PlastikmüllSo schädlich sind Zigarettenstummel
Zigarettenfilter werden achtlos weggeworfen. Dabei sind sie hochgiftig und die Hauptquelle für Plastikmüll im Meer. Könnten Ökofilter eine Lösung sein?
5,6 Billionen Zigaretten werden weltweit pro Jahr geraucht, 4,5 Billionen davon werden nach dem Rauchen achtlos weggeworfen und landen auf der Strasse oder in der Natur. Dies, obwohl die WHO Zigarettenstummel 2017 zum Sondermüll erklärt hat. Denn Zigarettenstummel bestehen neben Tabakresten und Papier hauptsächlich aus dem Filter. Und der ist nicht nur randvoll mit zum Teil hochgiftigen Chemikalien aus dem Tabakrauch, er besteht in den allermeisten Fällen aus Celluloseacetat, also aus Kunststoff.
Dieser Kunststoff ist biologisch nicht abbaubar. Gelangen Filter in Gewässer landen sie früher oder später im Meer. Forscher haben in 70 Prozent aller untersuchten Seevögel Rückstände von Zigarettenfiltern entdeckt. Bei den Meeresschildkröten waren es 30 Prozent. Wie jeder Kunststoff zerfallen Filter mit der Zeit zu Mikroplastik. Wie lange das dauert, darüber gehen die Meinungen auseinander. Während die Zigarettenindustrie von einigen Monaten bis zu drei Jahren spricht, sagen verschiedene Studien, dass es im Süsswasser 10 bis 15 Jahre dauert, im Salzwasser sogar deutlich länger.
Ökofilter aus Zellulose
Abhilfe für das Plastikproblem versprechen sogenannte Ökofilter. Sie sind aus ungebleichter Zellulose hergestellt und biologisch abbaubar. Sie werden von einzelnen Herstellern von Filtern für selbstgedrehte Zigaretten angeboten. Noch lasse das Kundenecho aber zu wünschen übrig, wie Christian Hinz, Geschäftsführer des Filterherstellers Gizeh aus dem deutschen Gummersbach erklärt. Der Anteil am Gesamtabsatz liege zurzeit bei etwa 5 Prozent.
Kein entsprechendes Angebot gibt es dagegen bei fertigen Filterzigaretten. Matthias Ziegler, zuständig für die Unternehmenskommunikations beim Parisienne-Hersteller British American Tobacco, sagt dazu: «Biologisch abbaubare Filter sind bei der BAT-Gruppe ein Dauerthema». Man sei daran, eine Reihe von Öko-Filtern zu entwickeln und zu testen. Eine Herausforderung dabei sei, das Produkt so zu gestalten, dass es vom Raucher auch akzeptiert werde.
Ziegler weist aber daraufhin, dass auch Ökofilter nicht unproblematisch sind. Denn die umweltschädlichen Reststoffe aus dem Rauch der Zigarette bleiben auch im Ökofilter hängen. Ausserdem könnten Ökofilter dem Raucher das Gefühl geben, dass sie die Stummel ohne Probleme überall entsorgen können, da sie ja biologisch abbaubar seien.
Forderung nach Filterverbot
Damit teilt er die Bedenken von Thomas Novotny von der San Diego State University. Der Initiant des Cigarette Butt Pollution Projects hält Ökofilter für kontraproduktiv. Denn sie würden lediglich das schlechte Gewissen der Raucher, die Kippen wegwerfen, beruhigen. «Die Chemikalien werden trotzdem ausgewaschen», sagt er auf Anfrage von 20 Minuten.
Er fordert deshalb ein totales Verbot von Zigarettenfiltern. Denn ein solches würde einerseits das Müllproblem lösen und andererseits das Rauchen weniger bequem machen. Das käme schliesslich auch den Rauchern zugute, die dann weniger rauchen oder gleich ganz damit aufhören würden.
Tabakindustrie soll in Pflicht genommen werden
Ein solches Verbot hält Bastien Girod, Nationalrat der Grünen und Präsident des Wirtschaftsverbands der Abfallverwertungsanlagen, für unverhältnismässig, solange es keinen sinnvollen Ersatz gibt. Er sieht vielmehr noch grosses Potenzial beim Verhalten der Raucher. «Viele meinen ja, sie können Zigaretten-Stummel einfach auf den Boden werfen, hier muss sich das Bewusstsein verändern», so Girod.
Bewegung in die Debatte um Zigarettenfilter könnte die Motion «Weniger Plastikmüll in Gewässern und Böden» der nationalrätlichen Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) bringen. Sie zielt darauf ab, die Einbringung von Plastik zum Einmalgebrauch, also auch Zigarettenfilter, in die Umwelt erheblich zu reduzieren. Entsprechende Massnahmen wären mit den betroffenen Branchen zu erarbeiten. «Die Tabakindustrie selber wird also in die Pflicht genommen», sagt Urek-Mitglied Girod. Sie sei gefordert, wirkungsvolle, sinnvolle Massnahmen vorzuschlagen und mit dem Bundesamt für Umwelt zu evaluieren und koordinieren, so Girod weiter.
Der Umwelt kurzfristig am meisten geholfen wäre aber, und da sind sich alle Akteure von der Tabakindustrie über die Wissenschaft bis zur Politik einig, wenn jede Raucherin und jeder Raucher ab sofort ihre Zigarettenstummel nicht mehr wegwerfen, sondern korrekt im Kehricht entsorgen würden.