Fast FashionSind meine Billig-Kleider wirklich ein Problem?
Konsumenten fragen sich, ob man heute noch mit gutem Gewissen billige Klamotten kaufen kann. Das sagen Experten.
Hier ein T-Shirt von Zara, da eine Mütze von H&M und dann vielleicht noch ein Pulli von Vero Moda: Kleider, die schnell und günstig in Entwicklungs- und Schwellenländern produziert werden, kaufen wir wie nebenbei. Durch die Dominanz dieser sogenannten Fast Fashion hat sich der Absatz von Kleidung laut Greenpeace global zwischen 2002 und 2015 fast verdoppelt: von einer Billion auf 1,8 Billionen Dollar. Bis 2025 wird mit einem weiteren Anstieg auf 2,1 Billionen Dollar gerechnet.
Von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen werden die Produktionsbedingungen der Fast-Fashion-Industrie seit dem Einsturz der Billig-Fabrik Rana Plaza mit über tausend Toten verstärkt angeprangert. Ist es vor diesem Hintergrund überhaupt noch möglich, mit gutem Gewissen billig hergestellte Mode einzukaufen?
Tiefe Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen
Herbert Winistörfer, Experte für Corporate Responsibility an der ZHAW, betont, dass günstige Mode im Sinne von existenzsichernden Löhnen für die Arbeitskräfte nie fair sei. «In vielen Ländern, in denen Fast Fashion produziert wird, ist die Bekleidungsindustrie trotzdem ein wichtiger Wirtschaftszweig. Sie hat Arbeitsplätze geschaffen», sagt er auf Anfrage. So seien beispielsweise in Bangladesh über 80 Prozent der Gesamtexporte Textilien.
Aber: Die Kehrseite der Wirtschaftsentwicklung seien die sehr tiefen Löhne und schlechten Arbeitsbedingungen. «Es stellt sich die Frage, wer für Missstände die Verantwortung übernehmen muss: das Produktionsland, die Modekonzerne oder die Konsumenten?»
Auf Trends zu verzichten ist die grösste Waffe
Der Textilexperte David Hachfeld vom Verein Public Eye betont, dass es auch bei teurer Mode Missstände gebe. Grundsätzlich verbreitet seien die niedrigen Löhne für die Näherinnen. «Mit den Löhnen kann man keine Familie ernähren und nur unter extrem ärmlichen Bedingungen leben.» Arbeiter würden zudem in der Hoffnung auf mehr Lohn oft viele Überstunden machen. Wer sich gegen die Arbeitsbedingungen wehre, riskiere, gefeuert zu werden. «Die Näherinnen werden dann zum Sand im Getriebe – und den wollen die Unternehmen loswerden», so Hachfeld.
Er empfiehlt den Konsumenten, Kleider grundsätzlich mit gesundem Menschenverstand zu kaufen und nicht jedem Trend hinterherzulaufen. «Labels geben einem das Gefühl, ständig neue Kleider kaufen zu müssen.» Der Konsument solle dieses Spiel aber nicht mitmachen: «Das ist die grösste Waffe, die wir haben», sagt der Experte. Letztlich seien aber die Firmen und die Politik dafür verantwortlich, die Ausbeutung zu stoppen.
Unternehmen in die Pflicht nehmen
Der Trend geht laut Winistörfer dahin, die Unternehmen stärker in die Pflicht zu nehmen. «Die UNO hat Leitprinzipien für die Verantwortung der Unternehmen formuliert.» Nun seien die Länder zurzeit daran, diese umzusetzen. Auch in der Schweiz gibt es ähnliche Bestrebungen. «Die Konzernverantwortungsinitiative geht in diese Richtung», so Winistörfer.
Ebenso will das globale Aktivistennetzwerk Fashion Revolution die Unternehmen an die kurze Leine nehmen. Allerdings setzt der Verein mit 1,5 Millionen Mitgliedern dabei nicht auf die Politik, sondern auf die Konsumenten. Sie sollen zum Beispiel mit Instagram-Posts und E-Mails sanften Druck auf die Unternehmen erzeugen. Zu diesem Zweck bietet der Verein auf der eigenen Website Text-Vorlagen an, die die Konsumenten in den sozialen Netzwerken teilen können.
Gefühl, nichts mehr kaufen zu können
Die Umweltberaterin Doris Abt vom Schweizer Zweig von Fashion Revolution stellt klar: «Es geht uns nicht darum, Firmen anzuprangern. Was wir wollen, ist Transparenz und Aufklärung für alle.» Ein weiterer Ansatz des Vereins ist die Vernetzung der Mitglieder untereinander und mit Marken, die faire Kleidung anbieten. Das geschieht sowohl über regionale Treffen und Podien als auch über die einmal im Jahr stattfindende Fashion Revolution Week.
Abt will keine Spielverderberin sein. «Mode darf und soll immer noch Spass machen.» Jedoch könne es überfordernd sein, wenn man von den schlimmen Bedingungen hinter Fast Fashion erfahre. Dann könne man schnell das Gefühl bekommen, dass man nichts mehr kaufen dürfe. Mit ihrem Tun will Abt aber das Gegenteil bewirken: «Wir wollen aufzeigen, dass es Alternativen gibt und man nicht allein ist.»
In einem zweiten Artikel zum Thema zeigen wir die Alternativen.
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