Keine ApokalypseSo funktioniert der Maya-Kalender
Die Propheten des Weltuntergangs, die das Ende aller Zeiten auf den 21. Dezember ansetzen, berufen sich auf den Maya-Kalender. Doch im komplexen Zahlenwerk steckt kein Apokalypse-Code.
Am 21. oder 23. Dezember 2012, je nach Zählweise, soll die Welt untergehen. Endzeit-Propheten befürchten Asteroideneinschläge, Erdbeben oder Flutwellen. Manche delirieren von einem Planeten Nibiru, der aus den Tiefen des Alls auftauchen werde, von einem katastrophalen «Polsprung» oder von einem angeblich bevorstehenden «Gravitationskollaps». Diese Bedrohungsszenarien sind ausgemachter Humbug. Die ganze Aufregung gründet auf einer trivialen Tatsache: Im Dezember endet ein über 5000 Jahre dauernder Zyklus des Maya-Kalenders. Doch was heisst das genau?
Das mittelamerikanische Volk, dessen Hochkultur lange vor der Ankunft der spanischen Konquistadoren verfiel (siehe Box), hat in der Tat ein komplexes Kalendersystem entwickelt. Es besteht aus nicht weniger als drei verschiedenen Kalendern: Für rituelle Zwecke gab es den Tzolkin-Kalender, in dem die «heiligen» Zahlen 20 und 13 eine wichtige Rolle spielten. Jeder der 260 Tage im Tzolkin-Jahr wurde durch die Kombination einer Zahl von 1 bis 13 und den Namen einer von 20 Gottheiten definiert (z. Bsp. «2 Etz'nab»).
Die Tücken des Langzeitkalenders
Für alltägliche Zwecke, beispielsweise die Berechnung der Erntezeit, gab es den Haab-Kalender, der aus 18 Monaten zu je 20 Tagen bestand (z. Bsp. «11 Yax» = der 11. Tag des Monats Yax). Dazu kamen 5 «Unglückstage», damit der Kalender auf 365 Tage kam und so ein Sonnenjahr umfasste. Mit der Kombination dieser beiden Kalender («2 Etz'nab, 11 Yax») konnten die Maja ein Datum eindeutig angeben, aber nur innerhalb eines Zeitraums von rund 52 Jahren; danach begannen sich die Daten zu wiederholen. Für längere Zeiträume genügte das nicht.
Daher kam für astronomische Berechnungen und historische Angaben ein drittes System zur Anwendung, die sogenannte Lange Zählung. Diese liessen die Maya mit der Erschaffung der Welt beginnen, die in unserem Gregorianischen Kalender dem 11. oder 13. August 3114 v. Chr. entspricht. Von diesem Nullpunkt aus wurden dann die Tage bis zu einem bestimmten Ereignis gezählt; beispielsweise starb der Herrscher Pakal I. von Palenque 1'386'478 Tage nach dem Beginn der Zeit (= 28. August 683).
Was die Angelegenheit für uns noch weiter kompliziert, ist die Tatsache, dass die Maya nicht wie wir das Dezimalsystem, sondern ein Zahlensystem mit der Zahl 20 als Grundlage verwendeten. In diesem Zwanzigersystem gab es für die Lange Zählung folgende Einheiten: 1 k'in (1 Tag)20 k'in = 1 uinal (20 Tage)18 uinal = 1 tun (360 Tage; hier ist die 20er-Regel für einmal durchbrochen, da 1 tun auf diese Weise ziemlich genau einem Jahr entspricht)20 tun = 1 k'atun (7200 Tage)20 k'atun = 1 baktun (144'000 Tage oder rund 394 Jahre) Die zuvor erwähnten 1'386'478 Tage (das Todesdatum von Pakal I.) schrieben die Maya also so: 9.12.11.5.18 (9 baktun 12 k'atun 11 tun 5 uinal 18 kin).
Ein Nullpunkt, der nicht mit 0 beginnt
Nun könnte man erwarten, dass die Zählung am Nullpunkt mit dem Wert 0.0.0.0.0 begann. Da die Maya jedoch der Zahl 13 eine besondere Bedeutung zuschrieben, liessen sie die Zählung stattdessen bei 13.0.0.0.0 beginnen. Danach wurde aber regelkonform weitergezählt; nach dem baktun 13 folgte baktun 1. Nach einem Zeitraum von rund 5125 Jahren vollendet sich nun der Zyklus und das Datum des Schöpfungstags 13.0.0.0.0 wird erneut erreicht. Es fällt, wir ahnen es, auf den 21. oder 23. Dezember 2012. Darin steckt aber beileibe kein Weltuntergang, sondern lediglich eine Wegmarke in einem Kalender – ähnlich wie in unserem Kalender und in unserem Dezimalsystem am 31.12.1999 eine Epoche endete. Dieses Datum sorgte damals ebenfalls für Katastrophenängste – man denke nur an den sogenannten «Millenium-» oder «Y2K-Bug». Doch das grosse Unglück blieb aus.
Natürlich hätte die zahlenmässige Wiederkehr des Schöpfungsdatums für die Maya-Priester eine rituelle Bedeutung gehabt, ähnlich wie wir den runden Zahlen in unserem Dezimalsystem auch eine spezielle Bedeutung zuweisen – doch eher im Sinne eines Wandels oder Neuanfangs, nicht eines Weltuntergangs. Schliesslich datierten die Maya selbst kalendarische Ereignisse bis weit in die Zukunft, beispielsweise ein Thronjubiläum im Jahr 4772 n. Chr.
Westliche Projektion
Ohnehin sehen manche Experten in der ganzen Weltuntergangshysterie im Zusammenhang mit dem Maya-Kalender eine kulturell bedingte Fehlinterpretation. Es handle sich um eine Projektion «unserer Weltuntergangs-Vorstellungen auf eine für uns exotisch und geheimnisvoll wirkende Kultur», meint zum Beispiel die Altamerikanistin Antje Gunsenheimer von der Universität Bonn. So seien auch erst mit der Christianisierung apokalyptische Ideen in die Vorstellungswelt der Maya gelangt.
Wer es also nicht lassen kann, soll sich noch bis spätestens am 23. Dezember vor dem Weltuntergang fürchten. Am 24. Dezember müssen sich die Apokalyptiker dann ein neues Datum suchen – oder Weihnachten feiern.
Kalenderrechner: Gregorianischer und Maya-Kalender
(Quelle: Thilo Alt, art3W)
Die Maya
Das indigene Volk der Maya entwickelte in Mittelamerika zwischen 400 und 900 n. Chr. eine blühende Hochkultur. In dieser Ära bauten die Maya, die in einer Vielzahl von Kleinstaaten organisiert waren, mehrere grosse Städte wie Chichén Itzá, Yaxchilán und Palenque. Sie verfügten über eine eigene Schrift, eine entwickelte Mathematik und einen komplexen Kalender. Sie unterhielten aufwändige Bewässerungssysteme und bauten gewaltige Tempel. Etwa um 900 herum gaben die Maya ihre grossen Städte auf und hörten auf, Monumentalbauwerke zu errichten. Möglicherweise waren ökologische Gründe für diesen Niedergang verantwortlich.
Als die spanischen Eroberer ab 1511 in das Siedlungsgebiet der Maya vordrangen, zerstörten sie die Mehrzahl der schriftlichen Dokumente dieser Hochkultur, so dass nur noch Teile von vier Maya-Codices erhalten sind. Heute leben rund 6,1 Millionen Maya auf der Yucatán-Halbinsel, in Belize, Guatemala und Honduras.