Nachricht gibt HoffnungSimpler Urintest könnte Leben von Corona-Patienten retten
Ein stabiler Zustand bei Corona-Patienten garantiert keinen glimpflichen Krankheitsverlauf. Ein einfacher Test könnte jedoch zeigen, ob dem Betroffenen Schlimmeres droht.
Darum gehts
- Trotz anfänglich milder Symptome nehmen viele Covid-19-Erkrankungen nach sieben Tagen einen schweren, mitunter tödlichen Verlauf.
- Bisher kam die Wende überraschend. Doch laut Göttinger Forschern könnte ein Urintest zeigen, ob einem Covid-Patienten eine plötzliche Verschlechterung droht.
- Relevant sind dafür drei Parameter. Ist nur einer auffällig, kann noch Tage bevor Lunge und andere Organe schwer versagen, mit der Behandlung drohender Komplikationen begonnen werden.
Zunächst litten an Covid-19-Erkrankte an milden Symptomen, «doch ganz plötzlich haben sie diese überschiessende Entzündungsreaktion, die sich im ganzen Körper ausbreitet», so der australische Lungenarzt David Darley zum «Guardian».
Zwar erleben nicht alle Patienten eine solch rapide Verschlechterung, dennoch ist offenbar ein Muster zu erkennen: Nach etwa einer Woche wandelt sich der Zustand bei einigen Patienten drastisch zum Schlechteren. Gerade bei älteren Menschen oder solchen mit Vorerkrankungen geschehe dies häufig so schnell, dass die Lunge, Herz, Blutgefässe und andere Organe schon schwere Schäden erleiden, bevor die Behandlung einsetzen kann.
Wen es derart hart treffen könnte, war bislang unmöglich vorherzusagen. Eine Entdeckung von Medizinern des Universitätsklinikums Göttingen (UMG) könnte dies nun ändern.
So stark setzt das Coronavirus der Lunge zu.
George Washington University HospitalAbnormitäten im Urin
Wie die Ärzte im Fachjournal «The Lancet» schreiben, weist der Urin von Patienten, die innerhalb weniger Tage sehr krank werden, Abnormitäten auf. Werden solche festgestellt, folgt eine genauere Analyse. Bei dieser wird der Gehalt des Proteins Albumin im Blut und im Urin bestimmt sowie die Konzentration des Bluteiweisses Antithrombin III.
«Ist auch nur einer von drei Parametern schwer verändert, besteht ein hohes Risiko, dass sich die Erkrankten auf Normalstation zeitnah verschlechtern, auf die Intensivstation verlegt werden müssen oder sich der Verlauf auf der Intensivstation noch verschlechtert», so Erst-Autor Oliver Gross, Oberarzt Klinik für Nephrologie und Rheumatologie am UMG in einer Mitteilung.
Das verraten die Parameter
Ein schwerer Albumin-Mangel im Blut deutet auf das sogenannte Capillary-Leak-Syndrom hin. Besteht dieses, sickern Bluteiweisse und Flüssigkeit durch die löchrig gewordenen Wände der kleinen Blutgefässe in die Gewebe der Lunge und anderer Organe ein. In der Folge schwillt das Lungengewebe an, wodurch der Sauerstoffaustausch behindert wird. Helfen können laut den UMG-Ärzten hochdosierte Entwässerungsmedikamente und kreislaufstabilisierende Mittel.
Ein Antithrombin-III-Mangel im Blut zeigt an, dass die Blutgerinnung bereits deutlich erhöht ist und Thrombosen und Lungenembolien drohen. Betroffene sollten daher Blutverdünnungsmittel erhalten, um die Bildung von Blutgerinnseln zu verhindern. Diese müssen laut den UMG-Medizinern hoch dosiert werden, da der Antithrombin-Mangel ihre Wirksamkeit verringert.
In den Becher pinkeln, kann Leben retten
Stellen Ärzte derartige Auffälligkeiten fest, können sie noch Tage bevor Lunge und andere Organe schwer versagen, mit der Behandlung drohender Komplikationen beginnen, heisst es in der Mitteilung der Hochschule. Auf diese Art liessen sich bei vielen Erkrankten lebensbedrohliche Verschlechterungen und Todesfälle verhindern.
Gross und seine Kollen haben nun einen sogenannten Handlungspfad entwickelt, der die Diagnose- und Therapieschritte ab dem Urintest beschreibt. Seine Anwendbarkeit und Wirkung wird zurzeit in einer grösseren Studien an mehreren Universitätskliniken in Deutschland untersucht.