Löcher im GehirnSo fatal ist die Sportler-Hirnerkrankung CTE
Ob der mordverdächtige Ex-Footballer Anthony McClanahan an CTE leidet, ist unklar. Beim verstorbenen Aaron Hernandez wurde der Beweis nun erbracht.
Ex-Football-Profi Anthony McClanahan sitzt im Gefängnis. Ihm wird vorgeworfen, Anfang November seine Frau mit einem Messer getötet zu haben. Möglicherweise weil er an der Hirnerkrankung CTE (chronisch-traumatische Enzephalopathie) leidet.
Es wäre nicht das erste Mal, dass ein ehemaliger American-Football-Spieler aufgrund von CTE gewalttätig geworden ist.
Suizid als Folge
Auch der frühere NFL-Spieler Aaron Hernandez ist tief gefallen: Erst Star der New England Patriots, beging er später mindestens einen Mord und nahm sich im April 2017 im Gefängnis das Leben.
Heute ist klar: Hernandez litt unter schwerwiegenden Hirnschädigungen, die er sich während seiner aktiven Zeit auf dem Spielfeld zugezogen hat. CTE dritten Grades (siehe Box) lautet die Diagnose der Experten vom CTE-Center der Boston University.
Überraschend heftig
Derartige Schäden habe sie zuvor nur bei deutlich älteren Menschen gesehen, so Center-Leiterin Ann McKee. «Wir können das Verhalten nicht aus der Pathologie erklären», sagte sie laut «Washington Post» bei der Präsentation der Ergebnisse.
«Wir können aber sagen, dass Individuen mit CTE von dieser Schwere insgesamt Schwierigkeiten mit Impulskontrolle, Entscheidungsfindung, der Hemmung von Aggressionen, emotionaler Labilität und Wutanfällen haben.» Das galt auch für Hernandez, der seit seiner High-School-Zeit durch impulsives Verhalten, später Drogen- und Gewaltdelikte aufgefallen war.
Junge Gehirne besonders anfällig
Eines macht McKee besondere Sorgen: «Wir sehen eine Beschleunigung der Krankheit bei jungen Sportlern. Ob das daher kommt, dass sie aggressiver spielen oder dass sie jünger anfangen, wissen wir nicht.»
Dies treibt auch viele Eltern in den USA um. Obwohl die Regeln nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei vielen Kinder- und Jugendlichen angepasst sind, zögern viele Eltern, ihre Kinder überhaupt noch Football spielen zu lassen. Denn deren Gehirne reagieren besonders sensibel auf Erschütterungen.
Schon leichte Stösse schlimm
Neue Erkenntnisse, die Forscher auf dem Jahrestreffen der Gesellschaft für Neurowissenschaften in Washington vorstellten, unterstreichen das. Eine Studie der McMaster University (Ontario) zeigt, dass nicht nur Gehirnerschütterungen, sondern schon leichtere Stösse gegen den Kopf die Gedächtnisleistung zeitweise verschlechtern.
Dazu liess Forscherin Melissa McCradden Football-, Fussball- und Rugby-Spieler drei Erinnerungstests am Computer machen. Ergebnis: Während der Saison konnten sich alle Spieler schlechter erinnern als vor der Saison oder danach.
Frauen triffts härter
Unschön für den Frauenfussball: Spielerinnen tragen nach Kopfbällen offenbar mehr neuronale Schäden davon als ihre männlichen Kollegen. Forscher des Albert Einstein College of Medicine (New York) untersuchten dazu die Gehirne von je 49 Spielerinnen und Spielern.
Das Ergebnis: Kopfbälle verschlechterten bei beiden Geschlechtern die Leitfähigkeit von Nervenfortsätzen – bei den Männern aber nur in drei Hirnregionen, bei den Frauen in acht und zumeist auch anhaltender. Die Gründe sind unklar.
Der US-Fussballverband reagierte bereits: Seit 2015 dürfen Kinder unter 10 Jahren überhaupt keine Kopfbälle mehr machen. Zwischen 11 und 13 Jahren ist das im Spiel erlaubt, aber im Training verboten. (fee/sda)
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Die vier Stufen der CTE
Für die Bestimmung des Schweregrads der CTE werden die nach dem Tod durch Obduktion des Gehirns ermittelten Schäden mit den vor dem Tod ermittelten Verhaltensauffälligkeiten in Bezug gesetzt. Das sind die vier Stufen:
Stufe I: Kopfschmerzen, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite
Stufe II: zusätzliche Symptome wie Depression, Gefühlsausbrüche, beeinträchtigtes Kurzzeitgedächtnis
Stufe III: Kognitive Beeinträchtigungen, Probleme bei der Planung und Organisation von Alltagstätigkeiten, Multitasking-Probleme, Mängel im Beurteilungsvermögen
Stufe IV: ausgeprägte Demenz mit starken Gedächtnis- und kognitiven Störungen, die die Alltagsbewältigung unmöglich machen