Europa-Battle: So lief das Duell Nicola Forster gegen Christoph Blocher

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Europa-PolitikSo lief das grosse Europa-Battle Nicola Forster gegen Christoph Blocher

Eine Stunde lang haben SVP-Chefstratege Christoph Blocher und Nicola Forster, Buchautor und Europapolitik-Kenner, am Dienstagabend verbal die Klingen gekreuzt. So lief das Streitgespräch ab. 

Trotz gegensätzlicher Positionen in der Politik gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen Christoph Blocher und Nicola Forster, wie dieser feststellt.

20min 

Darum gehts

  • Die Europapolitik-Debatte im Wahljahr ist lanciert. 

  • Anlässlich der Vernissage des Buchs «Schweiz und Europa – Eine politische Analyse» kreuzten am Dienstagabend SVP-Chefstratege Christoph Blocher und GLP-Europapolitik-Kenner Nicola Forster die Klingen. 

  • Während Forster für ein Rahmenabkommen und einen Ausbau der bilateralen Verträge kämpft, lehnt Blocher ein solches Abkommen klar ab. 

  • Das leicht gekürzte Streitgespräch gibt es hier zum Nachlesen. 

Stefan Lanz, Moderator: Herr Blocher, Sanija Ameti sagte, Ihre Vision für Europa sei gefährlich. Was entgegnen Sie?
Christoph Blocher (B): Ich müsste gar nicht mehr an Veranstaltungen gehen, an denen Frau Ameti spricht, ich bin ja so oder so da. Aber es ist ihr Recht, meine Vision anzugreifen. Ich bin leidenschaftliche Verteufelungen meiner Person gewohnt. 

Wie steht es um die Beziehungen zwischen Schweiz und EU? Müssen wir etwas machen?
Nicola Forster (F): Es steht grundsätzlich gut, aber wir müssen schauen, dass es so bleibt. Und wir müssen auch berücksichtigen, was die andere Seite will. Ich bin da völlig unemotional: Wir brauchen einen Weg, damit es der Schweiz gut geht.
B: Da sind wir uns einig. Wir müssen schauen, dass es der Schweiz nicht schlechter geht. Wir können das Umfeld nicht ausklammern. Aber: Wir geben unsere Institutionen nicht preis, denn dann ginge es uns deutlich schlechter. Das will die EU mit einer institutionellen Anbindung. 

Also braucht es keine Weiterentwicklung?
B: Doch, aber das machen wir ja andauernd. Seit 700 Jahren handeln wir Verträge mit dem Ausland aus. Und der Schweiz geht es sehr, sehr gut. Dafür müssen wir nicht die Souveränität und das Stimmrecht opfern.
F: Ich bin einverstanden, dass die Schweiz gut dasteht. Aber wir sind uns nicht einig, wieso das so ist. Nachdem 1992 der EWR-Beitritt abgelehnt wurde, ist die Schweiz in eine Rezession gerutscht. Erst nach Abschluss der Bilateralen ist das Bruttoinlandprodukt wieder gestiegen. Der Schweiz geht es gut wegen der Personenfreizügigkeit, weil kluge Köpfe in die Schweiz kommen konnten. 
B: Die klugen Köpfe sind alle vor der Personenfreizügigkeit gekommen.

20min/Taddeo Cerletti

«Die EU ist nicht perfekt, aber das ändert sich nicht durch Kritik von aussen.»

Nicola Forster 

Herr Forster, Sie sagen, es herrsche Stillstand. Was sind die Probleme und wo könnten wir ansetzen?
F: Wir haben ein gut funktionierendes System. 1848 haben wir die Kantone zusammengeschlossen und gesagt, wir müssen gewisse Fragen auf nationaler Ebene lösen. Heute sind Probleme wie Klimawandel oder Terrorismus nur international lösbar. 

In der EU können die Menschen aber nicht über diese Lösungen abstimmen.
F: Ich bin der Erste, der sagt, dass es in der EU mehr Mitspracherecht für die Menschen braucht. Die EU ist nicht perfekt, aber das wird nicht besser, wenn wir sie immer nur von aussen kritisieren.

Also sind Sie für den EU-Beitritt?
F: Nein.
B: Geben Sie es doch zu. Von der GLP kommt die Europainitiative.
F: Die kommt von den Grünen, die GLP unterstützt sie nicht.

20min/Taddeo Cerletti

«Die Mächtigen in der EU stört es, dass wir ihr Recht nicht übernehmen wollen.»

Christoph Blocher

Sie wollen also nicht den EU-Beitritt, sondern?
F: Ich will die Interessen der Schweiz am besten vertreten können. In 30 Jahren geht das vielleicht am besten über einen Beitritt. Heute bin ich dafür, den bilateralen Weg weiterzuverfolgen.
B: Wo ist denn das Problem? Es funktioniert doch alles. Wir machen täglich Geschäfte mit der EU und haben hervorragende Beziehungen. Aber die Mächtigen in der EU stört es, dass wir ihr Recht nicht einfach übernehmen wollen. Und dass wir nicht wollen, dass der Europäische Gerichtshof als letzte Instanz über Streitigkeiten entscheidet.

Welches Gericht würden Sie denn akzeptieren?
B: Ein Schiedsgericht, in dem Vertreter von Schweiz und EU wären.
F: Dann müssten Sie für den EWR-Beitritt sein. Da entscheidet der EFTA-Gerichtshof, wo auch ein Schweizer Richter dabei ist.
B: Ein Richter der Schweiz ist da drin. Und der ist erst noch Liechtensteiner. Wenn wir EU-Recht übernehmen, wird es Schweizer Recht. Und dann sollen Schweizer Richter es beurteilen. Ich bin doch nicht gegen die EU, nur weil ich da nicht beitreten will. Ich bin auch nicht gegen die USA, trotzdem will ich nicht den USA beitreten.
F: Fakt ist doch: 86 Prozent der Schweizer Gesetze sind heute schon von der EU beeinflusst. Die Schweiz ist stärker in die EU integriert als bestimmte Mitgliedsländer. Die Diskussion um die Souveränität ist hohl. Wir müssen einen Weg finden mit der EU.
B: Aber wir haben doch einen Weg!
F: Der aber zu Ende zu gehen droht. Wir haben einen Binnenmarkt rund um die Schweiz, an dem wir teilnehmen wollen. Es ist das Normalste der Welt, dass wir dafür die Regeln befolgen müssen.
B: Wir haben ja Zugang zum Binnenmarkt. Weil die EU Angst hat vor unseren Sanktionen, wenn sie uns den Zugang wegnehmen.
F: Den Zugang haben wir dank den Bilateralen, die die SVP bekämpft hat.
B: Unsere Firma exportiert seit 80 Jahren, da gab es noch keine Bilateralen.
F: In der Medizintechnik wurde der Zugang eingeschränkt. Dasselbe droht in der Maschinenindustrie.
B: Es werden immer Drohkulissen aufgebaut. Kein einziges Medtech-Unternehmen hat die Schweiz deswegen verlassen.

«Die EU fühlt sich von der Schweiz verarscht, weil wir immer sagen, es passiere etwas. Und dann passiert nichts.»

Nicola Forster

Tatsächlich macht die EU viel Druck. Was halten Sie davon?
F: Ich finde es daneben. Die EU hat die Tendenz, so viel Druck zu machen, dass es schwierig wird, eine Volksabstimmung zu gewinnen. Aber: Die EU fühlt sich von der Schweiz verarscht, weil wir schon oft gesagt haben, dass wir vorwärts machen, und dann ist nichts passiert. Man glaubt uns nicht mehr.
B: Die Mehrheit der Schweiz hat 1992 gesagt, dass wir nicht in den EWR wollen.
F: Dann haben die Verlierer den Scherbenhaufen aufgewischt und mit den Bilateralen einen Weg gefunden. Und heute, 30 Jahre später, muss man wieder über den EWR diskutieren können.
B: Dann lancieren Sie doch eine Volksinitiative zum EWR-Beitritt. Wir sind bereit.
F: Ich möchte, dass wir erst versuchen, den bilateralen Weg weiterzugehen. Doch die Zeit drängt.
B: Wieso das denn?
F: Weil dieses Jahr in der Schweiz Wahlen sind, nächstes Jahr in der EU. Dann kommt eine neue Kommission und dann wird es 2027. 
B: Das ist doch kein Problem.
F: Doch, etwa für die Forschung ist es ein Riesenproblem.
B: Die zehn besten Universitäten der Welt sind in den USA, Grossbritannien und der Schweiz. Dann forschen wir doch mit denen.

«Wir wollen keinen Kolonialvertrag, mit dem Fremde über uns bestimmen können.»

Christoph Blocher 

Wo müssen wir sonst noch konkret weiterkommen?
F: Bei der Energie, der Forschung, dem Binnenmarkt, der Unionsbürgerrichtlinie. Alles verändert sich, zum ersten Mal seit der Wende 1989 merkt die Schweiz ganz klar, dass sie Teil Europas ist. Und trotzdem verändert sich nichts in der Europapolitik. Das geht doch nicht.
B: Wir wollen ja auch Bilaterale. Aber keinen Kolonialvertrag wie ein Rahmenabkommen, sodass Fremde über uns bestimmen können.

Zum Schluss noch ein paar Zuschauerfragen. Sollten wir nicht der EU vorschlagen, unser System zu übernehmen? Das gibt es schliesslich schon länger.
F: Danke für die Frage, die Antwort ist nein. Wenn ein Kontinent nach dem Zweiten Weltkrieg einen gemeinsamen Weg gefunden hat, kann nicht einfach die Schweiz kommen und sagen, macht es doch besser wie wir.
B: Vorschlagen könnten wir das. Aber die EU wird es natürlich nicht machen.

Wann zerfällt die EU?
B: Nicht so schnell. Aber wenn die Ukraine den Krieg gewinnt und die EU sie aufnimmt, wird das ein Problem.
F: Die EU wird nicht zusammenbrechen, das Interesse an Zusammenarbeit ist zu gross.

Wer überzeugt dich mit seiner Argumentation mehr? 

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