Sind die SBB-Sitze wirklich so dreckig?

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Tiktok-ExperimentSind die SBB-Sitze wirklich so dreckig?

Auf der Social-Media-Plattform Tiktok kursieren Clips, die zeigen sollen, wie schmutzig die Sitze in Schweizer Zügen sind. Ein Schadstoffexperte warnt vor Nachahmern.

In den Tiktok-Clips wird mehrmals auf den Polstersitz geschlagen, bis Staub aufgewirbelt wird.

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Darum gehts

  • Auf Tiktok kursieren Clips, die zeigen sollen, wie dreckig die Sitze in Zügen sind.
  • Dabei schlagen Männer mehrmals auf die Sitzpolster, bis Staub sichtbar wird.
  • Solange der Staub im Sitz gebunden sei, stelle er keine gesundheitliche Gefahr dar, sagt ein Schadstoffexperte. Gerate er an die Luft, könnte er Allergikern gefährlich werden.
  • Die SBB kennt die Videos. Sie sagt: Selbst bei regelmässiger Reinigung mit dem Staubsauger liesse sich das «Experiment» bei jedem Polstersitz im ÖV replizieren.
  • «Solche Versuche mit extrem starkem Klopfen würden vermutlich bei allen Polstersitzen – nicht nur in den Zügen – zum gleichen Ergebnis führen», sagt der Sprecher der Thurbo AG.

Die SBB-Sitze als Staubfänger: In den letzten Wochen wurden zahlreiche Videos auf Tiktok hochgeladen, die zeigen sollen, wie dreckig Züge in der Schweiz wirklich sind. Unter Titeln wie «Züge in der Schweiz: Gruusig» «So staubig sind die Züge in der Schweiz» oder «Putz-Test» hauen verschiedene Männer mehrmals auf die auf den ersten Blick sauberen Sitze der SBB und der Ostschweizer Regionalbahn Thurbo AG, bis dicke Staubwolken aufsteigen.

Die Videos generieren Zehntausende bis Hunderttausende Klicks, ein Clip des in Zürich wohnhaften, türkisch-amerikanischen Comedians Ahmet Bilge wurde bisher gar über 1,2 Millionen Mal angeschaut. Der Biologe Daniel Gervasi, Schadstoffexperte bei der Firma Bafob, warnt Nachahmer: «Auch wenn das Risiko sehr klein ist: Auf Staub allergische Personen könnten Probleme bekommen, wenn sie das einatmen.»

Auch Weichmacher können im Staub enthalten sein

Staub habe es grundsätzlich überall, aber vor allem wo Menschen leben und zusammenkommen. Und wie der Staub zusammengesetzt ist, hänge immer von der Umgebung und von den Benutzern ab: «Hautschuppen oder -fetzen, Textilabrieb, Schimmelsporen, Dreck, Pollen, Feinstaub – und wenn die Umgebung stimmt, also bei hoher Luftfeuchtigkeit, sogar Milbenkot: Staub ist eine kunterbunte Sache», sagt Gervasi. Auch Weichmacher, etwa Phthalate und allfällige Brandhemmer, die in Kunststoffen enthalten sind, könnten im Staub drin sein.

Solange der Staub im Sitz gebunden sei und bei einer derart kurzen Exposition wie einer normalen Zugfahrt, stelle er allerdings keine grösseren Probleme dar, beruhigt Gervasi. Die Frage nach der Reinigungshäufigkeit der Züge stelle sich für ihn aber trotzdem: «Wenn man die Sitze regelmässig mit einem starken Staubsauger saugt, sollte die Staubentwicklung reduziert werden.» Ob die SBB aufgrund der TikTok-Clips ihre Reinigungsmethoden- und Intervalle anpassen muss, sei aber fraglich. «Schliesslich können all diese Sachen auch bei der heimischen Matratze vorkommen.»

«Holzklasse» als Abhilfe

Bei der SBB sind die Videos bekannt. «Dieses ‹Experiment› lässt sich bei jedem Polstersitz in öffentlichen Verkehrsmitteln durchführen, selbst bei regelmässiger Reinigung mit dem Staubsauger», sagt Sprecher Reto Schärli. Dementsprechend kursierten solche Aufnahmen schon länger in verschiedenen Ländern. Schärli: «Abhilfe schaffen würde nur die Wiedereinführung der ‹Holzklasse›».

Wie Werner Fritschi von Thurbo AG sagt, werden die Thurbo-Züge täglich gereinigt. «Dabei werden auch gröbere Verschmutzungen auf den Sitzen entfernt.» Einmal im Monat seien die Züge mit einem erweiterten Reinigungsprogramm im Unterhalt. Zudem finde einmal pro Jahr eine Generalreinigung in der Werkstatt statt. Zum Staub-Video auf Tiktok sagt Fritschi ebenfalls: «Solche Versuche mit extrem starkem Klopfen würden vermutlich bei allen Polstersitzen – nicht nur in den Zügen – zum gleichen Ergebnis führen.»

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