Vanabundos-BlogSind in Zentralamerika wirklich alle kriminell?
Diese Länder sind doch gefährlich! Das hören unsere Blogger im VW-Bus sehr oft über Zentralamerika. Vor allem von Menschen, die noch nie da waren.
Nach einigen Monaten unterwegs von Nord- nach Südamerika haben wir ein Muster festgestellt. Egal, wohin wir unterwegs sind, wir werden immer davor gewarnt. In den USA warnte man uns eindringlich vor Mexiko (O-Ton einer eigentlich netten Frau: «Die sind alle kriminell!»), die Mexikaner warnten uns jeweils vor dem nächsten Bundesstaat und erst recht vor Guatemala, die Guatemalteken vor El Salvador und so weiter.
Anfangs nimmt man die Warnungen ernst und fährt mit einem komischen Gefühl weiter. Aber je öfter wir sie hören, desto weniger beunruhigen sie uns, denn es ist tatsächlich noch nie etwas passiert.
Schlimmes wird eher weiterverbreitet
Wir sind ganz normale Leute, weder sonderlich mutig noch besonders ängstlich. Wir mussten aber früh lernen, Angstmache von unserer eigenen Wahrnehmung zu unterscheiden. Menschen und auch Medien geben nur die schlimmsten Statistiken und Fälle weiter.
Wenn uns heute jemand vor einem Land (als könnte ein ganzes Land gefährlich sein) warnen will und eine üble Geschichte erzählt, fragen wir, ob er oder sie das Opfer oder den ach so gefährlichen Ort persönlich kennt. Das war noch nie der Fall. Medien berichten natürlich nur über ein Land, wenn dort etwas passiert ist. Dass in El Salvador Menschen ganz normal leben und arbeiten, ist keine Schlagzeile wert.
Nicht naiv, aber mit Bauchgefühl
Wenn man unterwegs ist wie wir, liest man nicht jeden Tag die Mordstatistik eines Ortes durch. Man fährt und fährt und von Zeit zu Zeit verändert sich das Klima, die Menschen und die Häuser sehen etwas anders aus, der Akzent verschärft sich – aber das passiert nie auf einen Schlag. Und so geschieht es, dass man durch vermeintlich gefährliche Länder fährt und merkt: Eigentlich ist das Leben überall dasselbe. Menschen überall auf der Welt haben ihre Herausforderungen und versuchen nur, glücklich zu sein.
Natürlich fahren wir nicht völlig naiv durch Mittelamerika. Aber mit einer Handvoll kleiner persönlicher Regeln wird man eine durchwegs positive Erfahrung haben: immer freundlich und aktiv auf alle Menschen zugehen, nicht in der Nacht fahren, nicht nach Drogen suchen (und so mit den wirklich gefährlichen Leuten in Kontakt kommen), das Auto sicher oder in Sichtweite abstellen, aufs Bauchgefühl hören.
Aus Angst etwas verpassen
Wir haben viele Reisende kennengelernt, die Honduras oder El Salvador innert eines Tages durchqueren, um nicht mehr als eine Pinkelpause in diesen Ländern einlegen zu müssen. Sie geben sich und ihren Vorurteilen gar nicht die Chance, sich zu ändern. Hauptsache, man hat das Land auf der Liste abgehakt – aber sich effektiv damit befassen? Nein, danke.
Das ist schade. Denn gerade diese beiden Länder sind nicht sehr anders als ihre Nachbarn Nicaragua oder Guatemala. Dafür trifft man auf viel weniger Touristen, auf authentische Lebensweisen und auf ganz viel Freude über jeden Besuch. Natürlich lernten wir auch Reisende kennen, die Monate dort verbrachten und es absolut liebten.
Übrigens hatten auch meine Eltern ihre Bedenken. Sie sind wie wir (oder besser gesagt: wir wie sie) begeisterte Camper – und wurden gerade in Italien ausgeraubt. Ihre Nachricht am Tag darauf: «Mittelamerika ist ja sooo gefährlich!»
Vanabundos
Gabriella Hummel (27) und Sandro Alvarez (37) reisen seit einem Jahr in ihrem VW-Bus von Nord- nach Südamerika. Hier erzählen die beiden Medienschaffenden aus Zürich von den grossen und kleinen Geschichten, die sich auf ihrem Weg ereignen und beantworten Fragen zum Leben, Reisen und Arbeiten on the road. Zu sehen sind sie auch auf Instagram, Facebook und ihrem Blog.