Regensdorf ZHSo bunt waren Shopping-Center in den Siebzigern
Dorfgassen, Springbrunnen, ja sogar Vogelkäfige: Damit lockte man die Kunden in die ersten Shopping-Center. Ein neues Buch blickt zurück – mit dem Beispiel Regensdorf ZH.
Gutgelaunt schlendert eine typische Mittelstandsfamilie mit den Kindern – natürlich eine Tochter und ein Sohn – durch die klimatisierte Ladenstrasse. Sie trägt einen Schlapphut, er Schlaghosen. Alles ist schön bunt. Mit diesem Bild warb das Zentrum Regensdorf ZH ein Jahr nach der Eröffnung 1974 um Kunden. «Alle Läden unter einem Dach» war damals neu.
Erst drei Jahre zuvor war in Spreitenbach AG mit dem Shopping-Center das erste der Schweiz eröffnet worden. «Wie ein Ufo kam das Center mitten ins Bauerndorf», sagt Historiker Fabian Furter. Er hat zusammen mit Kunsthistoriker Patrick Schoeck-Ritschard das neue Buch «Zwischen Konsumtempel und Dorfplatz – Eine Geschichte des Shoppingcenters in der Schweiz» geschrieben.
Wer hats erfunden?
«Einkaufen war bis in die 1950er-Jahre kein Vergnügen, sondern reine Bedürfnisbefriedigung», sagt Furter. Dann kam das Wirtschaftswunder und die Selbstbedienung in den Läden, gleichzeitig begann der Siegeszug des Autos und die Entwicklung der Bauerndörfer zu Vororten. «Damit war der Weg frei für die ersten Shopping-Center.»
Die Idee dazu stammte – wen wunderts – aus den USA. Dort wurde 1954 mit der Northland Mall Detroit das erste Shopping-Center eröffnet. Der Erfinder war jedoch ein zugewanderter Österreicher, Victor Gruen. «Er sagte einmal, dass er sich vom Istanbuler Basar und den Berner Laubengängen habe inspirieren lassen», sagt Furter.
Sexshop im Tivoli-Dörfli
Tatsächlich gaukelten die ersten Schweizer Zentren Altstadt- oder Dorfplatz-Atmosphäre vor: Ein Springbrunnen war Pflicht. Im Shopping-Center Spreitenbach gab es auch Aquarien sowie riesige Vogelkäfige und im benachbarten Tivoli baute man gar ein Dörfli nach – mit Pflastersteingassen, Riegelbauten und Sexshop. Das alles ist längst entsorgt.
Die Autoren gehen in ihrem Buch aber nicht nur der Frage nach, wie das Shopping-Center in die Schweiz kam – sie zeigen am Beispiel Regensdorf auch, wie man Einkaufen, Wohnen und die Bedürfnisse der Standortgemeinde unter einen Hut brachte.
FIFA und SRF zu Gast
Der Gemeinde schwebte ursprünglich ein Zentrum mit allem drum und dran für das schnell wachsende Dorf vor. Doch weil das Projekt für sie zu teuer geworden wäre, verkaufte man das Land an Ernst Göhner. Der Baulöwe realisierte das Ganze, verzichtete aber aus Rentabilitätsgründen etwa auf Vereinsräume und Ateliers.
Trotzdem gingen einige Wünsche der Gemeinde in Erfüllung: Etwa das Mövenpick-Hotel, das (allerdings nach zehn Jahren wieder geschlossene) Hallenbad, der Dorfplatz und auch der Kongresssaal. Aus letzterem übertrug das Schweizer Fernsehen in den 1970er-Jahren regelmässig Quiz-Sendungen und die FIFA führte weltweit beachtete Auslosungen durch.
Überall die gleichen Ladenketten
«Nun war Regensdorf nicht mehr nur wegen der Strafanstalt bekannt», sagt Fredy Duttweiler schmunzelnd. Er führte über Jahrzehnte die dortige Drogerie und war VR-Präsident des Hotels und der Mietervereinigung. «Früher gab es im Zenti noch viele lokale Anbieter wie unseren Laden, heute sind es mehrheitlich die gleichen Ketten wie überall – das ist schade.»
Laut Centermanager Peter O. Wintsch würden dies die Kunden eben erwarten. Auch das Ambiente müsse man deshalb stets dem Zeitgeist anpassen. In den 1970er-Jahren waren im Zenti noch die Farben Orange und Braun Trumpf, ab den 1990er- Jahren dann Blau und Gelb – und nun ist nach dem jüngsten Um- und Ausbau Weiss angesagt. Wintsch: «Um konkurrenzfähig zu bleiben, brauchts alle 15 Jahre ein Facelifting.»