Ukraine-Krieg: So evakuierten Elite-Soldaten den Schweizer Botschafter aus Kiew

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Ukraine-KriegSo evakuierten Elite-Soldaten den Schweizer Botschafter aus Kiew

Das Aufklärungsdetachement 10 gilt als Elite-Einheit des Kommandos Spezialkräfte. In einem Interview hat nun der Einsatzleiter die Evakuationen aus Kiew und Kabul Revue passieren lassen.

Ein ranghohes Mitglied der Schweizer Eliteeinheit AAD 10 erzählt im Interview mit RTS von zwei vergangenen Einsätzen.
So zum Beispiel die Evakuation des Schweizer Botschafters Claude Wild aus Kiew Ende Februar. Mittlerweile ist er wieder vor Ort.
Denn nach einem schnellen Vorstoss der Russen auf Kiew ist die Stadt, abgesehen von Raketen- und Drohnenangriffen, wieder relativ sicher.
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Ein ranghohes Mitglied der Schweizer Eliteeinheit AAD 10 erzählt im Interview mit RTS von zwei vergangenen Einsätzen.

Screenshot/RTS

Darum gehts

Es ist der 14. Februar 2022, und während sich an der russisch-ukrainischen Grenze Zehntausende Soldaten des Kremls sammeln, beantragt das Eidgenössische Departement des Äusseren (EDA) beim Verteidigungsdepartement ein Detachement der Spezialeinheit Armee-Aufklärungsdetachement 10, kurz AAD 10. «Das Ziel war zu bleiben», sagt Claude Wild, der Schweizer Botschafter in Kiew ist und mittlerweile wieder von der ukrainischen Hauptstadt aus arbeitet, im Interview mit «RTS».

Vom Vorstoss auf Kiew überrascht

Rund zehn Tage später fallen Zehntausende russische Soldaten mit Panzern, Langstreckenraketen und anfänglich starker Luftunterstützung in der Ukraine ein. Zunächst habe man sich in der Annahme, dass es eine Schlacht um Kiew geben könnte, auf ein «Winterschlafszenario» vorbereitet – man rechnete also damit, womöglich noch länger vor Ort bleiben zu können.

«Bei der Art der Bewaffnung, die auf Kiew vorrückte, dachten wir aber: Jetzt müssen wir gehen», so Claude Wilde. Die Evakuation habe schliesslich wenige Stunden nach dem russischen Einmarsch begonnen, als Hilfsorganisationen das Land bereits fluchtartig verliessen. «Das war auch ein bisschen unser Kriterium – wenn die humanitären Organisationen gehen, gehen wir auch», sagt Claude Wild.

Molina kritisiert Geheimhaltung

Die Evakuation, die während mehrerer Stunden über verstopfte Strassen führte, wurde von Soldaten des AAD 10 gesichert und verlief problemlos. Dass die Mission strenger Geheimhaltung unterlag, stiess damals einigen Politikern in Bundesbern sauer auf – das Parlament erfuhr erst im Nachhinein von der Evakuation. So lobte der SP-Politiker Fabian Molina zwar die Professionalität der Elite-Einheit, forderte aber zugleich, dass nebst dem Bundesrat auch die Legislative über solch sensible und riskante Einsätze informiert werden sollte. Armeechef Thomas Süssli sagt dazu: «Die Armee handelt unter der Vollmacht des Bundesrates. Deshalb hat dieser zu entscheiden, ob auch das Parlament informiert werden soll.»

Die Evakuation von Claude Wild aus Kiew ist bereits der zweite Aktiveinsatz des AAD 10 in den letzten zwei Jahren, bei denen Schweizer Botschaftspersonal aufgrund einer plötzlichen Bedrohungslage aus dem Ausland evakuiert werden musste. Am 16. August 2021, einen Tag nach der «Schlacht um Kabul», evakuiert die Spezialeinheit mehrere Hundert Menschen aus der afghanischen Hauptstadt. Der Einsatz wurde damals von «Capi» geleitet, der gegenüber «RTS» einen Einblick in die Geschehnisse dieser Tage gewährte.

«Unklar, was uns erwartete»

«Am frühen Nachmittag des 13. August habe ich den ersten Anruf erhalten, in dem es um einen möglichen Einsatz des AAD 10 in der Region Kabul ging», so der Elitesoldat. Daraufhin habe er sofort einige Soldaten in höchste Alarmbereitschaft versetzt und ein Team für eine mögliche Mission zusammengestellt. «Was uns genau erwartete, war damals noch nicht ganz klar», so Capi.

Am 16. August wird der Einsatz ausgelöst, das Elite-Team fliegt nach Usbekistan. Dort werden sie vorübergehend in ein deutsches Fallschirmspringer-Regiment eingegliedert. Bei ihrer Ankunft in Afghanistan finden sich die sechs AAD-Soldaten sowie die beiden Sicherheitsberater des EDA in der Hölle von Kabul wieder – und sind sogleich mit einem schwerwiegenden Problem konfrontiert. Am Flughafen steht den Schweizern kein Fahrzeug zur Verfügung, sie müssen sich zu Fuss fortbewegen.

385 Menschen gerettet

«Mithilfe der deutschen Kameraden gelang es dann, ein Fahrzeug so weit zu reparieren, dass wir es für unsere Transporte nutzen konnten», so Capi. Eine grosse Hilfe sei auch gewesen, dass Deutschland bereits die gesamte Infrastruktur und Logistik gewährleistet hatte. So sei es dem Schweizer Team möglich gewesen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Insgesamt wurden so 385 Personen in Sicherheit gebracht – «ein sehr positives Ergebnis», resümiert Capi. 

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