ch, Information und Verzeichnis von Beratungsstellen

Milchjugend, Übersicht von Jugendgruppen

Elternberatung, Tel. 058 261 61 61

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

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