Corona-StatistikSo gross ist das Risiko, einem Infizierten zu begegnen
Geht man in der Westschweiz aus dem Haus, ist die Chance gross, auf einen Infizierten zu treffen. Das zeigt eine Risikotabelle.
Darum gehts
Die Schweiz hat im Verhältnis zur Bevölkerung eine der höchsten Fallzahlen Europas.
Das führt dazu, dass das Virus beinahe überall zirkuliert, wo sich Menschen treffen.
Eine Grafik zeigt, wo das Risiko wie gross ist, einen Infizierten zu treffen.
«Innenräume mit schlechter Lüftung und Gedränge sollte man vermeiden, Masken helfen, die Dosis zu verringern», sagt deshalb der Macher der Grafik.
44’970 Personen befanden sich laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Montag in Isolation. Das heisst, sie wurden positiv auf Covid-19 getestet und müssen sich zum Schutz ihrer Mitmenschen abschotten. Derweil befinden sich die täglich gemeldeten Fallzahlen weiterhin auf hohem Niveau: Übers Wochenende registrierte der Bund 17’309 Neuinfektionen. Die Inzidenz hat in der Schweiz in der zweiten Welle einen derart hohen Wert erreicht, dass das Virus beinahe überall zirkuliert, wo sich Menschen treffen.
«Dadurch, dass sich das Virus schon den ganzen Sommer langsam, aber doch exponentiell – eben mit einer langen Verdopplungszeit – ausbreiten konnte, kann man jetzt schon von einer flächendeckenden Ausbreitung ausgehen», sagt Datenanalyst Thorsten Kurz zu 20 Minuten. Das Risiko, auf eine Person zu treffen, die infektiös ist, sei in der aktuellen Lage relativ hoch.
Inspiriert von einem Werkzeug des Georgia Institute of Technology, berechnet er Risikotabellen, die zeigen, wie viele Personen man derzeit noch treffen kann – je nachdem, welches Risiko man eingehen will.
Kantonale Unterschiede
Wer zum Beispiel das Risiko, einer mit Covid-19 infizierten Person zu begegnen, unter fünf Prozent halten will, darf in den Westschweizer Kantonen niemanden oder nur eine Person treffen. In Basel-Stadt und Baselland gibt es dann etwas mehr Flexibilität.

Wer ein Risiko von bis zu 10 Prozent in Kauf nehmen will, darf zumindest in Genf wieder sicher eine Person treffen.


Und wer gar ein 50-prozentiges Risiko eingehen will, der hat laut Kurz’ Berechnungen diese Möglichkeiten:

Dadurch, dass zahlreiche Infektionen mit nur geringen Symptomen verlaufen, lassen sich viele Menschen nicht testen. Nicht nur deren Infektionen bleiben dann unentdeckt, auch diejenigen, die mit ihnen in Kontakt waren und selbst infiziert sein können, könnten so zu einer weiteren Verbreitung beitragen. Dazu kommt, dass das Contact-Tracing vielerorts überlastet ist und auch bei den bekannten Fällen nicht alle Risikokontakte in Quarantäne schicken kann. Dadurch laufen parallel zu den erkannten und unterbrochenen Infektionsketten eine Vielzahl von unentdeckten Infektionsketten im Dunkeln weiter.
Tatsächliche Fallzahl ist bis zu viermal grösser
Nach der Schätzung Martin Ackermanns, Präsident der Corona-Taskforce des Bundes, lag die Zahl der unerkannten Fälle bereits vor zwei Wochen um mehr als das Drei- bis Vierfache über den bekannten Fällen. Von dieser Dunkelziffer ausgehend, berechnet Thorsten Kurz Schätzwerte für den Anteil von unentdeckten Infektionen pro Altersgruppe und Kanton, basierend auf den Fallzahlen der letzten zehn Tage.
Dieser Anteil von unentdeckten Infektionen erlaubt es zu berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit mindestens eine Person in einer Gruppe einer bestimmten Grösse infiziert ist. Oder umgekehrt, wie gross die Gruppe maximal sein darf, damit die Wahrscheinlichkeit dafür unter einem bestimmten Wert bleibt. Thorsten Kurz betont, dass seine Darstellung nur das Risiko eines Kontakts, nicht aber das einer Ansteckung abbilde. Er sagt auch: «Das Risiko einer Infektion hängt von der viralen Dosis ab, die in den Körper gelangt. Innenräume mit schlechter Belüftung und Gedränge sollte man vermeiden, Masken helfen, die Dosis zu verringern.»
«Man darf die Bevölkerung beruhigen»
Stephan Rietiker, Arzt und Gründer der Plattform Inside Corona, sieht die Massnahmen des Bundes skeptisch. Er warnt aufgrund der präsentierten Risikozahlen vor Panik: «Insgesamt darf man die Bevölkerung beruhigen: Unter Einhaltung von Hygienemassnahmen und Social Distancing kann man sich problemlos auf die Strasse wagen beziehungsweise einer Arbeit nachgehen.»
Aufgrund fehlender Studien in der Schweiz wisse man nicht wirklich, wo Infektionsherde, sogenannte Cluster entstünden. «Aufgrund ausländischer Daten weiss man hingegen, dass Infektionen in Läden und Büros sowie Kindergärten und Schulen sehr selten sind.» Gehäuft würden Infektionen in grossen Menschenansammlungen auf sehr engem Raum auftreten, etwa in Discos, Stadien, Partys oder an politischen Versammlungen. «Das Ansteckungsrisiko ausserhalb von Gebäuden ist minim und kann weiter reduziert werden, wenn Social Distancing und Hygienemassnahmen konsequent eingehalten werden.»