Kein Abstrich nötig: Smartphone-App erkennt Corona-Infektion an der Stimme

Publiziert

Kein Abstrich nötigSmartphone-App erkennt Corona-Infektion an der Stimme

Eine mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete App ist offenbar in der Lage, eine Covid-19-Infektion an der Stimme zu erkennen. Dabei soll sie zuverlässiger sein als klassische Schnelltests. Doch es gibt Schwachstellen.

Kurz ins Smartphone husten, tief ein- und ausatmen und einen kurzen Satz hineinsprechen – so könnte laut niederländischen Forschenden der Corona-Schnelltest der Zukunft aussehen. 
Das Team um Wafaa Aljbawi vom Institut für Data Science an der Universität Maastricht hat eine Künstliche Intelligenz – Englisch: Artifical Intelligence, kurz AI – entwickelt, die mit Sars-CoV-2 Infizierte an der Stimme erkennen soll.
Die entsprechende Smartphone-App sei schnell, billig, einfach zu bedienen und dazu noch genauer als herkömmliche Schnelltests. 
1 / 10

Kurz ins Smartphone husten, tief ein- und ausatmen und einen kurzen Satz hineinsprechen – so könnte laut niederländischen Forschenden der Corona-Schnelltest der Zukunft aussehen. 

IMAGO/Westend61

Darum gehts

Eine Covid-19-Infektion betrifft in der Regel die oberen Atemwege und Stimmbänder. Das führt zu Veränderungen in der Stimme einer Person. Diesen Umstand machen sich Forschende um Wafaa Aljbawi vom Institut für Data Science an der Universität Maastricht zunutze: Sie haben eine App mit Künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt, die mit Sars-CoV-2 Infizierte an der Stimme erkennen soll.

Die KI schlage sich gut, gab das Team Anfang September 2022 beim internationalen Kongress der European Respiratory Society (ERS) in Barcelona bekannt. Dort stellten sie die Ergebnisse ihrer Studie vor. Sie sei schnell, billig, einfach zu bedienen und dazu noch genauer als herkömmliche Schnelltests. Zudem würden die für einige Personen lästigen Abstriche beziehungsweise Speichelabgaben wegfallen. 

So funktioniert die App

Einsatzmöglichkeit: Grossveranstaltung

In ihrer Studie habe das KI-Modell in 89 Prozent der Fälle richtig gelegen und eine Covid-19-positive Person als solche erkannt (Sensitivität, siehe Box), so Aljbawi an der Tagung. In der Kongress-Zusammenfassung (Abstract OA1626) war die Rede von 84 Prozent – seit der Einreichung seien die Daten jedoch erweitert worden und hätten mit 89 Prozent ein noch besseres Ergebnis erzielt, heisst es in Berichten zur Präsentation. Bei herkömmlichen Schnelltests gebe es je nach Marke grosse Unterschiede bei der Treffsicherheit. Ausserdem seien diese bei Personen ohne Symptome deutlich weniger genau.

Was bedeutet Sensitivität?

Aljbawi zufolge legen die Ergebnisse nahe, dass einfache Sprachaufnahmen und fein abgestimmte KI-Algorithmen eine grosse Genauigkeit bei der Feststellung, welche Patienten infiziert sind, erreichen können. Die KI-Tests «können kostenlos angeboten werden und sind einfach auszuwerten», so die Datenspezialistin. Weiterer Vorteil des Ansatzes: «Die Tests machen es möglich, Personen aus der Ferne zu testen.» Weiter lieferten sie das Ergebnis in weniger als einer Minute. Damit könnten sie «zum Beispiel bei Grossanlässen eingesetzt werden, um die Besucherinnen und Besucher zu screenen.»

Nicht in allen Punkten besser als klassische Schnelltests

Schlechter als die herkömmlichen Schnelltests schliesst der KI-Ansatz bei der sogenannten Spezifität ab. Statt bei 99,5 Prozent liegt sie bei der App-Lösung bei nur 83 Prozent. «Die hohe Spezifität der klassischen Schnelltests bedeutet, dass nur eine von 100 Personen fälschlicherweise als Covid-19-positiv eingestuft würde, obwohl sie in Wirklichkeit nicht infiziert ist. Bei unserem Ansatz werden 17 von 100 Nicht-Infizierten fälschlicherweise als positiv eingestuft», wird Aljbawi in einer Mitteilung zitiert.

Als wirkliches Problem betrachtet die Forscherin das nicht: Man könnte den Test nutzen, um eine Vorauswahl zu treffen: «Da unser Test praktisch kostenlos ist, könnte man die Menschen zu PCR-Tests einberufen, falls der Test positiv ausfällt.»

Noch nicht parat zum Einsatz

Das Team um Aljbawi wies bei der Vorstellung seiner Daten darauf hin, dass die Ergebnisse noch in grossen Stichproben bestätigt werden müssen. Seit Beginn des Projekts seien bereits 53’449 Audioproben von 36’116 Teilnehmenden gesammelt worden. Sie könnten nun genutzt werden, um das KI-Modell zu verbessern und zu validieren. Darüber hinaus untersucht die Forschungsgruppe, welche Aspekte der Stimme es sind, die das KI-Modell beeinflussen.

Wie Aerzteblatt.de berichtet, gibt es noch ein weiteres grosses Aber: Derzeit sei noch offen, «ob das KI-Modell zwischen Covid-19 und anderen Atemwegserkrankungen unterscheiden kann.» Das habe Aljbawi auf Anfrage der Zeitschrift eingeräumt. Dem Team stünden aktuell nur Daten zur Verfügung, die Covid-19-Patienten mit Nicht-Covid-19-Patienten vergleichen. Das KI-Modell mit Daten von Patienten mit unterschiedlichen respiratorischen Erkrankungen zu testen, wäre ideal, ergänzte Aljbawi.

Ihr Team ist nicht das erste, das an der Erkennung von Covid-19-Infektionen basierend auf Stimmproben arbeitet. Schon im ersten Pandemiejahr haben etwa Forschende des Massachusetts Institute of Technology (MIT) einer KI beigebracht, normale Huster von Corona-Hustern zu unterscheiden. Und das mit einer beeindruckenden Genauigkeit. Eingesetzt werden soll ihre KI aber nicht für die Diagnose, sondern als Frühwarnsystem.

Wie oft hast du dich mit Corona infiziert? 

Hast du oder hat jemand, den du kennst, Mühe mit der Coronazeit?

Hier findest du Hilfe:

BAG-Infoline Coronavirus, Tel.  058 463 00 00

BAG-Infoline Covid-19-Impfung, Tel. 058 377 88 92

Dureschnufe.ch, Plattform für psychische Gesundheit rund um Corona

Safezone.ch, anonyme Onlineberatung bei Suchtfragen

Branchenhilfe.ch, Ratgeber für betroffene Wirtschaftszweige

Pro Juventute, Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147

Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143

Wissen-Push

Deine Meinung zählt

34 Kommentare
Kommentarfunktion geschlossen